In dieser Jahreszeit schaut man in allen Skisportgebieten, in denen auf Kunstschnee gesetzt wird, ja immer ein wenig nervös auf die Witterungsbedingungen und fragt sich, wann denn die Schneekanonen endlich angeworfen werden können. Im Harz ist dies seit der Inbetriebnahme der Beschneiungsanlage am Wurmberg bei Braunlage zur Saison 2013 / 2014 nicht anders – nur fiel in diesem Jahr in der Berichterstattung über diese Wartezeit ein Satz, der mich dazu bewegt, einen alten Streit (und einen alten Blogartikel) aus dem Jahr 2012 neu zu beleuchten.
Rückblende: Als vor drei Jahren im Harz über die Sinnhaftigkeit und Umweltverträglichkeit künstlicher Beschneiung diskutiert wurde, kam über verschiedene Umwege ein Kontakt zum Gebirgszentrum der Universität in Savoyen zustande, an der die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Carmen de Jong seit 2006 die Auswirkungen von künstlicher Beschneiung insbesondere auf Wasserhaushalt und Vegetation erforscht. Dieser Kontakt gipfelte Mitte des Jahres in einer Begehung des avisierten Beschneiungsareals sowie in der Erarbeitug einer eher kritischen Kurzbetrachtung des Projekts durch Prof. Dr. de Jong, Dr. Friedhart Knolle vom BUND sowie meine Person. Das über den BUND publizierte Dokument unter dem Titel “Auswirkungen von Klimawandel und künstlicher Beschneiung auf Wurmberg und Winterberg” schlug lokal einige hohe Wellen und führte zu mehreren Gegendarstellungen, von denen mir insbesondere eine im Gedächtnis geblieben ist – aber dazu gleich mehr.
Die größte Kontroverse erzeugte folgende Mutmaßung auf Seite 3 unserer Betrachtung:
“Auf der Basis der momentan vorliegenden Daten wird geschätzt, dass für die Herstellung von qualitativ hochwertigem Kunstschnee (kein Schneematsch) im Harz mindestens -5°C vorherrschen sollten, womit die Temperatur mindestens um 2 °C geringer als an vergleichbaren Alpenstandorten sein müsste.”
Diese Behauptung konnte seitens der Befürworter des Projektes nicht unwidersprochen bleiben, da ungünstigere Ausgangsbedingungen für eine Beschneiung, als sie an den zumeist höher gelegenen Vergleichsstandorten in den Alpen vorherrschen, die Zukunftsfähigkeit des Vorhabens und damit ggf. auch das Einfließen öffentlicher Mittel in Frage gestellt hätten.
Neben verschiedenen Gegenmeinungen in der Presse, veröffentlichte auch der eigentliche Projektträger – die Braunlager Wurmberg-Seilbahn-Gesellschaft – eine Gegendarstellung unter dem Titel “Wasser friert bei 0°C – auch im Harz”, die sich nach wie vor als PDF von der Webseite der GmbH herunterladen lässt. Den von uns vorgebrachten Befürchtungen wird in diesem Dokument in süffisantem Ton folgendes entgegengehalten:
“Die Harzer mögen ein besonderer Menschenschlag sein, die Naturgesetze gelten trotzdem auch im Land der Hexen und Mythen. Wasser gefriert bei 0°C – auch im Harz. Selbst bei 100% Luftfeuchtigkeit.”
Die Wucht an Anfeindungen und Spott, die nach der Verbreitung dieser Darstellung auf mich und andere niedergegangen sind, ist zumindest in meiner persönlichen Erfahrung bislang weder davor noch danach übertroffen worden. Während man es als Blogger und politisch Engagierter ja gewöhnt ist, dass man in Blogs und sozialen Medien hart angegangen wird – vom “Öko-Terroristen” (Klimawandel) über “Monsanto-Handlanger” (grüne Gentechnik) und “bester Helfer der rumänischen Mafia” (Lichtverschmutzung) bis hin zum “Vaterlandsverräter” (Flüchtlinge) ist bei mir schon einiges eingegangen – habe ich nach dieser Pressemitteilung erstmalig erlebt, dass die Häme und die Angriffe bis ins private Wohn- und Lebensumfeld geschwappt sind. Und da dies beileibe keine angenehme Erfahrung gewesen ist, habe ich mich umso mehr geärgert, als mir dieser Tage die folgende Aussage des Geschäftsführers der besagten Wurmberg-Seilbahn in einer Reportage des NDR ins Auge fiel:
“Für den Schnee können die Anlagen-Betreiber zwar dank optimierter Beschneiungsanlagen selbst sorgen. Aber am Temperaturregler können sie nicht drehen. Und genau daran scheitert der Start der Wintersportsaison. ‘Wir stehen mit dem Finger am grünen Knopf, aber es darf höchstens minus vier Grad haben‘, erklärte Nüsse.”
Die Feststellung, dass zwischen “mindestens -5°C” (unsere Annahme) und “höchstens -4°C” (Aussage des Betreibers in der dritten Saison nach Eröffnung) keine große Lücke mehr klafft, erübrigt sich im Grunde. Entschuldigt hat sich bei uns bis heute natürlich niemand – weder für die Pressemitteilung, noch für die resultierenden Leserbriefe, E-Mails, dümmlichen Witze oder sonstigen Anfeindungen. Die Schlussfolgerung, die ich aus diesem und ähnlichen Erlebnissen für mich gezogen habe – und über die man sich idealerweise bewusst sein sollte, bevor man sich in unserer Gesellschaft zu einem kontroversen Thema öffentlich sichtbar macht – lautet: Es wird – außer in ganz extremen Fällen – niemals eine Entschuldigung geben. Es wird aber immer etwas hängenbleiben. Und damit muss man einfach leben können.
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