Die Antwort ist einfach: Die Geodäte ist ja gar nicht vier Meter lang – sie hat ja eine Länge in der Raumzeit. Erinnert euch an die Formel
s2= dt2 – (dx/c)2.
(Die gilt hier nur näherungsweise, weil sich die Geschwindigkeit ja ständig ändert, eigentlich müsste man die Formel aufintegrieren, aber um eine grobe Idee zu bekommen, mache ich mir das Leben hier einfach.)
Ähnlich wie beim letzten Mal teilen wir die Geodäte in zwei Teile, einen nach oben, einen nach unten. Unser dt beträgt also (pro Hälfte) etwa drei Stunden, unser dx etwa 10000 Kilometer. Teilt man das dx durch c, so werden daraus 33Mikrosekunden Millisekunden – hier hatte ich mich verrechnet oder vertippt. (Damit niemand verwirrt ist: Das ist nicht die Verlängerung der Eigenzeit auf der Strecke, sondern lediglich die Umrechnung der Strecke in Zeitkoordinaten.) Oder andersherum gerechnet: 3 Stunden entsprechen einer Strecke von 3 Lichstunden, also 3 Billionen Kilometer. Und verglichen damit fallen 10000 Kilometer eben nicht so stark ins Gewicht.
Hier noch einmal veranschaulicht: Oben so, wie wir uns die Sache vorstellen, unten (immer noch nicht maßstabsgetreu) so, wie die Verhältnisse tatsächlich sind, wenn man Strecken korrekt in Zeiten umrechnet:
ACHTUNG: Unten im Bild muss es 33Millisekunden heißen, nicht 33 µs!
Eigentlich hätte ich unten natürlich auch den Maßstab für die Erde anpassen müssen, aber dann hätte man nix mehr erkannt.
Also: Schwer”kraft” gibt es nicht. Massen krümmen die Raumzeit, und weil sie das tun, nehmen Geodäten eine recht komplizierte Form an. Teilchen bewegen sich auf ihrer Geodäte, wenn sie kräftefrei sind. Beschleunigt man sie von der Geodäte weg, so “spüren” sie eine Trägheitskraft – auf der Erdoberfläche bezeichnen wir die als “Schwerkraft”.
Jetzt müssen wir nur noch ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie genau die Raumzeit um eine Masse wie die Erde verzerrt ist – das wird dann natürlich (ihr habt’s geahnt) der nächste Teil.
Für alle mathematisch interessierten hier die versprochene Herleitung, die zeigt, dass die maximale Eigenzeit im Erd-“Schwerefeld” äquivalent zum Prinzip der kleinsten Wirkung ist (kombiniert aus den Feynman Lectures – Feynman hat mal wieder ein paar Schritte weggelassen, wie er das gern tut – und dem berühmten Misner Thorne Wheeler “Gravitation”):
Wir betrachten ein infinitesimales Raumzeitelement ds. Dafür gilt
ds = √(dt2 – dx2)
(ich setze kurzfristig c=1, das c baue ich am Ende wieder passend ein)
Bei konstanter Geschwindigkeit v (die können wir für ein infinitesimales Stück natürlich annehmen) ist dx=vdt, also
ds = √(dt2 – v2 dt2)
Die Größe von dt hängt von der Höhe ab, die gravitative Zeitdilatation ist auf der Erdoberfläche (1+gh) (diese Formel lasse ich jetzt einfach vom Himmel fallen, kann man aber relativ schnell aus der Schwarzschild-Metrik herleiten), das heißt, in Höhe h geht die Zeit um diesen Faktor schneller (nicht vergessen, da fehlt ein 1/c2). Vergeht auf meiner Bezugshöhe also die Zeit dt’, dann ist dt=dt'(1+gh). Eingesetzt ergibt sich also
ds = √(dt’2(1+gh)2 – v2 dt’2(1+gh)2)
=dt’ (1+gh) √(1- v2)
Hier sieht man schon, wie der Einfluss der Gravitation (große h sind günstig) und der der Zeitdilatation aus der SRT (große v sind ungünstig) entgegenwirken – die Funktion hat irgendwo ein Maximum (v und h hängen ja zusammen), das rechne ich aber gar nicht aus. Ich nähere die Wurzel
ds=dt’ (1+gh) (1- v2/2)
Jetzt kommen die c’s wieder rein, damit man besser sieht, welche Terme klein sind:
ds=dt’ (1+gh/c2) (1- v2/ 2c2)
Ausmultiplizieren ergibt
ds = dt’ (1 + gh/c2 – v2/ 2c2 – gh v2/ 2c4)
Der letzte Term hat ein c4 im Nenner, er ist also klein und darf wegfallen.
ds soll maximal werden. Betrachte ich ein längeres Stück Weltlinie, muss ich über ds integrieren
∫ ds = ∫ dt’ (1 + gh/c2 – v2/ 2c2) = max
Der erste Term im Integral ist einfach die Zeit auf Bezugshöhe, die ist immer gleich und tut nichts zur Sache. Bleibt also
∫ dt’ (gh/c2 – v2/ 2c2) = max
Multiplizieren mit c2 macht die Sache übersichtlicher:
∫ dt’ (gh – v2/ 2) = max
Wenn die Differenz in der Klammer maximal wird, dann ist ihr Negatives minimal, ich drehe also das Vorzeichen um, außerdem multipliziere ich mit der Masse des Teilchens, das ich betrachte
∫ dt’ (mv2/ 2 – mgh) = min
Der erste Term in der Klammer ist die kinetische Energie, der zweite die potentielle Energie. Die Differenz zwischen beiden ist die Wirkung, und die soll minimal werden – das ist genau das Prinzip der kleinsten Wirkung aus der Mechanik. Maximieren der Eigenzeit und minimieren der Wirkung sind also für diesen Fall identisch.
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