Bei den Gleitern muss man zwei Typen unterscheiden: Dynamische Gleiter sind (etwas vereinfacht) solche, die Aufwinde an “Hindernissen” (typischerweise Meereswellen) nutzen, um Auftrieb zu gewinnen, statische Gleiter nutzen vor allem eine Thermik (also aufsteigende warme Luft). Da es über dem Meer wenig nutzbare Thermik gibt, findet man dort dynamische Gleiter. Für dynamische Gleiter ist eine hohe Streckung besonders wichtig, denn als Meeresvögel müssen sie weite Strecken mit hoher Geschwindigkeit zurücklegen. Statische Gleiter haben dagegen oft etwas breitere Flügel, die an den Enden in einzelne Federn aufgespalten sind. Das erhöht den Auftrieb etwas, allerdings auf Kosten der Gleitgeschwindigkeit. Hinzu kommt, dass sie mit den etwas kürzeren Flügeln engere Kurven fliegen können, was in engen thermischen Aufwinden wichtig ist. (Weitere Informationen dazu findet man hier.)
Eine hohe Flächenlast bedeutet, dass ein Flügelabschnitt ein hohes Gewicht tragen muss. Das erfordert entsprechend mehr Auftrieb. Da der Auftrieb von der Geschwindigkeit abhängt, bedeutet eine hohe Flächenlast eine höhere Geschwindigkeit insbesondere bei Start und Landung.
Um diese Größen für Flugsaurier zu ermitteln, muss man natürlich wissen, wie deren Flügel geformt waren. Das ist ein endloser Streit in der Paläontologie: Waren die Flügel bei allen Flugsauriern an den Hinterbeinen befestigt oder nur an der Körperseite? Wenn an den Hinterbeinen, wie weit gingen sie? Wie groß war die Flugmembran außen – eher breit oder eher schmal? Es gibt zwar einige erhaltene Abdrücke von Membranen, aber natürlich ist nicht so klar, ob sich eine Membran im Tode oder während des Versteinerungsprozesses nicht verformt.
Und auch die Masse der Flugsaurier ist nicht so leicht zu bestimmen – man muss sich nur das Bild oben ansehen, um zu erkennen, dass ein Pteranodon trotz seiner 7-9 Meter Flügelspannweite einen vergleichsweise kleinen Körper hatte. Schätzungen für Quetzalcoatlus reichen von 75kg bis zu über 500kg. Hinzu kommt, dass man von einigen Flugsauriern nicht das ganze Skelett kennt, so dass reichlich Raterei im Spiel ist.
Witton und Habib haben sich einige der Fossilien noch einmal angeschaut und die vorhandenen Modelle aus der Literatur gesichtet, um daraus mögliche Werte für Flügelspannweite und Körpermasse abzuleiten. Sie haben auch die Größe und Form der Armknochen von Quetzalcoatlus analysiert, um die Knochenbelastung abzuschätzen – konnten die Knochen den beim Flug auftretenden Lasten überhaupt standhalten?
Zunächst einmal fanden sie heraus, dass die bisher angenommenen Maximalspannweiten von etwa 13 Metern ein bisschen zu groß sein dürften. Sie beruhen auf der Extrapolation einzelner Knochen (vor allem des Oberarms); da die Knochen aber bei der Fossilisation verformt wurden, waren die Messungen nicht genau genug. Quetzalcoatlus und sein Verwandter, Hatzegopteryx, hatten also vermutlich “nur” 10-11 Meter Flügelspannweite. Ihre Masse schätzt Witton auf etwa 260kg.
Die Flügelformen für Quetzalcoatlus (C) und Pteranodon (B, ein eher kleineres Exemplar mit nur fünfeinhalb Meter Flügelspannweite) zeigt dieses Bild im Vergleich zum Albatros (A) – Teilbild D zeigt die drei maßstabsgetreu (Aus Witton&Habib, s.u.):
Man erkennt deutlich, dass Pteranodon eine ähnliche Flügelform hat wie ein Albatros, währen die Flügel von Quetzalcoatlus eine deutlich kleinere Streckung haben.
Trägt man nun Streckung und Flügellast in ein Diagramm ein, kann man durch Vergleich mit heutigen Vögeln sehen, welche Flugeigenschaften die großen Flugsaurier wohl hatten. Das sieht man hier (Aus Witton&Habib, s.u.):
Aufgetragen ist hier auf der horizontalen Achse die Flächenlast, auf der vertikalen die Streckung. Die vier farblich hinterlegten Bereiche kennzeichnen heutige Flieger: Der graue Bereich Fledermäuse, der bläuliche Bereich Vögel. Bei den Vögeln sind farblich hervorgehoben dynamische Gleitflieger (wie Albatrosse) in orange und statische Gleitflieger (wie Geier) in einem seltsamen blassen lila (Loriot-Fans denken an mauve…).
Die eingetragenen Datenpunkte stehen für Flugsaurier in unterschiedlichen Rekonstruktionen – wenn wir die von Witton glauben, dann fällt Pteranodon genau in den Bereich dynamischer Gleiter und Quetzalcoatlus in den statischer Gleiter. Das passt ziemlich gut zu den oben angeführten Fossilfundstellen.
(Die gestrichelten Linien kennzeichnen Wertebereiche, die von unterschiedlichen Forschern für Flugsaurier vorgeschlagen wurden.)
Kommentare (39)