Anmerkung: Im Zusammenhang mit dem Tunneleffekt gab es ja Medienberichte zum überlichtschnellen Senden von Tunnelsignalen. Darauf gehe ich hier erstmal nicht ein – gute Erklärungen der Problematik findet man hier und bei Wikipedia.
Der Kollaps der Wellenfunktion muss nicht unbedingt dazu führen, dass die Wellenfunktion sich auf einen engen Raumbereich konzentriert. Machen wir statt der Ortsmessung eine Impulsmessung, dann kennen wir hinterher den Impuls des Elektrons mit einer Genauigkeit Δp. Wie wir ja neulich gesehen haben, bedeutet das, dass wir den Ort des Elektrons nicht sehr genau kennen können:
Machen wir erst eine Ortsmessung, dann “schnurrt” die Wellenfunktion auf einen engen Raumbereich zusammen, machen wir dann eine Impulsmessung, dann breitet sie sich wieder auf einen weiten Raumbereich aus.
Ein kleines Paradoxon (Wer will, kann diesen Abschnitt schadlos überspringen…)
“Halt, stopp! Dann kann ich ja doch ein unendlich schnelles Signal schicken, oder? Denn wenn ich jetzt (sagen wir bei t=0s) das Elektron hier bei x=0 messe, dann eine Impulsmessung mache, so dass sich die Wellenfunktion sehr weit ausbreitet, dann habe ich doch eine endliche Wahrscheinlichkeit, das Elektron bei t=1 sehr weit weg zu finden, wo es aber laut Relativitätstheorie nie hingekommen sein dürfte???”
Also, haben wir gerade die Relativitätstheorie ausgehebelt und unmögliche Sachen veranstaltet? Die Antwort lautet “Nein”. Für eine ebene Welle galt ja, dass sie eine genau definierte Energie und einen genau definierten Impuls hat. Eine Impulsmessung ist deshalb immer auch automatisch eine Energiemessung. Für die Messung der Energie gilt aber ebenfalls eine Unschärferelation:
ΔE Δt ≥ ħ/2
Dabei ist Δt die Ungenauigkeit der Zeit. Mit anderen Worten: Energiemessungen brauchen Zeit. Da unsere Impulsmessung gleichzeitig eine Energiemessung ist, braucht sie ebenfalls Zeit. Je genauer wir den Impuls messen, um so weiter ist das Wellenpaket ausgebreitet, aber dafür brauchen wir eben immer mehr Zeit, so dass alles mit rechten Dingen zugeht. (Die Idee zu diesem Einwand und die Auflösung kamen mir gerade beim Schreiben – vermutlich habe ich sie schon mal irgendwo gelesen, kann mich aber nicht erinnern. Falls jemand eine Quelle für die Diskussion dieser Frage hat, wäre ich sehr dankbar. Unten in der Fußnote (*) rechne ich vor, dass die Unschärferelation erfüllt bleibt und alles mit rechten Dingen zugeht.)
Ein kurzer Blick auf’s EPR-“Paradoxon”
Wir haben gesehen, dass für einen Messprozess die Schrödingergleichung nicht gilt und dass sich bei einer Messung die Wellenfunktion sprunghaft ändert. Man könnte hier einwenden, dass das Problem vielleicht daran liegt, dass die Wellenfunktion sich tatsächlich schon beim Auftreffen auf die Barriere “entscheidet”, in welche Richtung sie nun laufen will – da wir die Wellenfunktion selbst nicht messen können, wäre das doch möglich, oder? Das Bild oben mit der geteilten Wellenfunktion würde also nur unsere Unkenntnis widerspiegeln, was an der Barriere passiert ist, wäre aber nichts wirklich physikalisches.
Man könnte sich ja eine Analogie in der klassischen Physik vorstellen: Ich baue eine Barriere, die mit irgendeinem Mechanismus zufällig in 50% der Fälle einen Ball durchlässt, in den anderen 50% aber nicht. Wenn ich die Barriere von Außen nicht beobachte, dann habe ich am Ende auch jeweils eine 50%-Wahrscheinlichkeit, den Ball hier oder dort zu messen – da spricht aber auch keiner vom Kollaps des Ball-Ortes oder so.
Um zu zeigen, dass die Lösung so einfach nicht sein kann, verwendet man zwei Teilchen, deren Wellenfunktionen man in geschickter Weise verkoppelt (im Fachjargon “verschränkt” genannt). Man schickt das eine Teilchen nach links, das andere nach rechts und kann dann tatsächlich beweisen, dass eine Messung des einen Teilchens den Zustand des anderen beeinflusst. Dies ist inzwischen auch experimentell so nachgewiesen worden. (Man spricht hier vom EPR-Paradoxon, nach Einstein, Podolski und Rosen, die das entsprechende Paper geschireben haben. Jörg Friedrich hat im Juli dazu eine kleine Serie verfasst.)
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