(In der Wahrscheinlichkeitsfunktion sieht man den winzigen Huckel nicht, weil dort ja die Wellenfunktion im Quadrat eingeht.)
Ein anderes schönes Applet, mit dem man das ausprobieren kann, findet ihr hier.
Wie viel der Wellenfunktion an der Barriere reflektiert und wieviel durchgelassen wird, hängt von der Höhe der Barriere und der Breite des Wellenpakets ab. Letztes Mal hatten wir ja gesehen, dass ein räumlich enges Wellenpaket eine breite Impulsverteilung hat und umgekehrt. Da Energie und Impuls zusammenhänge, entspricht eine breite Impulsverteilung einer breiten Energieverteilung. Je breiter die Energieverteilung ist, desto größer ist der Anteil von Wellen mit einer Energie höher als die Barriere und desto leichter ist das Tunneln. (Wenn natürlich der Großteil der beteiligten Wellen Energien hat, die größer sind als die der Barriere, kann man irgendwann nicht mehr von “Tunneln” sprechen.) Eine genaue Berechnung der Wahrscheinlichkeiten zum Durchtunneln oder Nicht-Durchtunneln findet man in jedem besseren Quantenmechanikbuch oder auch bei Wikipedia, aber das übersteigt unser mathematisches Niveau ein wenig.
Der Tunneleffekt hat viele praktische Auswirkungen. Beispielsweise können α-Teilchen eigentlich nicht aus Atomkernen entkommen, weil sie in einem angeregten Zustand eine Energie haben, die der Energie Außen entspricht, dass sie aber eine hohe Barriere überwinden müssen. [Hier war mal ein Bild, aber aus Copyrightgründen musste ich es leider entfernen.] Die kommt dadurch zu Stande, dass die Teilchen innerhalb des Kerns zwar eine hohe Anziehungskraft spüren (deshalb ist das Innere des Kerns wie ein Kastenpotential), knapp außerhalb des Kerns aber eine hohe elektrische Abstoßung (weil die Protonen innerhalb des Kerns ja alle positiv geladen sind und sich deshalb abstoßen). Knapp außerhalb des Kerns kann unser α-Teilchen also eigentlich nicht sein, dank Tunneleffekt kann es diese Barriere aber überwinden. Je nach Höhe der Barriere und Lage der Energieniveaus innen ist das Tunneln mehr oder weniger unwahrscheinlich, deshalb braucht das α-Teilchen mehr oder weniger viele “Tunnelversuche”, bis es endlich den Weg nach draußen findet. Und das ist der Grund, warum radioaktive Elemente so extrem unterschiedliche Halbwertszeiten haben – ist die Barriere vergleichsweise flach, kommen die Teilchen leicht nach Außen, ist sie hoch, ist ein Durchdringen der Barriere sehr unwahrscheinlich.
Kleine Nebenbemerkung: Ich hatte ja neulich schon darauf hingewiesen, dass die Schrödingergleichung bis auf das i aussieht wie eine Wärmeleitungsgleichung und dass es deshalb Analogien zur Thermodynamik gibt. Die gibt es hier auch: In der Thermodynamik können Teilchen Energie durch thermische Fluktuationen bekommen und damit Hindernisse überwinden, für die ihre Energie eigentlich nicht ausreicht. Der Kehrwert der Temperatur entspricht dabei genau unserem ħ. Gerade in der Materialwissenschaft ist diese thermische Aktivierung ziemlich wichtig (wieder ein Thema für meine Themenliste, wenn die thermische Aktivierung zu schwach ist, dann können nämlich auch mal Schiffe zerbrechen…)
Aber wieder zurück zur Quantenmechanik. Bisher haben wir unsere Wellenfunktion ja immer so interpretiert, dass wir gesagt haben, O(x,t)=Ψ*(x,t)Ψ(x,t) ist die relative Häufigkeit, mit der wir ein Teilchen zur Zeit t am Ort x finden, wenn wir sehr viele Teilchen betrachten, die alle dieselbe Wellenfunktion haben. Nehmen wir also lauter Elektronen und schießen sie auf lauter Barrieren, so werden einige per Tunneleffekt durchkommen, andere dagegen werden reflektiert. Wenn wir Detektoren weit weg von der Barriere aufstellen, dann kommen einige Elektronen beim Detektor hinter der Barriere an, andere beim Detektor vor der Barriere, weil die Wellenfunktion sich ja sozusagen “aufspaltet”.
So weit, so gut. Aber was tut denn nun die Wellenfunktion eines einzigen Elektrons? Bevor ich das Elektron in einem der Detektoren messe, ist die Wellenfunktion aufgespalten. Aber ich messe ja nicht ein halbes Elektron hier und ein halbes dort – Elektronen kann man nicht in Stücke schneiden. Was passiert also mit dem Teil der Wellenfunktion weit hinter der Barriere, wenn ich das Elektron hier im Detektor auf dieser Seite messe? Dort auf der anderen Seite ist dann doch die Wahrscheinlichkeit Null, denn ich weiß ja, dass das Elektron hier ist, also muss Ψ(x,t) ganz woanders verschwinden. Wie steckt diese Veränderung der Wellenfunktion in der Schrödingergleichung?
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