Betrachten wir jetzt einen T. rex in der Schrittmitte, so sieht er etwa so aus:
Hutchinson, Garcia, “Tyrannosaurus was not a fast runner”, nature, 2002
Oben links seht ihr den Tyrannosaurus mit seinem Bein, das aus 5 Segmenten besteht: Hüfte (o.k., die gehört eigentlich nicht zum Bein, ist hier aber wichtig, weil sie die Verbindung zum Körperschwerpunkt herstellt), Ober- und Unterschenkel, Mittelfuß und Zehen.
Die Masse des Schwerpunkts (und der einzelnen Beinsegmente) erzeugen jeweils eine nach unten gerichtete Kraft, die durch die Reaktionskraft (GRF) ausbalanciert werden muss (unten links, W kennzeichnet jeweils die Gewichtskraft). Wenn das Bein nicht durchgestreckt ist und der Schwerpunkt nicht direkt über dem Auflagepunkt liegt, dann entstehen zusätzlich auch noch Momente, die an den Knochen angreifen.
Die Muskeln müssen jetzt also diese Kräfte und Momente ausbalancieren 1. Um die dafür notwendige Muskelmasse zu berechnen, muss man wissen, wo die Muskeln genau ansetzen – sitzt ein Muskel direkt an einem Gelenk, dann hat er einen ungünstigen Hebelarm, sitzt er weiter weg, ist der Hebelarm günstiger.
1Zusätzliche Effekte durch Trägheit sind hier vernachlässigt worden, weil sie klein sind. Außerdem ist das Modell zweidimensional, um die Rechnung weiter zu vereinfachen.
Um das herauszubekommen, war echte biologische und paläontologische Arbeit notwendig: John Hutchinson hat (gemeinsam mit Matt Carrano) die Beinmuskeln von T. rex rekonstruiert, indem er zum einen lebende Vögel und Krokodile analysiert hat und zum anderen an Fossilien studiert hat, wo dort die Muskeln ansetzten. (Das kann man sehen, weil die Sehnenansätze auf den Knochen immer kleine Rauigkeiten hinterlassen, denn die Kollagenfasern werden dort in den Knochen umgeleitet.)
Aus den so rekonstruierten Muskeln
hat John dann letztlich für jeden Knochen einen “gemittelten” Ansatzpunkt ausgerechnet, mit dem man den Hebelarm berechnen kann. Damit ist die Berechnung der notwendigen Muskelmasse jetzt möglich – man braucht nur noch ein Rechenprogramm, das die entstehenden Gleichungen lösen kann; das hat, wenn ich die Historie richtig verstanden habe, Mariano Garcia programmiert.
Kleine Nebenbemerkung: Häufig wird gefragt, warum die Sehnen in diesem Modell nicht enthalten sind, denn Sehnen können Energie speichern und so die Bewegung erleichtern. Da Sehnen aber immer an Muskeln befestigt sind, ändern sie nichts an der aufzubringenden Kraft (wohl aber an der zu leistenden Arbeit). Bänder (die Knochen mit Knochen verbinden) könnten theoretisch tatsächlich die Muskeln entlasten – es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass ein Tyrannosaurus ausgeprägte Bänder besessen hätte, die das ermöglichen. (Die einzige entsprechende Struktur ist der sogenannte Arctometatarsus im Mittelfuß, der diente aber wohl eher als Schockabsorber und dürfte nur wenig zur Kraftersparnis beigetragen haben.) Was allerdings möglich ist, wäre zum Beispiel eine Veränderung der Form der Kraftkurve von der Sinusform hin zu einer Trapezform, bei der die Kraft anfänglich schneller steigt und dann konstant bleibt. Dabei könnte die mittlere Kraft gleichbleiben und die Maximalkraft sinken. Dies ließe sich beispielsweise durch ein Auf- und Abfedern von Schwanz und Rumpf erreichen. Eine Abschätzung, die ich irgendwann mal gemacht habe, zeigt, dass sich damit die Maximalkraft um etwa 20% reduzieren würde. Prinzipiell wäre das möglich – ist aber bei keinem heutigen Tier zu finden. Da die Muskeln dabei die Maximalkraft aber über einen größeren Bereich von Muskeldehnungen halten müssten, wäre der tatsächliche Gewinn vermutlich kleiner, denn die Muskelkraft hängt ja von der Muskeldehnung ab.
(Ende der “kleinen” Nebenbemerkung).
Im ursprünglichen nature-Paper (in dem man ja mit dem zur Verfügung stehenden Platz sehr eingeschränkt ist) hat John konkret berechnet, wieviel Muskelmasse ein Tyrannosaurus rex braucht, um mit einer Froudezahl von 16 zu rennen – dieser Wert wurde von rennenden Straußen (Froude-Zahl 16, Maximalgeschwindigkeit 12m/s) übernommen, bei denen man die Reaktionskraft gemessen hatte: Sie betrug das 2,5-fache der Körpermasse.
Entsprechend konnte John nun berechnen, wie groß die Muskelmasse wäre, die ein T. rex brauchen würde, um mit derselben GRF zu laufen (das ergäbe dann eine Geschwindigkeit von 20m/s, also etwa 70km/h). Das Ergebnis lautet: 80% der Körpermasse müsste für diese Geschwindigkeit in den Beinen sitzen, was sicher unrealistisch ist. Ein plausibler oberer Wert lag bei etwa 11m/s, also 40km/h, was immer noch ganz ordentlich ist.
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