Bohms Pilotwellen
Das ist eine sehr hübsche Umdeutung der Quantenmechanik, bei der das Elektron tatsächlich als Punktteilchen existiert und auch immer an einem wohldefinierten Ort ist. Es wird durch die Wellenfunktion “geführt”, deshalb spricht man eben von Pilotwellen. Diese Theorie lässt sich mathematisch konsistent formulieren und sie hat auch keine Probleme mit Dingen wie dem EPR-Paradoxon; die Wellenfunktion selbst ändert sich allerdings nach wie vor sprunghaft und nichtlokal. die Theorie selbst ist aber nach wie vor nichtlokal, weil das Verhalten eines Teilchens von der Wellenfunktion überall abhängt. (Dank an Alexander für die Korrektur.)
Schließlich gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die allerdings über die gegenwärtige Quantenmechanik hinausgeht:
Neue Physik
Vielelicht ist der Messprozess ein wohldefiniertes physikalisches Ereignis, das durch neue Physik beschrieben werden muss. Von Penrose gibt es beispielsweise die Idee, dass eine Messung dann stattfindet, wenn die Wellenfunktion mit einem Gravitationsfeld wechselwirkt. Damit schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Messproblem ist gelöst und ein Weg zur Quantisierung der Gravitationstheorie wird dadurch vielleicht auch noch eröffnet.
Die meisten Physikerinnen machen sich über diese Fragen eher wenig Gedanken. In Physikvorlesungen und Lehrbüchern wird wohl die Kopenhagener Deutung favorisiert, aber meiner Ansicht nach ist das lediglich ein historischer Zufall – hätte Bohr die Idee der Pilotwellen gehabt, würde vielleicht diese Theorie heute in den Lehrbüchern stehen.
Ich selbst finde diese Fragen sehr wichtig, habe aber keine eindeutige Meinung, welche Interpretation die Richtige ist. Die Kopenhagener Deutung ist sehr pragmatisch, aber die dahintersteckende “Frag-nicht!”-Haltung ist natürlich irgendwie unbefriedigend. Viele-Welten-Theorien mag ich aus Prinzip nicht (ich weiß, echt wissenschaftliche Begründung), Dekohärenz ist nicht wirklich eine Alternative, die Bohm-Idee ist nett, aber sieht auch irgendwie unnötig kompliziert aus, und für neue Physik gibt es bisher keine Hinweise (Penroses erste Ideen zum Kollaps durch Gravitation konnten inzwischen durch Messungen widerlegt werden – die Theorie lässt sich zwar modifizieren, aber so richtig zwingend sieht sie auch nicht aus.) Die Frage bleibt also unbeantwortet und spannend – deshalb kann man über sie auch so schön diskutieren…
Und damit bin ich am (vorläufigen?) Ende meiner kleinen Quantenmechanik-Serie angelangt. Wie üblich gilt: “Wenn es Ihnen gefallen hat, empfehlen Sie uns weiter, wenn nicht, behalten Sie’s für sich.”
(*) Hier also die versprochene Rechnung – wie gesagt, sie ist komplett auf meinen Mist gewachsen, so dass ich für ihre Korrektheit (ich bin wohl etwas schlampig mit der genauen Definition der Δs) nur bedingt garantiere:
Es ist E=p2/2m
Also ΔE = Δp2/2m
Mit p=mv ergibt sich
ΔE = Δp Δv/2
Es ist also
ħ/2 ≤ ΔE Δt= Δp Δv Δt /2
Die Ortsunschärfe ergibt sich aus Geschwindigkeit und Zeit
ħ/2 ≤ Δp Δx /2
Auch nach der Messung sind also Ort und Impuls nur innerhalb der erlaubten Unschärfe bekannt.
Gesamte Serie zur Schrödingergleichung:
Teil I: die Gleichung
Teil II: Warum die Energie quantisiert ist
Teil III: Jetzt wird’s komplex
Teil IV: Alles im Kasten
Teil V: Alles zu seiner Zeit
Teil VI: Alles unscharf?
Teil VII: Mit dem Kopf durch die Wand
Das Ende der Schrödingergleichung
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