Zunächst mal: Diese Spuren sind Bestandteil eines größeren Bildes. Zu wissen, ob damals Troodontiden oder Dromaeosaurier in einem Gebiet gelebt haben, hilft dabei, die Ökologie der damaligen Zeit zu verstehen und liefert Aufschlüsse über die Biogeographie, also die Frage, welche Tiere wann wo gelebt haben. Wenn wir die Saurierzeit wirklich verstehen wollen, dann brauchen wir diese Informationen. Und niemand kann vorher wissen, ob nicht gerade Fährte X oder Knochen Y genau das fehlende Teil liefert, um eine offene Frage zu klären.
Und dann gilt: Forschung muss nicht immer zu etwas gut sein – darüber hat Florian ja schon öfter geschrieben. Wir leisten uns in jeder größeren Stadt Theater oder Opernhäuser – wozu sind die “gut”? Werfen die einen “Nutzen” ab, oder sind sie nicht einfach ein Bestandteil unserer Kultur? So ist es auch mit der Forschung – ohne Forschung würden uns die faszinierendsten Fakten über die Welt entgehen.
Aber schließlich zeigt gerade das Dino-Track-Symposium mit seiner hohen Öffentlichkeitswirksamkeit, dass die Erforschung von Dinosauriern die Menschen fasziniert – und vermutlich gibt es nur wenige Themen, mit denen man gerade Kindern zeigen kann, wie spannend Wissenschaft ist, die mit Dinos mithalten können.
So, nachdem wir das nun hoffentlich ausgeräumt haben, zurück zu den Vorträgen – und jetzt beschränke ich mich auf die, die ich auch tatsächlich gehört habe, und auch da belasse ich es bei den für mich interessantesten. Es gab relativ viele Übersichtsvorträge, in denen Gesteinsformationen und die in ihnen erhaltenen Spuren vorgestellt wurden – die gaben zwar ein interessantes Bild, sind aber zum nacherzählen weniger geeignet.
Was macht man nun eigentlich mit Dinospuren? Wie wertet man sie aus? Einen schönen Einblick in diese Fragestellung gab der Vortrag von Lisa Buckley aus Kanada. Dazu werfen wir erst einmal einen Blick auf einen Fußabdruck – in diesem Fall von Grallator (der Abdruck stammt also von einem kleineren Raubsaurier):
Bild aus TRIASSIC-JURASSIC STRATIGRAPHIC DISTRIBUTION OF THE THEROPOD FOOTPRINT ICHNOGENUS EUBRONTES, S. Lucas et al, 2006
So hübsch sehen echte Spuren natürlich nicht aus – und die Knochen sieht man in ihnen auch nicht, aber es hilft hoffentlich zu verstehen, was man hier eigentlich analysieren will. Dazu muss man sich erst einmal eins klarmachen: Nicht alle Fußspuren ein und desselben Tieres sind gleich. Mal ist das Substrat etwas feuchter, mal etwas trockener, mal ist das Tier ein bisschen gerutscht oder etwas tiefer eingesackt, mal hat es fester aufgetreten usw. Um verlässliche Aussagen zu bekommen, macht man deshalb eine statistische Analyse und verlässt sich nicht auf den Augenschein, denn das Gehirn mag einem Muster vorgaukeln, wo keine sind. Man sucht also nach Variablen, die man an den Fußspuren ablesen und statistisch auftragen kann.
Ein paar mögliche Variablen zeigt dieses Bild:
In blau seht ihr die Fußbreite, in grün die Fußlänge. Rot habe ich die einzelnen Zehen markiert. Ihr seht, dass Zeh II und Zeh IV den Mittelzeh nicht genau im gleichen Winkel treffen, der Winkel bei Zeh II ist etwas größer.
Bei den Spuren, die Lisa Buckley untersuchte, war es dieser Winkelunterschied, der besonders auffällig war, Zeh Nummer II war extrem stark abgespreizt. (Leider habe ich kein Bild – sagte ich schon, dass ich meine Kamera vergessen hatte?) Mit Hilfe der statistischen Analyse konnte Buckley zeigen, dass der Unterschied signifikant so viel größer war als bei bisher bekannten Spuren, dass die Errichtung einer neuen Ichnospecies (also einer “Spurenart” in der seltsamen Ichnologinnen-Parallelwelt vom letzten Mal) gerechtfertigt war – sogar eine neue Ichnofamilie scheint angezeigt.
Außerdem verglich sie die Spuren mit den Spuren und Füßen heutiger Vögel. Im Keilschwanz-Regenpfeifer (killdeer, Charadrius vociferus) fand sie eine Art, die eine ähnlich starke Abspreizung von Zeh II hatte. Ein Vergleich mit anderen Vögeln zeigt, welche Knochen im Fußskelett anders orientiert sind – falls man also in der Gegend in Kanada, wo die seltsamen Spuren gefunden wurden, eines Tages Fußknochen findet, dann wird diese Analyse helfen herauszufinden, ob sie zu den Spuren passen.
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