Solange wir auf den Antigrav verzichten müssen, müssen wir uns anders behelfen. Vertikale Kräfte zwischen Gebäude und Boden, nämlich das Gebäudegewicht, müssen übertragen werden, horizontale Kräfte wie die Bodenbeschleunigung bei Erdbeben aber nicht. Dazu stellen wir unser Gebäude auf Erdbebenisolatoren, die dann folgende Anforderungen erfüllen müssen:
- Die Bodenbeschleunigung muss gedämpft werden,
- Die Eigenfrequenz des Gesamtgebäudes muss in einem ungefährlichen Bereich liegen,
- Die Erdbebenisolatoren müssen das Gebäudegewicht tragen können,
- Die Erdbebenisolatoren müssen auch geringe horizontale Kräfte übertragen können, da zum Beispiel Windlasten am Gebäude angreifen – die sollen das Gebäude ja nicht gegen den Boden verschieben.
Für solche Erdbebendämpfer gibt es verschiedene Möglichkeiten. Beispielweise kann man die Gebäude auf riesige Stahlfedern stellen:
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Das Bild (von Wikipedia) zeigt Dämpfer der Londoner Millenium Bridge – diese dienen hier vor allem dazu, Resonanzkatastrophen durch Windlasten oder Fahrzeuge zu verhindern.
Eine Alternative sind Gegenschwingmassen (auch Schwingungstilger genannt). Das sind massive Körper, die zu Schwingungen angeregt werden, wenn das Gebäude schwingt, und die deshalb bestimmte Schwingfrequenzen dämpfen können.
In der Studienarbeit haben wir uns allerdings mit einer anderen Art von Erdbebenisolator beschäftigt, nämlich dem Blei-Gummi-Lager.
Gummi ist für einen Erdbebenisolator ein gut geeignetes Material, weil es gute Dämpfungseigenschaften hat und eine niedrige Steifigkeit besitzt. Das weiß eigentlich jeder, der schon mal irgendetwas auf Gummifüße gestellt hat. Ein Hochhaus direkt auf ein riesiges Gummikissen zu stellen, würde allerdings ein paar Probleme mit sich bringen: Weil Gummi eine so niedrige Steifigkeit hat, wäre das Ganze schon sehr wackelig – kleine horizontale Lasten würden bereits zu heftigem Wackeln führen. Wenn das Gummikissen dick genug wäre, um das Gebäude sinnvoll zu isolieren (mit einem dünnen Gummilappen ist es ja nicht getan), dann würde sich der Gummiklotz am Rand ziemlich stark ausbeulen. Das wiederum könnte zu Rissen und zum Versagen führen.
Man kombiniert deshalb das Gummi mit Stahl – deswegen heißt das Ganze ja auch Blei-Gummi-Lager. Ähh, wie jetzt? Nein, zum Blei kommen wir gleich. Statt eines dicken Gummiklotzes nimmt man viele dünne Klötze, zwischen denen man Stahlplatten anordnet. Dadurch gibt es nicht mehr eine riesig dicke Ausbeulung, sondern viele dünne. So haben wir schon mal das Ausbeulungsproblem gelöst.
Und damit das Haus nicht gleich bei jedem lauen Lüftchen wackelt, kommt noch ein Bleikern in die Konstruktion – der gibt dem Ganzen eine gewisse Grundsteifigkeit. Man nimmt Blei, weil es auch bei starker Last sehr ermüdungsbeständig ist und sich gut plastisch verformen lässt.
Insgesamt sieht so ein Blei-Gummi-Lager dann so aus:
(Quelle: www.ce.berkeley.edu – Bild scheint dort aber nicht mehr zu existieren.)
In der Mitte seht ihr den Bleikern, außen die Lagen aus Gummi und Stahl – die äußere Gummiummantelung schützt vor Umwelteinflüssen und hilft, das “Ausbeulproblem” abzuschwächen. Oben und unten sind dicke Stahlplatten befestigt, oben schrauben wir das Haus drauf, die untere Platte verschrauben wir im Boden, also in irgendeinem Fundament. Wie ihr an meiner unglaublich präzisen Fachsprache merkt, habe ich vom Bauingenieurwesen ganz doll viel Ahnung (so ist das, wenn man interdisziplinär arbeitet – man hat nie so ganz den Durchblick, was man tut…).
Tja, wenn ihr jetzt glaubt, wir hätten diese Dinger im Rahmen der Studienarbeit erfunden – leider nicht. Was wir1 in der Arbeit gemacht haben war, ein Simulationsmodell aufzubauen und dann die Geometrie der Blei-Gummi-Lager gezielt zu variieren, um zu sehen, inwieweit hohe schmale Bleiklötze vielleicht besser sind als kurze dicke, wieviele Lagen Gummi man nehmen könnte usw.
1Dieses “wir” ist eine spezielle grammatische Konstruktion namens “Chef-Wir”. Wenn der Betreuer eines Studienarbeiters sagt “Wir sollten mal überlegen, ob wir nicht ein Experiment machen könnten, damit wir das besser verstehen” heißt das übersetzt “Wir sollten man überlegen, ob du nicht ein Experiment machen könntest, damit ich das besser verstehe.” Das “Chef-Wir” kann also je nach Bedarf für die 1. Person Singular oder Plural oder die 2. (oder wie hier sogar 3.) Person Singular stehen.
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