Wenn man die Unschärferelation für Wellenpakete so hinschreibt, dann stellt man fest, dass daran kaum etwas Ungewöhnliches ist. Ganz ähnlich gilt eine solche Relation für eine Wasserwelle. Wenn ich die Wellenlänge der Wasserwelle eindeutig und genau kennen will, dann muss die Welle sehr lang sein (ich muss ja viele Wellenberge sehen können, damit ich die Wellenlänge genau bestimmen kann); wenn ich dagegen einen einzigen, scharf begrenzten Wellenberg haben will, dann ist es nicht so sinnvoll, von einer Wellenlänge zu sprechen.
Erstmal ist an der Unschärferelation also nichts geheimnisvolles, solange man nur die Wellenfunktion und die Schrödingergleichung ansieht. Kniffliger wird die Sache erst durch die oben erwähnte Wahrscheinlichkeitsinterpretation.
Wir können ja den Impuls messen, beispielsweise, wenn wir das Elektron gegen eine Wand prallen lassen. Auch den Ort eines Elektrons kann man messen, und anders als bei der Wasserwelle wird – bei geeigneter Messanordnung – ein Elektron auch immer an einem Ort gemessen und nicht als ausgedehntes Objekt. Damit kommen wir zum berühmten Messproblem. Ich will hier nur kurz anreißen, wo das Problem in Bezug auf die Unschärferelation steckt, und komme darauf später (vermutlich in Teil 8) ausführlich zurück.
Man kann also entweder den Impuls messen (und bekommt dann einen der Werte p1, p2 usw.), oder man kann den Ort messen, aber man kann keinen Versuch erfinden, in dem man beides gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit misst. (Das Ausdenken und anschließende Widerlegen solcher Anordnungen ist ein beliebter Physikerinnen-Sport.) Schaut man aber bei der Ortsmessung nicht so genau hin und bestimmt den Ort nur mit einer Genauigkeit Δx, dann kann man gleichzeitig den Impuls bestimmen, aber nur mit einer Genauigkeit Δp, und für diese Genauigkeiten gilt ebenfalls wieder die Unschärferelation
Δx Δp ≥ ħ/2
Man kann die beiden Größen natürlich nacheinander messen, aber das hilft nicht wirklich weiter, denn das Messen des Impulses verändert die Wellenfunktion des Paketes (nämlich zu der einer Welle mit genau dem gemessenen Impuls). Das ist auch der Ursprung der Aussage “Laut Unschärferelation verändert jede Messung das Ergebnis”.
Diese Aussage ist aber so nicht richtig. Messe ich zum Beispiel den Impuls einer ebenen Welle, die ja einen eindeutigen Impuls besitzt, dann verändert sich die Welle bei der Messung nicht. Deshalb ist es eben nicht korrekt zu sagen, dass jede Messung das Ergebnis beeinflusst, das tut sie nur dann, wenn die Wellenfunktion keinen eindeutigen Wert der jeweiligen Messgröße hat. (Vornehm sagt man, wenn die Wellenfunktion keine Eigenfunktion zu dieser Messung ist.)
Die hier angeführte Unschärferelation ist übrigens nicht die einzige – es gibt viele Messgrößen, die nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit gemessen werden können, aber die Orts-Impuls-Unschärfe ist sozusagen der “Prototyp”.
Es ist aber nicht korrekt anzunehmen, dass man immer nur eine Größe gleichzeitig korrekt messen kann. Unsere ebene Welle hat einen eindeutigen Impuls p und eine eindeutige Energie E. Man kann Impuls und Energie gleichzeitig messen, oder erst den Impuls, dann die Energie (na gut, um das unendlich genau zu machen, bräuchte man unendlich lange), dann wieder den Impuls und so weiter, ohne dass man die Wellenfunktion dabei irgendwie verändert oder mit irgendeiner Unschärfe zu tun hat.
Wie gesagt werde ich die genauen Probleme mit der Unschärferelation, dem Messprozess und der Quantenmechanik überhaupt demnächst ausführlicher diskutieren. Vorher werden wir aber erst noch ein anderes berühmtes Phänomen anschauen, den berühmten Tunneleffekt.
Gesamte Serie zur Schrödingergleichung:
Teil I: die Gleichung
Teil II: Warum die Energie quantisiert ist
Teil III: Jetzt wird’s komplex
Teil IV: Alles im Kasten
Teil V: Alles zu seiner Zeit
Teil VI: Alles unscharf?
Teil VII: Mit dem Kopf durch die Wand
Das Ende der Schrödingergleichung
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