Der zusätzliche Energieverbrauch sorgt außerdem für eine höhere Wärmeproduktion. Wenn diese Wärme genutzt wird, um die Körpertemperatur zu erhöhen, dann hat das gleich zwei Vorteile: Mitochondrien steigern ihre Leistungsfähigkeit nämlich, wenn sie wärmer sind, sie können bei höherer Temperatur also noch mehr ATP erzeugen, so dass sich die Leistungsfähigkeit noch weiter erhöht. Das sieht man in diesem Bild (aus [1]):
Dabei ist jeweils der Energieumsatz (gemessen über den Sauerstoffverbrauch) aufgetragen gegen die Temperatur – links für Mitochondrien innerhalb einer Art, rechts im Vergleich verschiedener Tierarten. Man sieht, wie der Energieumsatz (und damit die ATP-Produktion) mit der Temperatur des Mitochondriums ansteigt.
Zusätzlich arbeiten auch Muskeln bei höherer Temperatur deutlich effizienter. Eine höhere Temperatur hat also gleich doppelte Vorteile.
Evolution der Warmblütigkeit – ein Szenario
Basierend auf diesen Ideen kann man sich ein Szenario ausmalen, das zur Entwicklung der Warmblütigkeit geführt haben könnte [1]. Dabei ist es wichtig, dass der Nachteil durch erhöhten Energieverbrauch immer durch einen selektiven Vorteil überwogen wird, sonst würde die Evolution nicht weiter in Richtung Warmblütigkeit verlaufen.
Die Vorfahren der Säugetiere und Vögel waren vergleichsweise klein und ernährten sich von Fleisch. Geht man davon aus, dass sie aktive Jäger waren, keine Lauerjäger, so würden sie natürlich von einer erhöhten Ausdauer profitieren. Der erste Selektionsdruck könnte also in Richtung erhöhter Ausdauerleistung gehen; dazu sind löchrige Membranen hilfreich, weil sie ja die maximale ATP-Produktion erhöhen.
Die erhöhte Ausdauer bedingt allerdings einen erhöhten Energieumsatz auch im Ruhezustand. Auf der anderen Seite hat dies aber den Vorteil, dass die löchrigen Membranen jetzt auch für mehr Wärmeproduktion sorgen. Dies wäre vor allem für Raubtiere hilfreich, die in nicht zu warmen Gegenden leben und vielleicht noch in der Dämmerung aktiv sein wollen, weil dann die erhöhte Körpertemperatur sie agiler macht. In den Tropen würde die Wärmeproduktion dagegen keinen Vorteil verschaffen, weil auch ectotherme Tiere dort eine hohe Körpertemperatur aufrecht erhalten können. Die Vermutung ist also, dass es Tiere waren, die in Gegenden mit eher moderaten oder nachts deutlich abnehmenden Temperaturen lebten, die diese Entwicklung machten.
Damit die erzeugte Wärme im Körper bleibt und nicht einfach nach Außen abgestrahlt wird, braucht unser Tier als nächstes eine Isolation. Fell oder Protofedern sind also der nächste wichtige Schritt in der Entwicklung. Damit steigt die Körpertemperatur weiter an, was wiederum die Leistungsfähigkeit der Mitochondrien und der Muskeln erhöht. Diese wiederum führt dann zu noch besserer Ausdauerleistung, so dass wir eine positive Rückkopplung haben: Erhöhte Ausdauer führt zu erhöhter Temperatur führt zu weiter erhöhter Ausdauer.
Auf diese Weise steigert der Endothermie-Aspirant seine Leistungsfähigkeit immer weiter, wobei gleichzeitig auch der Ruheumsatz mitsteigt. Der erhöhte Energiebedarf kann aufgebracht werden, weil das Tier wesentlich agiler ist und seine ectotherme Beute vor allem auch in der Dämmerung oder bei kühlerem Wetter jagen kann. Sowohl bei den Vorfahren der Säugetiere, als auch bei denen der Vögel, standen die Beine zudem gerade unter dem Körper, was das ausdauernde Laufen erleichtert.
Wohlgemerkt, dies ist ein – auf Fakten gestütztes – Szenario, das nicht durch Fossilfunde oder Ähnliches abgesichert ist. Es zeigt aber, dass es zumindest einen plausiblen Weg ur Entwicklung der Endothermie gab.
Letztlich war es also eine, auf den ersten Blick eher nachteilig aussehende, Veränderung der Biochemie der Zellen, die große Auswirkungen hatte und zur Endothermie führte. Unsere Warmblütigkeit verdanken wir “löchrigen” Membranen, die ihre Protonen nicht richtig im Griff hatten.
Nachtrag: Unten findet ihr einen Kommentar von Martin Jastroch, der deutlich macht, dass die Korrelation zwischen Protonenleck und Endothermie ein bisschen unklar ist – bei Vögeln mit höherer Körpertemperatur ist das Protonenleck niedriger, bei Beuteltieren mit niedrigerer Körpertemperatur höher. Es gibt also noch genug zu forschen…
Quellen für diesen Artikel:
[1] “Temperature, metabolic power and the evolution of endothermy”
Andrew Clarke and Hans-Otto Pörtner
Biological Reviews 2010, doi: 10.1111/j.1469-185X.2010.00122.x
Kommentare (39)