Alternativ kann man eine negative Krümmung auch als Sattel darstellen, wie dieses Bild hier veranschaulicht:
Anders als bei der Kugel kann man eine negativ gekrümmte Fläche aber nicht vollständig in den dreidimensionalen Raum einbetten – Details dazu findet Ihr bei Thilos “Topologie von Flächen” (siehe die Links oben).
Der “Überschussradius” auf der Pseudosphäre
Bei der Kugeloberfläche hatten wir ja gesehen, dass der gemessene Radius eines Kreises größer ist, als der gemessene Umfang erwarten lässt. Auch das ist bei einem Kreis in einem negativ gekrümmten Raum anders: Hier ist der Umfang größer, als der Radius erwarten lassen würde. Man sieht das häufig bei Kartoffelchips: Die haben eine sattelförmige Form, sind also auch negativ gekrümmt. Das liegt wohl daran, dass sie sich, wenn man sie frittiert, außen schneller dehnen als innen, so dass der Radius beim Ausdehnen mit dem Umfang nicht hinterher kommt.
Man kann das auch ausnutzen, wenn man zum Beispiel Pizza isst (den trick habe ich von Wikipedia): Schneidet man ein Stück aus einer Pizza, hängt das ja gern nach unten durch und führt zu einer Sauerei. Das kann man mit einem Trick verhindern:
Hier seht ihr oben ein Pizzastück mit Koordinatensystem (die meisten Pizzabäckerinnen servieren ihre Pizza seltsamerweise ohne…). Biegt man die Seiten hoch, wie im zweiten Bild, so ist das Stück zwar gebogen (wie ein Zylinder), hat aber keine echte (“innere”) Krümmung, denn man kann es wieder auf den Teller ablagen, ohne dass sich irgendetwas auf der Pizza verzerrt. (Das ist auch der Grund, warum die Spitze überhaupt herunterhängen kann, dazu muss kein Pizzamaterial gedehnt oder gestaucht werden.)
Sind die Seiten der Pizza nach oben gebogen, dann müsste die Pizza zum Durchhängen an der Spitze sich aber negativ (wie ein Sattel oder die Pseudosphäre) krümmen, wie ihr im dritten Bild seht. Dabei würden sich Längen und Winkel im Pizzastück ändern, und dazu müsste sich das Material verformen.
Man kann eine negativ gekrümmte Fläche auch häkeln oder stricken, wie dieses Bild hier zeigt:
Warnhinweis
Nach allem, was ich bisher geschrieben habe, könnte jetzt jemand auf folgende Idee kommen: “Es ist ganz einfach, herauszufinden, ob ein Raum gekrümmt ist: Man zeichnet ein paar Geodäten in ein Koordinatensystem ein, wenn die (oder zumindest einige davon) krumm sind, dann ist der Raum gekrümmt.”
Das wird ja vielleicht durch die Landkartenbilder, wie ich sie bisher verwendet habe, suggeriert. Es ist aber falsch. Davon könnt ihr euch leicht mit diesem Bild überzeugen:
Hier habe ich links ein Koordinatennetz in der Ebene gezeichnet, das so aussieht wie die Längen- und Breitengrade am Nordpol (sogenannte Polarkoordinaten – obwohl die nach dem Bild oben genausogut Pizzakoordinaten heißen könnten). Aber hier ist das Bild wirklich in die Ebene gezeichnet, es gibt also keine Krümmung.
Wenn ich aber die Linien mit gleichen Werten (rot und blau) rauszeichne (orangener Kasten) und geradeziehe, so wie rechts im Bild, dann wird aus der ursprünglich geraden grünen Linie eine “gekrümmte” Linie. Das hat aber nichts mit der Krümmung der zugrundeliegenden Fläche zu tun – die Ebene ist nicht gekrümmt. Es liegt nur an einer “ungeschickten” Wahl der Koordinaten. Durch bloße Wahl eines Koordinatensystems kann man natürlich nicht aus einer ungekrümmten Fläche eine gekrümmte machen.
In einem gekrümmten Raum ist die Sache komplizierter. Da die Geodäten selbst (die ja das Geradeste sind, was man im gekrümmten Raum finden kann) schon gekrümmt sind, gibt es keine optimale Wahl der Koordinaten – selbst wenn man die Geodäten nehmen würde, würde die Krümmung ja nicht plötzlich verschwinden. Die mathematischen Regeln der Geometrie stellen sicher, dass man jedes Koordinatensystem verwenden kann, solange es gewisse Bedingungen (Stetigkeit etc.) erfüllt.
Der richtige Weg, um die Krümmung eines Raums festzustellen, ist, eine der folgenden Methoden anzuwenden:
- Berechne den “Überschussradius” eines Kreises (der bei negativer Krümmung dann auch negativ ist), so wie wir es im letzten Teil für die Sonne gemacht haben, oder
- Messe die Winkelsumme eines Dreiecks oder
- Zeichne ein “Quadrat” wie im ersten Teil: erst a Einheiten in die eine, dann b in die andere Koordinatenrichtung, dann umgekehrt und messt die Abweichung zwischen beiden Routen (ihr erinnert euch an das verpatzte Rendezvous mit eurer besseren Hälfte?) oder
- Zeichne zwei eng benachbarte Geodäten, die “anfänglich parallel” laufen, d.h. die durch eine Geodäte verbunden werden, mit der sie jeweils einen rechten Winkel einschließen. Wenn die beiden Geodäten sich annähern oder entfernen, dann ist der Raum gekrümmt. Diese Methode werden wir vermutlich demnächst noch ausführlich benutzen…
In allen diesen Fällen stellt man fest, dass die Abweichungen (Überschussradius, Abweichung der Winkelsumme von 180°, Diskrepanz zwischen den beiden Endpunkten, Auseinanderlaufen der Geodäten) um so größer werden, je größer die eingeschlossene Fläche ist. Macht man die nur klein genug, dann sieht auch der gekrümmteste Raum flach aus – so wie die Erdoberfläche ja lokal auch immer flach erscheint; von der Krümmung merkt man auf einem Fußballfeld nichts.
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