Der Vortrag war übrigens nicht nur deshalb spannend, weil er für mich eine echte Einführung in die wissenschaftliche Arbeit mit Fußspuren war, sondern auch, weil Lisa Buckley eine ausgezeichnete Vortragende war. Überhaupt waren sehr viele der Vortragenden lebendige und gute Redner – vielleicht, weil Dino-Leute öfters vor Laienpublikum reden müssen als Materialwissenschaftler, die ich sonst zu hören bekomme.
Der Vortrag von Christian Meyer aus der Schweiz fiel auch in diese Kategorie – schon der Titel versprach Unterhaltung: “The Hitchhikers guide to the late jurassic and early cretaceous dinosaur tracks from the Swiss and French jura mountains”. (Und tatsächlich kam in der Fragestunde hinterher die Frage “So does this mean that the answer is 42?” – Physiker sind nicht die einzigen Nerds…) Obwohl die Schweiz ja nicht gerade als Dinosaurier-El-Dorado bekannt ist, gibt es dort jede Menge Dinospuren. Wenn ich alles richtig verstanden habe (der Vortrag war in Sachen Geologie etwas zu anspruchsvoll für mich), dann ging es hier insbesondere darum, die Fährten aus unterschiedlichen Perioden mit den jeweiligen Anordnungen von Land und Meer in Einklang zu bringen – in weiten Teilen des Erdmittelalters war Mitteleuropa ja ein flaches Meer mit vielen Inseln oder kleineren Festlandsgebieten. Die Spuren ließen sich mit Zeiten in Verbindung bringen, bei denen der etwas niedrigere Wasserspiegel es den Dinos erlaubte, von A nach B zu ziehen (wobei man sich natürlich fragen sollte, was an B eigentlich so toll ist – aber jetzt schweife ich ab (tue ich das nicht eigentlich immer? (schon wieder zu viele Klammern…))) Da sich hier sozusagen Tore zwischen den unterschiedlichen Landmassen öffneten und schlossen, bekommt diese Idee vom Autor auch den Namen “Stargate”-Hypothese (in gnadenloser Vermischung verschiedener SF-Geschichten).
Auf den Vortrag danach hatte ich mich schon besonders gefreut – er wurde nämlich von Steve Gatesy gehalten, mit dem ich seit 5 Jahren zum Teil lebhaften mail-Kontakt hatte und sogar ein paper veröffentlichen konnte (aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden). Steve hat sich keine Dinospuren angeguckt, sondern selbst welche erzeugt. Dazu nahm er ein Fußmodell eines Truthahn und steckte es (von einer kleinen Maschine angetrieben, damit die Bewegung genau reproduzierbar war) in tiefen Matsch. Ja, auch das ist Wissenschaft, wenn man mit Matsch spielt. Jedenfalls, wenn man den Matsch vorher mit Kügelchen versieht, die einen guten Röntgenkontrast haben und deren Bewegung dann mit einem CT-Scanner ausmisst. Auf diese Weise konnte Steve dreidimensionale Bewegungslinien innerhalb des Sandes vermessen und so genau ausrechnen, wie sich der Sand verformt. Das ist insbesondere wichtig für Leute, die die Entstehung von Fußspuren simulieren wollen (und wenn alles nach Plan verläuft, gehöre ich auch bald zu diesem erlesenen Kreis…) – die haben dann nämlich Daten zum Abgleichen der Simulation.
Cory Kumagai schließlich hat lebende Krokodile vermessen – dabei hat er sich vor allem dafür interessiert, wie sich die Fußgröße verändert, wenn das Krokodil wächst. Wer jetzt sagt: “Sie wird größer” bekommt einen Gummipunkt – Cory wollte es schon etwas genauer wissen. Man unterscheidet beim Wachstum zwischen isometrischem und allometrischem Wachstum: Beim isometrischen wächst der betrachtete Körperteil im gleichen Maß wie der Rest des Körpers, beim allometrischen wächst er entweder schneller (positive Allometrie) oder langsamer (negative Allometrie). Hunde beispielsweise haben als Welpen ja große Pfoten und wachsen “in ihre Pfoten hinein” – das wäre dann negative Allometrie. Krokodilfüße haben ebenfalls eine negative Allometrie, allerdings nur sehr schwach ausgeprägt.
Warum es diese Allometrie gibt, wurde in der Fragestunde intensiv (und sogar ein bisschen aggressiv) diskutiert. Ansonsten ging es in der Diskussion zu den Vorträgen meist sehr ruhig zu – von Konferenzen in Physik und Materialwissenschaft bin ich da einen deutlich härteren Ton gewohnt. Vielleicht liegt es daran, dass hier wirklich jeder jeden kannte (außer mir natürlich, ich war ja der Außenseiter). In diesem Zusammenhang war auch lustig, dass der “Chair” (also die Diskussionsleiterin) in den jeweiligen “Sessions” (=”Abschnitt mit mehreren Vorträgen”) immer auch selbst einen Vortrag hielt. Das habe ich sonst noch nie erlebt, denn so ein “chair” soll ja eigentlich überziehende Vortragende bremsen und die Diskussion in geordnete Bahnen lenken, falls sich zwei Leute verbal die Köpfe einschlagen.
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