Wie Lebewesen vom Wasser ans Land und dann wieder zurück ins Wasser gegangen sind, ist eine der spannendsten Fragen der Evolutionsbiologie. Dabei konzentriert sich das Interesse oft auf die spektakulärsten Tiergruppen wie beispielsweise Wale. Der Übergang vom Landraubtier zur Robbe macht uns weniger Schwierigkeiten, weil man den Robben ihren Landtierursprung noch viel eher ansieht. Entsprechend war der Ursprung der Wale lange ungeklärt, aber dank neuer Fossilien wie Pakicetus oder Ambulocetus ist auch dieser Übergang einigermaßen gut dokumentiert (und die lückensuchenden Kreationisten konzentrieren sich im Moment dann eher auf Fledermäuse, für die man noch keine guten Zwischenstadien kennt).
Es gibt aber noch andere Landtiergruppen, die sich wieder dem Wasserleben angepasst haben – dazu zählen die Seekühe. Ähnlich wie Wale haben Seekühe keine sichtbaren Hinterbeine mehr, die Vorderbeine sind zu Flossen geworden und auch der Schwanz hat eine Schwimmflosse, die zum Vortrieb dient.
Die Schwanzflosse steht wie bei den Walen waagerecht – das liegt daran, dass beide von Säugetieren abstammen, die bei der Bewegung an Land ihre Wirbelsäule auf und ab bewegen – bei den Ichthyosauriern des Erdmittelalters stand die Flosse dagegen senkrecht, weil deren Vorfahren wie Eidechsen ihren Körper seitwärts bewegten. (Übrigens auch immer eine Frage. die ich einem Kreationisten stellen würde – ohne Evolution gibt es ja keinen guten Grund, warum bei schwimmenden Säugetieren die Flosse waagerecht steht, bei anderen Tieren nicht.)
Seekühe sind hervorragend an das Leben im Wasser angepasst und können es nicht mehr verlassen. Sie sind friedliche Vegetarier und fressen Wasserpflanzen. Hier mal ein Bild eines Dugongs:
Von Julien Willem – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Weil Seekühe nicht besonders tief tauchen (sondern allenfalls bis zum Grund des Flusses) stehen sie vor demselben Problem wie menschliche Taucher: Zum Tauchen muss man sich als Mensch ja anstrengen, weil die Luft in den Lungen einem Auftrieb verleiht. Menschliche Taucher hängen sich Bleigürtel um, Seekühe (die keine Bleigürtel im nächsten Tauchgeschäft kaufen können, weil niemand dort Seegrastaler als Währung akzeptiert) haben sie besonders dicke und massive Knochen. (Anders als bei Wikipedia steht, haben Wale übrigens keine solchen Knochen – beim Tieftauchen werden ihre Lungen zusammengepresst und der zusätzliche Auftrieb fällt weg.)
Heutige Seekühe sind maximal etwa vier Meter lang, aber die (von Menschen ruck-zuck ausgerottete) Stellersche Seekuh erreichte über 7 Meter Körperlänge – wenn ihr mal in Braunschweig seid, macht einen Abstecher ins Naturkundemuseum, da könnt ihr ein Skelett einer Stellerschen Seekuh bewundern (und auch sonst gibt es da viele spannende Exponate).
Alles in allem ist die Seekuh also hervorragend ans Wasser angepasst. Und wie bei den Walen kann man sich natürlich fragen, wie diese Anpassung vor sich ging. Eine Stufe auf der Evolution vom Land- zum Wassertier ist Pezosiren portelli (übersetzt etwa “Portells gehende Sirene” – Sirenia ist der biologische Name für die Gruppe der Seekühe). Diese Form wurde 2001 beschrieben. Hier ein schönes Foto des Skeletts:
By Thesupermat – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Pezosiren hatte eine Länge von etwas mehr als 2 Metern und, wie man sieht, vier einigermaßen kräftige Beine. Der Kopf erinnert sehr an eine heutige Seekuh, auch wenn die Schnauze noch nicht so deutlich nach unten gebogen ist. Die Wirbelsäule dagegen erinnert stark an urtümliche Huftiere (Condylarthra). Die Wirbel im Halsbereich haben kräftige Fortsätze, an denen vermutlich elastische Bänder befestigt waren, um den Kopf zu tragen. Am auffälligsten sind natürlich die vier kurzen, aber kräftigen Beine. Die Hüfte ist einigermaßen stabil gebaut und fest an der Wirbelsäule verankert, so dass man sich ziemlich sicher sein kann, dass Pezosiren keine Probleme hatte, auf dem Land herumzulaufen (sonst wären auch die Bänder zum Kopftragen ziemlich überflüssig gewesen).
Wie heutige Seekühe hatte Pezosiren aber bereits verdickte Knochen, was wiederum für ein Leben im Wasser spricht. Eine andere Anpassung an das Wasser waren die relativ weit hinten liegenden Nasenöffnungen, die das Atmen an der Wasseroberfläche erleichterten. Der Schwanz hatte nur kurze Fortsätze an den Wirbeln, so dass er keine kräftigen Muskeln besaß. Anders als heutige Seekühe schwamm Pezosiren deshalb vermutlich eher wie ein großer Otter, mit schlängelnder Aus- und Ab-Bewegung des Körpers, unterstützt von einem Schlag der Hinterbeine. Darauf deuten auch seitliche Fortsätze an den Wirbeln des Rumpfes hin, wo vermutlich kräftige Muskeln ansetzten.
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