Man erkennt auch, dass die Flächenlast trotz der hohen Masse der Flugsaurier eher im mittleren Bereich liegt. Das wiederum ist nicht verwunderlich: Vögel mit einer hohen Flächenlast brauchen hohe Geschwindigkeiten, um fliegen zu können und müssen deshalb vor allem aktiv mit den Flügeln schlagen – reines Gleiten funktioniert bei ihnen nur kurz, da die Sinkgeschwindigkeit beim Gleiten recht hoch ist. Entsprechend brauchen sie große Flugmuskeln, die, wenn sie längere Zeit fliegen sollen, aus ausdauernden, sauerstoffverbrennenden Fasern bestehen müssen. (Deshalb ist Entenfleisch dunkel: Sauerstoffverbrennende Muskelfasern enthalten viel Myoglobin, das Muskeläquivalent zum Hämoglobin.)
Eine entsprechend große Muskelmasse hatten die Flugsaurier allerdings nicht zur Verfügung, damit wären sie dann wirklich zu schwer geworden. Sie sind also, wenn sie erst mal in der Luft waren, vor allem geglitten und haben vermutlich nur gelegentlich mal mit den Flügeln geschlagen. Die Analyse der Armknochen zeigt, dass diese vermutlich sogar größere Lasten (bezogen auf die Körpermasse) ertragen konnten und somit zum gelegentlichen Schlagen sicher ausreichend waren.
Aber wie kamen sie dann überhaupt in die Luft? Jeder, der als Kind “Bernard und Bianca – die Mäusepolizei” gesehen hat, kennt die Startschwierigkeiten der Albatrosse:
Bei youtube findet man auch passende (und lustige) Filmchen mit echten Albatros-Starts.
Schaut man auf die eher kümmerlichen Beine des Pteranodon, so wird schnell klar, dass der überhaupt keine Chance hat, durch Laufen auf die nötige Geschwindigkeit zu kommen. Früher nahm man an, dass Pteranodonten auf Klippen gelebt haben und sich von dort in die Tiefe gestürzt haben, um die nötige Geschwindigkeit zu erreichen, aber was macht ein Quetzalcoatlus, der Hunderte Kilometer von den nächsten Klippen entfernt lebt? Wie kommt der in die Luft?
Man darf sich hier von der Analogie zu Vögeln nicht täuschen lassen. Flugsaurier hatten vermutlich ihren ganz eigenen Startvorgang, den ebenfalls Mike Habib (und unabhängig von ihm John Conway) ausgeknobelt hat: Wer so große (und halbwegs muskelbepackte) Vorderbeine hat, auf denen er auch stehen konnte, der konnte die auch zum Starten benutzen. Auch dazu hier ein schönes Video:
Genaue aerodynamische Berechnungen und Analysen der Muskeln (auf der Basis der vorhandenen Knochen und ihrer Muskelansätze) zeigen, dass die Kraft auch der größten Pterosaurier für diesen Startvorgang ausreichte. Dieser Startmodus gibt ihnen einen entscheidenden Vorteil gegenüber Vögeln, der vielleicht auch dazu führte, dass Pterosaurier größer werden konnten (obwohl der größte bekannte Vogel Argentavis mit etwa 7 Metern Flügelspannweite auch mit den meisten Flugsauriern mithalten konnte).
Nach dem Start schlug der Flugsaurier zunächst für ein bis zwei Minuten mit den Flügeln – dazu reichten seine Muskeln aus, und wenn man annimmt, dass er anaerobe, also nicht-sauerstoffverbrennende (also helle, wie bei einem Hühnchen) Muskeln hatte, dann konnte er in dieser Zeit nach Schätzungen von Habib und Witton eine Geschwindigkeit in der Größenordnung von 100km/h erreichen und so genug Strecke zurücklegen, um ein passendes Aufwindgebiet zu finden. Dank seiner Segelfähigkeiten, die nach der Grafik oben denen eines Albatros (im Fall des Pteranodon) bzw. eines Geiers (im Fall Quetzalcoatlus) vergleichbar waren, konnte der Flugsaurier dann ohne Mühe stundenlang in der Luft bleiben.
Hier der Link auf das Paper:
Witton, M., & Habib, M. (2010). On the Size and Flight Diversity of Giant Pterosaurs, the Use of Birds as Pterosaur Analogues and Comments on Pterosaur Flightlessness PLoS ONE, 5 (11) DOI: 10.1371/journal.pone.0013982
Die Interpretation von Quetzalcoatlus und seinen Verwandten als Storchenanaloge findet man hier (und eine ausführliche Diskussion auf Darren Naishs Blog “Tetrapod Zoology” – wer sich für Biologie interessiert, der kommt an diesem Blog nicht vorbei):
Witton, M. P. & Naish, D. 2008. A reappraisal of azhdarchid pterosaur functional morphology and paleoecology. PLoS ONE 3(5): e2271 doi:10.1371/journal.pone.0002271
Die neuen Pteranodon-Gattungen werden in diesem Artikel eingeführt:
ALEXANDER W.A. KELLNER
Comments on the Pteranodontidae (Pterosauria, Pterodactyloidea)
with the description of two new species
Anais da Academia Brasileira de Ciências (2010) 82(4): 1063-1084
(Annals of the Brazilian Academy of Sciences)
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