Jetzt drehen wir (ausgehend vom ersten Bild) nur einen der Pfeile, die anderen nicht. Offensichtlich hat sich jetzt die Physik geändert, denn wenn ich jetzt zwei benachbarte Pfeile vergleiche, ist das Bild eben anders als vorher:
Ich könnte (und sollte) auch mehrere Pfeile gleichzeitig drehen, aber das macht die Sache unübersichtlich.
Lokale Eichsymmetrie
Und jetzt machen wir etwas ganz Abstruses: Wir fordern, dass sich die Physik beim lokalen Drehen der Pfeile eben nicht ändern soll. Wie soll das denn gehen? Und warum soll man so einen Quatsch machen? Dann ist die Physik der Pfeile ja völlig beliebig. Was soll das?
Über das “Warum” machen wir uns gleich Gedanken, erstmal klären wir das “Wie”: Wir führen etwas Neues in unser System ein, nämlich Gummibänder. Wir verbinden benachbarte Scheiben mit schönen breiten Gummibändern wie aus einem Einmachglas, die wir gut an die Scheibe festkleben. Wenn wir von einer Scheibe zur nächsten gehen, dann folgen wir dem Gummiband. Wenn ich jetzt einen der Pfeile drehe, dann verdrehe ich das Gummiband mit. Deshalb kommt wieder dasselbe heraus, wenn ich benachbarte Pfeile miteinander vergleiche:
Das Gummiband gibt also an, um wieviel ich mich mitdrehen soll, wenn ich zwei benachbarte Pfeile vergleiche.
Wir können jetzt also auch einzelne Scheiben verdrehen, und die Gummibänder sorgen dafür, dass sich die Physik trotzdem nicht ändert. Weil wir jeden Pfeil anders drehen können, ohne das etwas passiert, haben wir jetzt eine “lokale Eichsymmetrie”. Die Gummibänder bekommen auch einen passenden Namen, nämlich “Eichfelder”.
Um die Sache noch etwas netter zu machen, spielen wir das gleiche Spiel noch einmal in zwei Dimensionen, das sieht dann etwa so aus (ich geb’s zu, perspektivisches zeichnen ist nicht so mein Ding):
Auch hier verdrillen sich die Gummibänder, wenn ich eine der Scheiben drehe, nur jetzt in etwas komplizierterer Weise. Die echte Physik spielt sich natürlich in drei Raum- und einer Zeitdimension ab, aber das zeichne ich nicht hin…
Wahrscheinlich denkt ihr immer noch “Was soll der Blödsinn?” oder “Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?” Bisher habe ich nur viel mathematischen (bzw. grafischen) Wirbel gemacht, unser einfaches Pfeilmodell vom Anfang verkompliziert, ohne irgendetwas zu gewinnen – die Physik hat sich ja nicht geändert. Mathematisch mag das ja ganz elegant sein, wenn man lokal an jedem Punkt seine Eichung für die Pfeile wählen kann, wie man will, (und in der Tat ist die zugrunde liegende mathematische Theorie der Faserbündel ziemlich elegant und bei den mathematischen Physikerinnen total angesagt), aber was hat das mit Physik zu tun? Diese “Eichfelder” sind doch nur ein komplizierter mathematischer Trick, nicht mehr.
Die Eichfelder werden real
Tja, und jetzt benehmen wir uns mal wie echte Physikerinnen, nicht wie diese pingeligen Leute von der Mathematikfraktion, die immer für alles Beweise brauchen. In der Physik gibt es keine echten Beweise (allenfalls Ableitungen innerhalb von Theorien, die aber eben nur so gut sind wie die Theorien selbst), hier braucht man Intuition und Mut, und eine Spur Verrücktheit hat auch noch nie geschadet. Also: Ich erkläre hiermit die Eichfelder für reale Objekte, die sich auch unabhängig von einer Eichung ändern können.
Wenn das so wäre, was würde daraus folgern? Bisher war es ja so, dass wir unsere verdrillten Gummibänder immer “entdrillen” konnten, wenn wir nur die Pfeile wieder richtig hindrehen. Wenn aber die Gummibänder (alias Eichfelder) reale physikalische Objekte sind, dann sind plötzlich auch solche Anordnungen möglich wie diese hier:
Ich habe dazu das Gummiband von der Scheibe gelöst, verdreht, und dann wieder angeklebt. Wenn ich auf dem Gummi vom linken Pfeil zum mittleren gehe, dann ist der mittlere gegen den linken nur so etwa um 45° gedreht. Weil ich das linke Gummi verdreht habe, das rechte aber nicht, liegen die beiden nicht mehr genau gegenüber auf der mittleren Scheibe – das eine geht so etwas von 1:30 Uhr nach 7:30Uhr, das andere von 12:00Uhr nach 6:00Uhr. Wenn ihr von der linken Scheibe über die mittlere zur rechten geht, um den Pfeil links mit dem Pfeil rechts zu vergleichen, dann dreht ihr den Pfeil erst (auf dem ersten Gummiband) um etwa 45 Grad, auf dem zweiten dann gar nicht mehr – um die Unstetigkeit der Gummis genau an der Scheibe kümmert ihr euch nicht.
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