Neulich habe ich ja ein bisschen was über SUSY, die Supersymmetrie geschrieben. Um die Frage, was genau an der SUSY so “symmetrisch” ist, habe ich mich einigermaßen geschickt gedrückt. Was haben Elementarteilchen überhaupt mit Symmetrien zu tun? Das will ich hier ein bisschen erklären.
Was ist Symmetrie?
Symmetrie ist ja zunächst mal ein Alltagsbegriff. Viele Dinge sind zum Beispiel
spiegelsymmetrisch, sie sehen also im Spiegel genauso aus wie in
Wirklichkeit. Manche sind fast spiegelsymmetrisch (zum Beispiel Autos
oder Gesichter – wenn man genau hinguckt, dann sieht man, dass die
linke und rechte Seite nicht gleich sind.). Ein Würfel ist nicht nur
spiegelsymmetrisch, sondern auch rotationssymmetrisch: Wenn ich ihn
auf den Tisch lege und um 90 Grad drehe, sieht er genauso aus wie
vorher (das gilt natürlich nicht mehr für einen Würfel mit Zahlen auf
den sechs Seiten, sondern nur für einen unbemalten Würfel). Eine Kugel
ist sogar symmetrisch gegen beliebige Drehungen – sie sieht von allen
Seiten gleich aus.
Daraus kann man jetzt (mit hinreichend viel gutem Willen zu
Abstraktion) folgende Definition ableiten: Ein Objekt ist symmetrisch,
wenn ich etwas damit machen kann, ohne dass es sich dabei
verändert. Das Objekt ist dann symmetrisch bezüglich dieser
Operation. Also eben spiegelsymmetrisch, wenn es sich beim Spiegeln
nicht ändert, rotationssymmetrisch, wenn es sich beim rotieren nicht
ändert, und supersymmetrisch, wenn es sich beim supern nicht
ändert. Äh – nein; vergesst das letzte.
Statt von einer Symmetrie spricht man oft auch von einer “Invarianz” – also einer “Unveränderlichkeit”. Die Kugel ist beispielsweise “rotationsinvariant”.
Symmetrien (oder Invarianzen) faszinieren die Physikerinnen schon lange. Beispielsweise sind die Naturgesetze (nach allem was wir wissen) ortsinvariant (man sagt auch “translationsinvariant”): Es ist egal, ob ich ein Experiment hier in Braunschweig oder in Neuseeland mache (solange ich dafür sorge, dass alle sonstigen Bedingungen gleich sind). Sie sind auch zeitinvariant – die Ergebnisse sind heute dieselben wie gestern und morgen. Nirgends zeigt sich das eindrucksvoller als an Sternspektren: Ein Stern in der Andromedagalaxis hat dieselben Spektrallinien wie unsere Sonne, obwohl das Licht in einer Entfernung von etwa 2 Millionen Lichtjahren und damit auch vor 2 Millionen Jahren ausgesandt wurde.
Emmy Noether fand Anfang des 20. Jahrhunderts heraus, dass solche Invarianzen immer bedeuten, dass es Erhaltungsgrößen gibt: die Translationsinvarianz ist gleichbedeutend mit der Impulserhaltung, die zeitliche Invarianz mit der Energieerhaltung. (Darüber sollte ich auch mal was schreiben…) Eigentlich soll das hier aber nur deutlich machen, warum Physikerinnen von Symmetrien fasziniert sind.
Die Quantenpfeiltheorie
Und was haben nun Symmetrien mit Elementarteilchen zu tun? Mathematisch beschreibt man Elementarteilchen mit Hilfe der Quantenfeldtheorie – aber da man dazu ne Menge fieser Mathematik braucht (die ich auch nicht aus dem Ärmel schüttle), betrachten wir hier eine etwas einfachere Variante, die Quantenpfeiltheorie.
Stellt euch eine Kreisscheibe aus Pappe vor, auf die ihr einen Pfeil malt:
Der Pfeil steht hier für eine bestimmte physikalische Größe, aber welche das ist braucht uns hier erstmal nicht zu kümmern.
Als nächstes malen wir mehrere solche Scheiben nebeneinander, das sieht dann so aus:
Gezeichnet in der neuartigen Hier-Wohnen-Drachen-Print-Scribble-Scan-Technik (patent pending)
Pfeile auf benachbarten Scheiben können genau in dieselbe Richtung zeigen, oder voneinander abweichen. Wir nehmen an, dass die physikalischen Gleichungen, die unsere Pfeiltheorie beschreiben, nur davon abhängen, wie sich benachbarte Pfeile unterscheiden. Beispielsweise unterscheiden sich der erste und der zweite Pfeil oben um etwa 30°, der zweite und dritte um etwa 180°. Wohin ein einzelner Pfeil zeigt, ist also egal – wichtig sind nur Unterschiede.
Wenn die Physik nur vom Unterschied zwischen benachbarten Pfeilen abhängt, dann macht es offensichtlich nichts, wenn ich alle Pfeile um denselben Betrag drehe – die Physik bleibt gleich:
Damit haben wir eine Symmetrie. Man nennt sie eine globale Symmetrie, weil wir eben alle Pfeile gemeinsam (“global”) drehen müssen. Man nennt sie auch eine “Eichsymmetrie”. Das hat nichts mit Bäumen zu tun (oder sehr indirekt doch), sondern mit dem Eichen eines Messgeräts. Alle Pfeile um den gleichen Betrag zu drehen ist ja mathematisch dasselbe, wie unser Koordinatensystem zu drehen – wo in meinem Bild “oben” ist, kann ich ja frei festlegen. Insgesamt hat unsere Pfeiltheorie also eine “globale Eichsymmetrie”. (Und wenn ihr bei Gelegenheit jemanden beeindrucken wollt, dann könnt ihr ja erzählen, ihr habt gerade einen Blogartikel über globale Eichsymmetrie in der Elementarteilchenphysik gelesen – klingt doch ziemlich abgefahren, oder?)
Kommentare (36)