Die unterschiedlichen Diversitäten können dadurch erklärt werden, dass es immer weniger kosmopolitische Familien gab und immer mehr endemische, die also nur in einigen Regionen bzw. Lebensräumen vorkamen. Es setzte also vermutlich eine Spezialisierung der Tiere ein, so dass sich in unterschiedlichen Lebensräumen unterschiedliche Familien ausbreiteten. Die einzelnen Lebensräume boten dabei weniger ökologische Nischen an, so dass die Zahl der Familien in jeder Fundstelle abnimmt. Dies wird auch im Teilbild C veranschaulicht, das die globale Diversität durch die mittlere Alpha-Diversität teilt. Wenn alle Familien an allen Fundstellen gefunden werden, dann ist dieser Wert 1 (das ist vor dem Waldsterben fast erfüllt), wenn umgekehrt an jeder Fundstelle nur eine einzige Art leben würde, dann wäre der Wert gleich der globalen Diversität. Man erkennt den drastischen Sprung genau an der gestrichelten Linie.
Dass die Idee unterschiedlicher Lebensräume vermutlich korrekt ist, lässt sich auch daran sehen, dass die Tetrapoden, die nach dem Klimaumschwung lebten, ganz unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten besaßen. Vor dem Klimawandel waren die Tetrapoden, wie erwähnt, vor allem Fisch- und Insektenfresser; danach aber nahm die Zahl der Fischfresser ab, während zu den Insektenfressern auch Fleischfresser (die also anderen Tetrapoden nachstellten) sowie die ersten Pflanzenfresser hinzukamen. Zu diesen gehörte auch der berühmte Edaphosaurus (den man wegen seines Rückensegels leicht mit dem fleischfressenden Dimetrodon verwechseln kann):
(Bild na klar von Wikipedia)
Die Untersuchung zeigt also, dass die Aufspaltung eines kontinentumspannenden Kohlewaldes in viele kleine und unterschiedliche Lebensräume die Artenvielfalt stark erhöhte. Ähnliches beobachtet man auch heutzutage: Die Artenvielfalt auf Kontinenten ist zwar insgesamt größer als die auf einzelnen Inseln, vergleicht man allerdings gleiche Landflächen, so gibt es auf Inseln viel mehr nur dort einheimische Arten – die Separation von Lebensräumen ist ja auch einer der wichtigsten Mechanismen der Artbildung.
Falls jemand fragt, wozu solche Untersuchungen gut sein sollen – zunächst mal ist es einfach faszinierend, dass man diesen Mechanismus nach 300 Millionen Jahren noch untersuchen kann – mir war vorher nicht bewusst, dass aus dieser Zeit so viele Wirbeltierfossilien vorliegen, dass das möglich ist. Darüber hinaus helfen sie uns, die Entwicklung von Ökosystemen zu verstehen – was passiert, wenn große Ökosysteme fragmentiert werden? Wie entwickelt sich die Artenvielfalt? Der damalige Klimaumschwung hatte vermutlich auch etwas mit dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu tun – so ganz irrelevant ist das also auch für unsere heutige Zeit nicht.
Und noch etwas anderes ist sicherlich wichtig: Der damalige Klimaumschwung führte zu einer starken Zunahme vor allem der Reptilienarten, die ja wesentlich besser an trockenes Klima angepasst waren als die Amphibien. Zu diesen neuen Arten zählten auch die Vorläufer der heutigen Säugetiere – ohne die Klimaveränderung vor 300 Millionen Jahren gäbe es uns Menschen heute vielleicht gar nicht. Das Sterben der Kohlewälder ist also auch ein Teil unserer ganz persönlichen Geschichte.
P.S.: Wieder einmal begeistert mich das Informationszeitalter: Am Donnerstag den kurzen Hinweis auf das Paper im aktuellen Nature gesehen, Howard Falcon-Lang eine mail geschickt, kurz darauf einen Link zum Paperdownload und auf meine kurze Anfrage im Null-Komma-Nix die Erlaubnis, das Bild aus der Arbeit hier zu zeigen (dafür nochmal ein Dankeschön nach England).
Sahney, S., Benton, M., & Falcon-Lang, H. (2010). Rainforest collapse triggered Carboniferous tetrapod diversification in Euramerica Geology, 38 (12), 1079-1082 DOI: 10.1130/G31182.1
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