Jeder hat das sicher schon einmal gelesen: “Wenn ein Floh so groß wäre wie ein Mensch, könnte er über ein Hochhaus springen.” “Wenn eine Ameise so groß wäre wie ein Mensch, könnte sie ein Auto tragen.” So anschaulich und beeindruckend das klingt, es ist leider falsch. Um zu verstehen, warum das falsch ist, müssen wir eine Brücke von der Biologie zur Mathematik schlagen.
Ein kleines Experiment
Wir beginnen mit einem einfachen Experiment. Dazu nehmen wir neun Würfel (für die Rollenspieler unter euch: sechsseitige Würfel). Acht davon stapeln wir so aufeinander, dass sich ein größerer Würfel ergibt:
Offensichtlich hat der große Würfel die doppelte Kantenlänge des kleinen Würfels. Wie steht es mit seiner Oberfläche? Der kleine Würfel hat sechs Seiten, beim großen Würfel haben wir auf jeder der sechs Seiten vier Würfelflächen der kleinen Seiten, macht also 24. Die Oberfläche ist also um das Vierfache gestiegen.
Und das Volumen? Das ist einfach – da wir acht Würfel brauchten, ist es offensichtlich achtmal so groß. Wenn wir den Würfel in der Länge verdoppeln, vervierfacht sich also seine Oberfläche, sein Volumen verachtfacht sich.
Allgemeiner gilt: Vergößere ich ein Objekt in der Länge (in jeder Richtung) um einen Faktor L, dann vergrößert sich seine Oberfläche um den Faktor L*L (also L2), sein Volumen sogar um L*L*L (also L3). Regeln dieser Art, die angeben, wie sich eine Größe ändert, wenn man ein Objekt vergrößert oder verkleinert, nennt man Skalierungsgesetze. Die Biologie ist voll davon – einen guten Einblick gibt das Buch von Schmidt-Nielsen (s. Quellen).
Warum Elefanten große Ohren haben
Diese einfache Beziehung ist der Grund dafür, warum Elefanten (afrikanische jedenfalls) große Ohren haben. Wieso das? Elefanten sind “Warmblüter”2, produzieren also sehr viel Körperwärme. Diese muss im heißen afrikanischen Klima abgeführt werden, das geht natürlich nur durch die Körperoberfläche.
2Für alle spitzfindigen Biologen: Ich weiß, “Warmblüter” ist kein so gern gesehener Begriff. Ich hätte auch homöotherme tachymetabolische Endotherme statt “Warmblüter” schreiben können…
Betrachten wir einen Elefanten und einen auf die Hälfte verkleinerten Elefanten. Der kleinere Elefant hat ein Achtel des Körpervolumens, produziert also auch nur ein Achtel der Körperwärme1. Seine Körperoberfläche reduziert sich aber nur auf ein Viertel. Relativ zu seinem Volumen hat er also eine doppelt so große Oberfläche und kann deshalb Wärme viel besser abgeben. Mathematisch sieht man, dass das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen sich wie 1/L verhält, je größer also ein Objekt, desto kleiner ist die relative Oberfläche.
1Das ist für reale Tiere nicht richtig: Größere Tiere haben pro Kilogramm eine geringere Stoffwechselrate. Das genau zu verstehen ist eins der großen Rätsel der Biologie, darüber schreibe ich demnächst sicher auch mal etwas.
Elefanten, die ja sehr groß sind, haben also relativ gesehen eine kleine Oberfläche und können Wärme deshalb schlecht abstrahlen. Um überschüssige Wärme loszuwerden, sind deshalb große Ohren praktisch. (Wie meist in der Natur haben die Ohren natürlich zusätzlich noch andere Funktionen: beispielsweise als Signal zum Drohen.) Elefanten, die in kühlerem Klima leben oder mehr Wasser zur Verfügung haben (wie indische Elefanten), haben deshalb kleinere Ohren, die Ohren von Mammuts (die sich ja warm halten mussten) waren sehr klein. Auch Wüstenfüchse haben sehr große Ohren, ebenfalls als Wärmestrahler (gut hören können sie damit natürlich auch). Dass bei warmblütigen Tieren, die in kalten Regionen leben, die Extremitäten typischerweise kleiner sind, bezeichnet man als Allensche Regel.
Apropos Mammuts: Generell ist es so, dass Tiere, die in kaltem Klima leben, größer sind, weil sie dann weniger Wärme durch ihre Oberfläche verlieren. (Das ist die Bergmannsche Regel.)
Warum Elefanten eigentlich dünne Knochen haben
Vergleicht man die Skelette von kleinen und großen Tieren, so haben die großen offensichtlich dickere Knochen. Hier als Beispiel eine Katze (Univ. Washington) und ein Elefant (von Wikipedia), animiert mit gifsicle:
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