Im vergangenen Jahr hatte ich hier auf den ScienceBlogs mehrfach um Unterstützung für zwei von mir mitbetreute Crowdfunding-Projekte bei Sciencestarter geworben, die ihre ambitionierten Finanzierungsziele letztlich auch beide erreichen (und sogar recht deutlich übertreffen) konnten. Über den aktuellen Stand beider Projekte habe ich in den jeweiligen Projektblogs (hier und hier) zwar wöchentlich berichtet, nachdem nun aber mittlerweile eines der Projekte vollständig und das zweite fast vollständig abgeschlossen werden konnte, möchte ich auch hier im Blog noch einmal ein kurzes Fazit ziehen – verbunden natürlich mit dem herzlichen Dank an alle Unterstützerinnen und Unterstützer unter der ScienceBlogs-Leserschaft.
Im Rahmen des ersten Projekts – „Silver Clips“ – das unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Apfelbaum an der Hochschule Harz von Thomas Schatz, Julia Schäfer und mir durchgeführt wurde, stand die Frage im Mittelpunkt, wie weniger technikaffine Seniorinnen und Senioren ermutigt werden können, sich mit moderner Technologie – insbesondere im Hinblick auf sog. AAL-Systeme – auseinanderzusetzen. Aus der sozialwissenschaftlichen Forschung ist bereits bekannt, dass altersgerechte Rollenvorbilder – die sogenannten Alterspioniere – sich ganz wesentlich auf Motivation und Technikakzeptanz auswirken können. Weniger gut bekannt ist jedoch, wie derartige Rollenvorbilder eigentlich in Szene gesetzt werden müssen, um eine optimale Motivationswirkung zu entfalten. Spielt es beispielsweise eine Rolle, ob Alterspioniere dem gleichen Geschlecht wie die zu motivierenden Senioren angehören? Ob die von ihnen genutzten technischen Systeme eher einfach und alltagstauglich oder eher futuristischer Natur sind? Oder ob die Inszenierung der Alltagspioniere eher ernsthaft oder eher humorvoll erfolgt?
Diesen und vielen weiteren Fragen zur Wahrnehmung und Wirkung von Alterspionieren sollte im Rahmen des Projekts „Silver Clips“ durch moderierte Gruppendiskussionen mit technikaffinen und weniger technikaffinen Seniorinnen und Senioren auf den Grund gegangen werden, für die jedoch wiederum kurze Filme als Diskussionsimpulse benötigt wurden, die Alterspioniere bei der Nutzung verschiedenartiger technischer Systeme zeigen. Insbesondere der Dreh dieser Videos sollte – unter anderem über die Finanzierung studentischer Arbeitsverträge – mittels Crowdfunding abgedeckt werden. Nachdem die Crowdfunding-Kampagne im Rahmen der seit 2013 jährlich stattfindenden „Forschungsshow“ an der Hochschule Harz in nettem Ambiete (unter anderem mit einem Science Slam und lokaler Pressebegleitung) gestartet wurde, kam relativ schnell eine erste größere Summe zusammen, die durch den Gewinn des mit 1.000 Euro dotierten Sciencestarter-Demografiepreises im Dezember 2013 erheblich aufgestockt wurde. Die intensive Begleitung der Crowdfunding-Phase durch die Presse (unter anderem berichteten die Harzer Volksstimme, die Mitteldeutsche Zeitung und der MDR), das Dezernat für Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Harz sowie natürlich über Beiträge in Blogs und Social Networks führte letztlich zu einem erfreulichen Finanzierungserfolg: Anstelle der avisierten 3.500 Euro kamen insgesamt 4.500 Euro zusammen.
Mit dieser Summe entstanden unter der fachlichen Anleitung von Prof. Daniel Ackermann vier Kurzfilme, die Alterspioniere unterschiedlichen Geschlechts bei der Nutzung eines Sicherheits-Bügeleisens, eines eBook-Readers sowie einer Videotelefonie-Anwendung zeigen. Die Videos, die ich hier nachfolgend als Playlist einbette, wirken auf den einen oder anderen Zuschauer unter anderem wegen des Verzichts auf szenische Musik, schnelle Schnitte oder aber wegen der klaren verbalen Zusammenfassung des Nutzwertes am Ende jeder Szene vermutlich etwas befremdlich, entsprechen aber sehr gut den Kommunikationsbedürfnissen der avisierten Zielgruppe.
Entgegen unserer ursprünglichen Überlegung, die Filme als Gesprächsimpulse für eine oder zwei moderierte Gruppendiskussionen mit Seniorinnen und Senioren zu verwenden, haben wir uns aus methodischen Gründen für aufwändigere, videogestützte Einzelinterviews mit Seniorinnen und Senioren entschieden, die seit Ende letzten Jahres von meinen Kollegen Thomas Schatz und Julia Schäfer in den beiden BMBF-geförderten Senioren-Technik-Beratungsstellen in Halberstadt und Wanzleben-Börde durchgeführt werden. Mittlerweile fanden mehr als ein Dutzend solcher Interviews statt, die ersten Ergebnisse werden im April 2015 im Rahmen der NWK 16 in Berlin vorgestellt und – wie im Crowdfunding angekündigt – als Open Access-Paper veröffentlicht. Eine weitere Open Access-Veröffentlichung, in die dann die Ergebnisse sämtlicher Einzelinterviews eingehen, die bis Ende März noch geführt werden, ist bereits fest vorgesehen.
Schon jetzt lässt sich feststellen, dass die befragten Seniorinnen und Senioren einige unserer Forschungshypothesen gehörig über den Haufen geworfen haben. So hat sich beispielsweise die Annahme, dass besonders alltagsnahe Anwendungen (Sicherheitsbügeleisen) gegenüber eher futuristischen Anwendungen (Videotelefonie) klar präferiert werden dürften, in keinster Weise bestätigt, da gerade alltagsnahe Anwendungen sehr viel stärker mit der Wahrnehmung eigener Altersdefizite verbunden wurden. Welche Handlungsempfehlungen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen letztlich für die Inszenierung von Alterspionieren ableiten lassen, wird Thema der zweiten Veröffentlichung sein, die wir – wie oben geschrieben – noch für dieses Jahr vorbereiten.
Während also für das Projekt „Silver Clips“ noch mindestens eine weitere Publikation zu erwarten ist, konnte das zweite von mir bei Sciencestarter begleitete Vorhaben – die Finanzierung eines barrierefreien Außen- und Beobachtungsgeländes für die Sternwarte Sankt Andreasberg – inzwischen bereits vollständig abgeschlossen werden. Obwohl dieses Projekt medial weniger Beachtung fand, wurde es aufgrund der breiten Unterstützerschaft in der Astroszene sowie spendenbereiter Mitglieder des Sternwarten-Fördervereins ebenso erfolgreich beendet: Die avisierte Summe von 3.500 Euro wurde auch hier um glatte 1.000 Euro übertroffen.
Da es sich bei dem Projekt weniger um ein Forschungs-, als mehr um ein Bauvorhaben handelt, gibt es zum Projektverlauf an dieser Stelle weniger zu berichten: Fünf Teleskopsäulen wurden erschütterungsfrei in Betonfundamenten verankert, barrierefreie Wege, eine für Rollstuhlfahrer höhenverstellbare Beobachtungsanordnung sowie die Anbindung einer Teleskopsäule an einen Beamer sowie einen potentiell sprachfähigen Computer im Inneren der Sternwarte sorgen dafür, dass auch Geh- und Sehbehinderte die Anlagen ohne Probleme nutzen können. Bereits zum Sankt Andreasberger Teleskoptreffen im vergangenen Jahr – und seitdem immer wieder – konnten wir Rollstuhlfahrer, Sehbehinderte und Blinde auf dem Gelände begrüßen. Insbesondere durch die wertvollen Hinweise unseres Gastdozenten Niels Luithardt vom Verein AnderSicht e.V. sind mittlerweile schon wieder etliche neue Impulse und Ideen für die weiterführende barrierefreie Umgestaltung der Innenräume der Sternwarte entstanden, für die der Förderverein derzeit aber andere Formen der Finanzierung (unter anderem über Stiftungsanträge) anstrebt.
Ich war übrigens gerade gestern – im Zuge einer Lehrtätigkeit für den gemeinsamen Astronomie-Einsteigerkurs von Sternwarte und Volkshochschule Goslar – mal wieder auf dem Gelände und kann nur berichten, dass die dort neu entstandenen Angebote wirklich hervorragend angenommen werden. Gerade bei der Beobachtung des Kometen Lovejoy im Januar, bei der teilweise mehr als 70 Besucherinnen und Besucher gleichzeitig die Beobachtungsmöglichkeiten nutzen wollten, konnte die neu entstandene Infrastruktur ihren Nutzen bereits maximal entfalten.
Da Sciencestarter bzw. dessen Mutterschiff Wissenschaft im Dialog sich ja seit einigen Tagen dem unberechtigten Vorwurf einiger Wissenschaftsautoren ausgesetzt sehen, durch moderne Formen der Wissenschaftskommunikation im Vergleich zum traditionellen Wissenschaftsjournalismus keine wirklichen Werte zu generieren, sei mir an dieser Stelle noch der Hinweis auf die nicht unerheblichen Werte gestattet, die allein durch diese beiden eher kleinen Projekte dauerhaft geschaffen wurden: In Sankt Andreasberg ist eine frei zugängliche, barrierefreie Infrastruktur insbesondere für seh- und gehbehinderte Hobby-Astronomen entstanden, die bei anständiger Wartung über viele Jahrzehnte nutzbar bleiben und die Vermittlung von und Begeisterung für Wissenschaft auf vielfältige Art und Weise unterstützen wird. Die frei ins Netz gestellten Silver Clips-Kurzfilme, die bundesweit bereits in vier Senioren-Beratungsstellen und -Vereinen für Gesprächsanstöße zum Einsatz kommen, finden zukünftig hoffentlich noch viele weitere Nutzer – und die Erkenntnisse zur Technikwahrnehmung und insbesondere zum Kompetenzselbstbild von Seniorinnen und Senioren, die wir mit Hilfe der videogestützten Interviews gewinnen konnten, werden uns sicher noch in vielen künftigen Projekten von Nutzen sein. Darüber hinaus ist die Veröffentlichung der Silver Clips-Zwischenergebnisse für eine gerade mit dem Studium fertig gewordene Kollegin die erste peer-reviewte Publikation, die unter ihrem Namen erscheint – und damit vielleicht (hoffentlich) der allererste Schritt in Richtung einer erfolgreichen Forscherkarriere.
All das sind durchaus dauerhafte Werte, die auch in Jahren noch Bedeutung haben werden, und für die sich der Einsatz meiner Einschätzung nach durchaus gelohnt hat. Das Meinungsfeuilleton im Wissenschaftsteil der FAZ – und sei es auch noch so professionell und geschliffen formuliert – landet dagegen bereits morgen im Altpapier und dürfte in einer Woche wieder vergessen sein.
Apropos Einsatz: Die Sciencestarter-Plattform bemüht sich derzeit mit einer eigenen Crowdfunding-Kampagne um eine stabile Finanzierung für das nächste Jahr. Wer also wissenschaftliches Crowdfunding fördern möchte, hat hier eine Chance, aktiv zu werden.
https://www.sciencestarter.de/plattform
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