Am 13. März 2020 wies das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt die Hochschulen im Land an, die Präsenzlehre vorerst auszusetzen und den Start des Sommersemesters auf den 20. April zu verschieben. Am 28. März sollte mein erstes Samstags-Blockseminar im Fach „Statistik“ im berufsbegleitenden Bachelor-Studiengang BWL im laufenden Semester an der Hochschule Harz stattfinden. Was folgte, war eine zwar spontane, am Ende aber durchaus geglückte Umstellung von analoger auf digitaler Lehre. Was dabei gut (und was weniger gut) funktioniert hat und welche Elemente ich gerne in die Zeit „nach Corona“ mitnehmen würde, möchte ich hier kurz zusammenfassen (und damit auch ein Stück weit für mich selbst festhalten).
0) Die Vorlesung: Worum geht es eigentlich?
Bevor ich in die Ausführungen zum Corona-Semester einsteige, vielleicht noch einige kurze Sätze zur Vorlesung an sich: Die Einführungsvorlesung Statistik ist auf 40 SWS ausgelegt und bringt den Studierenden 10 ECTS ein. Neben den theoretischen Basics (Was ist eine Grundgesamtheit? Wofür brauche ich die Skalenniveaus? Wie ziehe ich eine Stichprobe? Wie formuliere ich gute Fragen? Wie messe ich die Güte von Daten?) stehen Mittelwerte (arithmetisches Mittel, Median, Modus…), Streuungsmaße (Spannweite, IQR, Varianz, Standardabweichung…) und Korrelationsmaße (Spearman, Kendall, Bravais-Pearson) auf der Agenda. Darüber hinaus gibt es eine Einführung in die lineare Regressionsanalyse sowie in die statistischen Testverfahren am Beispiel des Chi²-Tests, etwas Mengen- und Wahrscheinlichkeitslehre sowie Konfidenzintervalle. Ich demonstriere außerdem, warum man statt auf Kuchen- und Balkendiagramme öfter mal auf Box- und Stem-and-Leaf-Plots ausweichen sollte und wie man manipulierende Grafiken erkennen kann. Alles in allem eine Vorlesung, die mir persönlich in den letzten Jahren – auch dank der extrem engagierten berufsbegleitenden Studierenden – immer sehr viel Spaß gemacht hat und die – neben Datenanalyse und Methodenlehre – definitiv zu meinen Lieblingsvorlesungen gehört. Und um an dieser Stelle den Werbeblock nicht zu vergessen sei noch erwähnt, dass man sie – losgelöst von einem Studium – auch als Zertifikatskurs buchen kann. Demnächst übrigens ganz neu über den WibKo – den Wissenschaftlichen Weiterbildungskonfigurator der Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Und damit auf zum eigentlichen Thema…
1) Die Plattform: Stud.IP
Die Hochschule Harz betreibt seit vielen Jahren Stud.IP (steht für “Studienbegleitender Internetsupport von Präsenzlehre”) als webbasierte Arbeitsumgebung für die Organisation von Lehrveranstaltungen. Da ich die Statistik (seit 2016) in einem berufsbegleitenden Studiengang unterrichte, in dem ich die Studierenden teilweise ganze Wochen am Stück nicht sehe, haben wir schon in den letzten Semestern sehr viel mit Stud.IP gearbeitet. Als Basis-Plattform bietet die Software eigentlich alles, was man für die digitale Organisation einer Vorlesung benötigt. Für jeden Kurs gibt es einen nur von den Kursteilnehmern betretbaren Bereich, in dem man beispielsweise
- Dateien aller Art (Texte, Folien, Videos etc.) hochladen,
- Fragen in einem Forum mit beliebig vielen Subforen stellen,
- Basisdaten (Termine, Räume, Literaturlisten etc.) verwalten und
- kollaborativ Lehr- und Lerninhalte in einem Wiki bearbeiten kann.
Insbesondere das Wiki, das wir in den letzten Jahren von Semester zu Semester sukzessive erweitert und verbessert haben, ist inzwischen ein echtes Highlight. Trotz dieser guten Grundvoraussetzungen für die digitale Lehre war aber auch klar, dass Stud.IP alleine als Plattform nicht ausreichen kann. Den Studierenden den Foliensatz und das Wiki zur Verfügung zu stellen und ihnen dann einmal pro Woche Übungsaufgaben zukommen zu lassen oder Fragen im Forum zu beantworten – das allein konnte es ja keinesfalls sein. Parallel zur Einrichtung des Kurses in Stud.IP begann also die Suche nach ergänzenden weiteren Plattformen.
2) Die Vorlesungen: Zoom und YouTube
Eine der ersten Ideen war: Ich zeichne die Vorlesung ganz einfach auf und stelle sie auf YouTube. Was bei dem äußerst empfehlenswerten Tobias Hell so leicht aussieht, erwies sich jedoch schnell als äußerst aufwändig, weshalb ich mich – auch mangels passenden Equipments – dafür entschied, erst einmal mit den wichtigsten theoretischen Inhalten zu beginnen und diese in kurzen Screencasts von 10 bis 15 Minuten Länge in entsprechend leicht verdaulichen „Statistik-Wissenshappen“ aufzubereiten. Auf der technischen Seite kamen hierbei der Microsoft Movie Maker und der Audio Rekorder zum Einsatz. Für etwa 10 Folien schrieb ich jeweils zunächst ein Skript, welches ich dann Folie für Folie mit dem Audio Rekorder als mp3 aufgezeichnet und anschließend als Audiodateien mit den in Grafiken umgewandelten Folien im Movie Maker zusammengeschnitten habe. (Und ja – da gibt es effizientere Möglichkeiten, die ich inzwischen auch kenne.) Für die Produktion eines Videos von 10 bis 15 Minuten Länge fielen damit rund zwei bis drei Stunden für das Texten, das Aufnehmen, das Zusammenschneiden, das Generieren des Videos und den abschließenden Upload an. Für die Audioaufnahmen konnte ich auf ein professionelles Podcasting-Mikrofon zurückgreifen, was die Tonqualität (im Vergleich etwa zu integrierten Laptop-Mikrofonen) erheblich gesteigert hat. Hatte ich zu Semesterbeginn noch die Idee, schnell mal 50 Screencasts produzieren zu können, sind es bis heute “nur” 26 geworden.
Dank des „Teaching Labs“ der Hochschule Harz, in dem die Kolleginnen und Kollegen sich im März mit Feuereifer in die Unterstützung der Online-Lehre warfen, kam noch vor der ersten Vorlesung eine Zoom-Lizenz hinzu, von der wir in den Folgemonaten ausgiebig Gebrauch gemacht haben. Dabei war schon nach dem ersten Vier-Stunden-Block am ersten Samstag klar: Sechs- bis achtstündige Blöcke sind in Zoom im Gegensatz zur Präsenzlehre – zumindest für die Statistik – schwer darstellbar. Auf den Wunsch der Studierenden, die Vorlesung in kleinere Abschnitte von einer oder auch mal zwei Stunden zu teilen, bin ich daher sehr gerne eingegangen. Wir haben dann über das Umfragetool in Stud.IP jede Woche passende Termine für die Folgewoche ermittelt, an denen alle (oder zumindest fast alle) Zeit hatten – was im Schnitt auf zwei bis drei ein- bis zweistündige Termine pro Woche hinauslief, zu denen dann noch zwei Tutorien sowie eine Online-Sprechstunde vor den Prüfungen hinzukamen. Die Vorlesungen selbst liefen sehr ähnlich wie die Präsenzveranstaltungen ab: Folien, Fragen, Rechnungen auf dem Whiteboard statt auf einer Tafel, Übungen, ab und zu eine kurze Diskussion. In der Gesamtschau sicher zu frontal (auch wenn ich Frontalunterricht gar nicht sooo verkehrt finde) – daran lässt sich in den kommenden Semestern ja aber noch arbeiten…
Die Durchführung von Vorlesungen in Zoom war zunächst natürlich eher ungewohnt, lief aber unerwartet reibungslos ab. Um Datenschutzfragen und anderen Problemen von Vornherein auszuweichen, war jeweils nur meine Kamera aktiviert, während sich die Studierenden per Mikrofon, Chat sowie – insbesondere bei Übungen in R – per Screen Sharing beteiligt haben. Das spart nicht nur Bandbreite (nicht jeder Studierende verfügt zu Hause über einen Gigabit-Anschluss), sondern sorgt auch dafür, dass man die Vorlesungen für verhinderte Teilnehmer*innen oder auch zur späteren Wiederholung aufzeichnen kann, ohne dass die Studierenden im Bild zu sehen oder ihre Namen zu lesen sind. So haben wir dann auch immer wieder einzelne Blöcke komplett aufgezeichnet (ca. 1,2 MB pro Minute bei adäquater Bild- und Tonqualität, also rund 55 MB für einen 45-Minuten-Block) und über Stud.IP zum Download zur Verfügung gestellt. Bei den Tutorien habe ich – nachdem die Studierenden sich das richtige Ergebnis erarbeitet und präsentiert hatten – jede Aufgabe sowie den Lösungsweg noch einmal kurz für alle zusammengefasst und jeweils nur diese Zusammenfassungen aufgezeichnet, um spätere Nacharbeiten oder Wiederholungen zu erleichtern. Insgesamt entstanden dabei Videoaufzeichnungen von über 13 Stunden Dauer, die ich – im Gegensatz zu den mit dem Movie Maker erstellten „Wissenshappen“ – nicht auf YouTube gestellt habe und derzeit auch noch überlege, ob sich das – insbesondere wegen der vielen „Ähs“ und „Ähms“ – überhaupt jemand ansehen wollen würde.
Mit Zoom kam erfreulicherweise auch die Möglichkeit hinzu, Screencasts zu produzieren, in denen der Umgang mit Statistiksoftware – in unserem Fall mit der Programmiersprache R und der R-Arbeitsumgebung RStudio – kommentiert demonstriert wird. Auch wenn diese Screencasts keine so gute Tonqualität wie die mit dem Audio Rekorder angefertigten Aufnahmen aufwiesen, ließen sie sich für die schnelle Erklärung einzelner R-Funktionen trotzdem gut einsetzen (über mehrere Stunden wäre die suboptimale Tonqualität dagegen vermutlich ziemlich störend).
3) Die Inhalte: Mehr Theorie und R
Im Rahmen der Statistik-Einführungsvorlesung wird neben der Vermittlung der theoretischen Grundlagen üblicherweise auch viel gerechnet: Mittelwerte, Streuungsmaße, Korrelationen, Regressionen, Konfidenzintervalle, Chi²-Tests, Stichprobengrößen und, und, und… Zwar kann man die Rechnerei in Zoom über animierte Folien oder das Whiteboard ganz gut abbilden, der entfallende Blick in die Gesichter der Studierenden sowie in die Rechnungen in ihren Arbeitsmappen fehlt – zumindest mir persönlich – jedoch sehr. Vor diesem Hintergrund habe ich das Rechnen per Hand in diesem Semester ein wenig zurückgefahren und stattdessen mehr mit einem Tool gearbeitet, das sich mit Zoom-Vorlesungen methodisch besser verträgt: Der für statistische Berechnungen ausgelegten Programmiersprache R bzw. der R-Arbeitsumgebung RStudio. R und RStudio sind kostenfrei und plattformübergreifend verfügbar und stellen nur geringe Anforderungen an die Hardware, so dass sichergestellt war, dass jeder Studierende die Software problemlos nutzen konnte. Haben alle Teilnehmer*innen einer Zoom-Vorlesung RStudio geöffnet, kann man das Screen Sharing freigeben und während der Übungsphasen von Monitor zu Monitor springen, so dass jeder, der das möchte, „seinen“ R-Screen teilen und eine Aufgabe vor der Gruppe bearbeiten und kommentieren kann.
Die Integration von R erwies sich unter den besonderen Umständen – und insbesondere mit Blick auf die erste der beiden zu erbringenden Prüfungsleistungen (siehe nächster Abschnitt) als voller Erfolg. Obwohl BWL-Studierende mit Programmierung normalerweise eher wenig Berührungspunkte haben, ließ sich der ganze Kurs auf das Experiment ein und beherrschte RStudio nach nur zwei Monaten sogar so gut, dass eine mit R zu schreibende Online-Klausur in den Bereich des Machbaren rückte. Ganz nebenbei entstand ein kleines Einführungsskript zu R, das ich inzwischen ebenfalls frei ins Netz gestellt habe und das ich in den kommenden Semestern noch weiter „aufbohren“ werde.
4) Die Prüfungen: Zoom und Präsenz
Obwohl die Prüfungsordnung grundsätzlich verschiedene Prüfungsformen zulässt, haben wir in den vergangenen Semestern in der Regel zwei Präsenzklausuren geschrieben: Eine 60-Minuten-Klausur nach etwa der Hälfte des Semesters sowie eine 120-Minuten-Klausur ganz am Ende. Meist musste bei beiden Klausuren vor allem schriftlich gerechnet werden, in einigen Semestern, in denen wir den Umgang mit freier Statistik-Software (z.B. PAST oder PSPP) erprobt haben, haben wir die erste 60-Minuten-Klausur aber manchmal auch schon am Rechner (im Labor, nicht zu Hause) abgelegt.
Im Corona-Semester stellte sich nun relativ schnell das konkrete Problem, dass nicht klar war, ob zur Hälfte des Semesters bereits wieder eine Präsenzprüfung geschrieben werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen im „Teaching Lab“ ein einfaches Setup für eine Online-Klausur entwickelt und erprobt: Die Studierenden bekommen zu Beginn der Prüfung einen R-Datensatz zugeschickt und können sich auf der Online-Lernplattform ILIAS (mehr dazu in Abschnitt 6) einloggen. Dort finden sie einen Satz von 30 in 60 Minuten zu bearbeitenden Fragen zu eben diesem Datensatz, die sich mit Hilfe von R klären lassen. Die Fragen sind dabei randomisiert und werden aus einem Pool von über 200 Fragen – gegliedert nach Schwierigkeits-Kategorien – in Auswahl und Reihenfolge für jeden Prüfling neu zusammengestellt. Auf diese Weise schreibt jeder eine etwas andere – und trotzdem gleich schwere und damit gleich faire – Klausur. Während der gesamten Prüfung blieben – natürlich nach vorheriger Einwilligung aller Beteiligten – alle mit eingeschalteten Kameras und Mikrofonen bei Zoom eingeloggt. Auf Letzteres hatte ich ursprünglich verzichten wollen, da die Prüfung als Open Book-Klausur angelegt war und die Studierenden sich aufgrund der Randomisierung der Fragen ja ohnehin nicht wirklich sinnvoll hätten absprechen können – das Vorgehen war aber mit Blick auf andere Online-Klausuren zuvor einheitlich abgestimmt worden und erwies sich in der praktischen Umsetzung als durchaus sinnvoll, da ich bei Fragen und technischen Problemen auch aus der Distanz sofort gut reagieren konnte.
Im Ergebnis bestand der gesamte Kurs – bei einer Nachprüfung – die R-Klausur mit fliegenden Fahnen. Zur abschließenden zweiten Klausur – die wir wieder in einem gut belüfteten Großraum mit viel Abstand und Masken abhalten konnten – habe ich die Studierenden dann zum ersten und letzten Mal im Semester überhaupt zu Gesicht bekommen, was zugegebenermaßen eine etwas merkwürdige Situation ist. Dem Ergebnis tat aber auch das keinen Abbruch: Obwohl die Klausur vom Schwierigkeitsgrad und von den Inhalten her exakt auf dem Niveau der Klausuren der Vorsemester lag (damit man im Nachhinein keinen „Corona-Notenbonus“ unterstellen kann) und obwohl der Übungseffekt durch die erste schriftliche Klausur gefehlt hat, bestand der gesamte Kurs die Prüfung im ersten Versuch – und das mit einem Notenschnitt, der teilweise sogar noch über dem der Vorsemester lag. Das hat mich ehrlich überrascht. Obwohl die Studierenden sehr engagiert waren und viel Zeit und Arbeit in die digitale Vorlesung geflossen ist, hatte ich zumindest mit einem kleinen Notenknick gerechnet – aber nein. Ich glaube, ich habe noch nie mit mehr Freude (und größerer Erleichterung) Noten verbucht, als an diesem Wochenende.
5) Die freien Inhalte: Ein wenig Reichweite
Einen Großteil meiner Folien und Probeklausuren zur Statistik habe ich schon 2015 frei zugänglich ins Netz gestellt, seit 2016 stelle ich außerdem immer wieder Beiträge zu den Vorlesungsinhalten sowie Übungsaufgaben mit Musterlösungen im Blog Wissenschafts-Thurm ein, der von einem unserer Professoren – dem Online-Marketing-Experten Uwe Manschwetus – betrieben wird. Es lag daher von Anfang an nahe, zumindest einen größeren Teil der für das Corona-Semester zusätzlich erstellten digitalen Inhalte ebenfalls über den kleinen Kreis der Kursteilnehmer*innen hinaus zur Verfügung zu stellen. Konkret findet ihr daher folgende Inhalte an folgenden Stellen im Netz:
- Foliensatz, R-Skript, Übungsaufgaben und Probeklausuren hier
- Blogposts zur Theorie und zusätzliche Übungsaufgaben hier
- Die bislang 16 Screencasts zu den theoretischen Inhalten hier
- Die bislang 10 Screencasts zum Umgang mit R und RStudio hier
Nicht frei zugänglich sind die aufgezeichneten Vorlesungen und Tutorien sowie natürlich alle Inhalte (Wiki, Forum) aus Stud.IP.
Ein wenig Statistik zu den bei YouTube eingestellten Videos: Rechnet man beide Screencast-Serien zusammen, ergibt sich eine Lauflänge von 3 Stunden, 22 Minuten und 13 Sekunden (2 Stunden, 24 Minuten und 33 Sekunden für die Theorie-Screencasts und 57 Minuten und 40 Sekunden für die R-Screencasts). Mit aktuellem Stand vom 17. September verzeichneten die 26 Videos insgesamt 2.057 Aufrufe (1.336 für die Theorie-Screencasts und 721 für die R-Screencasts). Verglichen mit den Aufrufen meiner Statistik-Blogposts im „Wissenschafts-Thurm“ ist das ziemlich wenig – allein der Beitrag zu den Skalenniveaus wurde diesen Monat (also in den letzten 17 Tagen) beispielsweise bereits 2.553 Mal, der Beitrag zu diskreten und stetigen Merkmalen 1.049 Mal aufgerufen. Trotzdem ist es natürlich erfreulich zu sehen, dass man mit dem beträchtlichen Zeitaufwand, der in die Videos fließt, doch noch einige am Thema interessierte Menschen über den Kreis der eigenen Studierenden hinaus erreicht.
6) Die Zukunft: ILIAS
Neben Stud.IP betreibt die Hochschule Harz mit ILIAS seit vielen Jahren noch eine weitere auf das eLearning ausgerichtete Arbeitsumgebung, die ich – wie ich zu meiner Schande gestehen muss – bis zum aktuellen Semester noch nie für die Vermittlung genutzt habe. Ähnlich wie im bekannteren Moodle lassen sich in ILIAS interaktive Skripte erstellen, in denen Texte, Grafiken, Audiodateien, Filme und interaktive Aufgaben wie z.B. Lückentexte zu einem Selbstlernerlebnis kombiniert werden können. Während ich ILIAS im Corona-Semester vorerst nur für die erste Klausur (sowie für einige Klausurübungen vorab) genutzt habe, habe ich inzwischen damit begonnen, ein entsprechendes Skript für zukünftige Semester zu erstellen und bin zuversichtlich, dass der ILIAS-Selbstlernkurs zur Statistik spätestens im Sommersemester 2021 starten kann – ob öffentlich oder nur für eingeschriebene Studierende wird dabei noch zu klären sein.
7) Das Fazit: Viel Licht und wenig Schatten
Mein ganz persönliches Fazit zur Lehre im Corona-Semester fällt überwiegend positiv aus. Ja, die Interaktion hat mir an vielen Stellen gefehlt – und das Vortragen vor einer Webcam macht in vielerlei Hinsicht weniger Spaß, als der Unterricht in einem Seminarraum. Angesichts der Prüfungsergebnisse sowie des durchweg positiven Feedbacks der Studierenden (vielen Dank!) ist es mir aber trotz der für alle ungewohnten Situation und der fehlenden Erfahrung mit „Zoom-Vorlesungen“ und anderen digitalen Formaten offenbar irgendwie gelungen, die nahezu gleichen Inhalte auf dem gleichen Niveau wie in den Vorjahren zu vermitteln – vielleicht sogar etwas mehr, da der Basis-Umgang mit R als neues Thema hinzugekommen ist (und der eine oder andere Studierende R im Studium vielleicht noch mal gebrauchen kann). Darüber hinaus entstand eine Vielzahl von Videos, Texten, Grafiken und Übungen, die es in einem „normalen“ Semester nie gegeben hätte und die inhaltlich größtenteils so „zeitlos“ sind, dass ich sie auch in den kommenden Semestern sicher noch sehr gut verwenden kann.
Überhaupt bietet es sich an, die Vorzüge der digitalen Lehre mit den Vorteilen der Präsenzlehre zu koppeln, sobald diese in den kommenden Semestern wieder möglich wird. Die Teile der Vorlesung, die auf die reine Vermittlung gleichbleibender theoretischer Inhalte – etwa von statistischen Grundbegriffen oder Skalenniveaus – abzielen, können sehr gut über Videos und Zoom vermittelt werden, so dass sich die – berufsbegleitenden – Studierenden die eine oder andere Fahrt nach und Übernachtung in Wernigerode sparen können. Der Mini-Kurs zu R wird mit Sicherheit ein integraler Bestandteil zukünftiger Veranstaltungen bleiben – und auch hier lässt sich vieles gut Online oder in Selbstlern-Übungen vermitteln. Sehr gerne wieder in Präsenz unterrichten würde ich dagegen die rechnerischen Anteile der Vorlesung – zwar kann man etwa eine Regressionsanalyse auch gut auf dem Zoom-Whiteboard vorführen, hier fehlt mir aber ganz klar die Möglichkeit, während der Übungen durch die Reihen zu gehen und den Studierenden über die Schulter zu schauen, um typische Fehler beim rechnerischen Vorgehen erkennen und direkt ansprechen zu können. Auch mit Breakout-Rooms lässt sich diese Lernsituation meiner Erfahrung nach nur sehr unzureichend nachbilden, zumal das Tippen auf einem digitalen Whiteboard ja doch recht weit von der späteren Klausurbearbeitung entfernt ist.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde ich also die Screencasts zur deskriptiven und explorativen Statistik (hier fehlen nur noch zwei – zu Ausreißern und fehlenden Werten) sowie die R-Screencasts (hier fehlen noch etwa vier bis fünf um alle wesentlichen Grundlagen abzudecken) noch fertigstellen und die beiden begonnenen Playlists finalisieren – und im Wintersemester vermutlich auch noch eine weitere Playlist zur induktiven Statistik (dann wiederum mit rund 20 Screencasts) in Angriff nehmen, um alle Theorie- und R-Inhalte einmal vollständig „im Kasten“ zu haben. Zusammen mit vielen bereits existierenden Texten aus dem Wiki sowie den Übungsaufgaben aus Stud.IP soll dann bis zum Sommersemester 2021 (wenn wir hoffentlich schon wieder in Präsenz unterrichten können) ein ILIAS-Kurs entstehen, der sämtliche Inhalte der Grundlagenveranstaltung vollständig abdeckt. Wird dieses Kursangebot von den Studierenden gut angenommen, kann ich zukünftig in den wertvollen Präsenzstunden vielleicht mehr auf vertiefende Fragen zum Stoff eingehen, kleinere R-Projekte mit den Studierenden umsetzen oder vielleicht sogar das eine oder andere „echte“ Projekt mit realen Daten aus einem unserer vielen Forschungsvorhaben durchführen, während die einfachere Theorie und ein Teil der Übungen in digitale Selbstlernphasen fallen.
Für den inhaltlichen Wert der Vorlesung für das spätere Studium sowie natürlich für den Spaß der Studierenden und auch meinen (ja – gute Lehre macht einem immer auch selbst Freude) eigenen Spaß am Kurs wäre das – glaube ich – ein echter Gewinn.
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