Aus diesen nachtaktiven Flugsauriern entwickelten sich dann zunächst die Fledermäuse. Einige Fledermäuse verloren ihre Flugfähigkeit (so wie ja auch viele Vögel) und entwickelten sich schließlich zu den Primaten. Dieses Bild hier vergleicht die Skelette von Flugsauriern, Fledermäusen und Menschen und zeigt, dass die Ähnlichkeit größer ist als man vielleicht denkt:
Weil der neu entdeckte Flugsaurier diese Verwandtschaft mit den Menschen nahelegt, wurde er auf den Namen Homosaurus pitchfuensis getauft – wobei pitch’fu anscheinend ein Ausdruck der Überraschung in einem lokalen Dialekt darstellt. (Das mag jetzt albern klingen, aber der lateinische Artname “inexpectatus” = “unerwartet” kommt in der Biologie häufiger vor; warum also nicht dasselbe in einem Dialekt?)
Natürlich gibt es auch Einwände gegen die neue Theorie: Zum einen legten Flugsaurier Eier, während die meisten Säugetiere lebende Junge zur Welt bringen. Allerdings ist die Fähigkeit, lebende Junge zu gebären, unter den Wirbeltieren weit verbreitet und hat sich mehr als 120 Mal entwickelt – in verschiedenen Eidechsen, Schlangen oder bei den Ichthyosauriern. Auch Plazenta-Strukturen sind nicht auf Säugetiere beschränkt; wer mehr wissen will, kann dem Link oben folgen.
Der zweite naheliegende Einwand ist die Fähigkeit der Säugetiere, ihre Jungen mit Milch zu ernähren. Kann diese Entwicklung auf Konvergenz beruhen? Ti und Spiker haben, in Zusammenarbeit mit dem Genetiker Dr. Henry Wu, eine andere faszinierende Theorie entwickelt: Horizontaler Gentransfer, also die Übertragung von Genen zwischen unterschiedlichen Arten, soll hierfür verantwortlich sein. Eine DNA-Sequenzierung der entsprechenden Gene von Mensch, Fledermaus und Katze soll hierüber in Zukunft eindeutigen Aufschluss geben.
Nach der neuen Theorie sind die Säugetiere also keine evolutionär zusammenhängende Tiergruppe, sondern zerfallen in zwei getrennte Klassen: Alle Säugetiere außer den Archonta (Primaten, Fledermäuse usw) bilden eine Gruppe, die Archonta aber sind zusammen mit den Flugsauriern eine zweite. Für diese neue Tiergruppe (Flugsaurier+Archonta) wurde der schöne Name “Dracotheria” (Drachentiere) vorgeschlagen – der gefällt mir deshalb gut, weil “Theria” eine häufig verwendete Endung für Säugetiergruppen ist (Eutheria, Afrotheria, Laurasiatheria sind nur ein paar Beispiele), während “Draco” direkt an die Flugdrachen des Erdmittelalters erinnert.
Unerwartete Unterstützung erhält die Theorie von ganz anderer Seite: Der Psychologe Dr. Paul Weston vom Baltimore Institute of Psychology sieht in der Entdeckung eine Erklärung für ein Rätsel der Psychologie:
I think this discovery is highly suggestive as an explanation for the frequent dreams of flying that are reported from humans of all cultures. Possibly our pterosaurian ancestry is still represented in this archetype.
[Ich denke, dass diese Entdeckung eine Erklärung für die häufigen Träume vom Fliegen suggeriert, die in allen Kulturen vorkommt. Möglicherweise sind unsere Flugsauriervorfahren in unseren Archetypen immer noch gegenwärtig.]
Wenn ihr also das nächste mal vom Fliegen träumt, verdankt ihr das möglicherweise den verschlungenen Pfaden der Evolution.
Spiker, J. and Ti, B.-T., “A New Liaoning Pterosaur and the Origin of Archonta”, Journal of Vertebrate Paleontology, vol. 52, 2011
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