Das kleinste Schmiedeteil der Welt ist winzig. Sehr winzig. Mit einem Durchmesser von weniger als 500 Nanometern müsste man mehr als 100 nebeneinanderlegen, um die Dicke eines Haares zu erreichen. Und wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer – sondern die Braunschweiger. Die Forschung, die ich heute vorstelle, stammt direkt von meinen Kollegen am Braunschweiger Institut für Werkstoffe.

Woher bekommt man Nanoteilchen?

Bei uns in Braunschweig befasst man sich seit langem mit besonders festen und temperaturbeständigen Legierungen, den Nickelbasis-Legierungen, aus denen man zum Beispiel Turbinenschaufeln baut. Unter dem Mikroskop sehen diese Legierungen so aus:

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Ihr erkennt viele kleine etwa quadratische Felder. Da es sich um einen Blick auf die (geeignet behandelte) Oberfläche des Metalls handelt, sind die Strukturen natürlich in Wahrheit keine Quadrate, sondern kleine Würfelchen. Diese Würfelchen – γ’-Teilchen (sprich: “gamma-Strich”) genannt – bestehen im Wesentlichen aus Nickel- und Aluminiumatomen in einer ganz regelmäßigen Anordnung (ein paar andere Elemente wie Titan, Tantal und so sind auch noch drin, aber heute geht es ja nicht ums Legierungsdesign, die können wir also vernachlässigen).

Um die γ’-Teilchen herum liegt die metallische Matrix, die ebenfalls vor allem aus Nickel besteht, auch wieder mit ein paar anderen Elementen darin. Das Zusammenspiel von Matrix und Teilchen verleiht den Nickelbasis-Legierungen ihre extreme Festigkeit. Die Teilchen behindern die Bewegung der Versetzungen im Kristall, also der Störstellen, die für die Verformung zuständig sind (folgt dem Link für eine ausführliche Erklärung). Nickelbasis-Legierungen sind deswegen etwas besonderes, weil diese Teilchen auch bei hohen Temperaturen stabil bleiben und sich nicht – wie die meisten anderen Ausscheidungen in Metallen – zu größeren Klumpen vereinen. Außerdem liegen sie als Würfelchen vor, nicht als kugelige Teilchen; dadurch kann man sie sehr dicht in die Matrix packen. (Dahinter stecken natürlich wieder die Thermodynamik und die Entropie.)

Es sind diese kleinen Würfelchen, die wir schmieden wollen. Dazu müssen wir sie natürlich erstmal aus der Matrix herausholen. Das geht am besten mit Hilfe geeigneter Säuren (und einer angelegten elektrischen Spannung), die die metallische Matrix wegätzen, aber die Teilchen nicht beeinflussen. (Die dazu notwendige Ätztechnik wurde in einem anderen Projekt bei uns am Institut entwickelt – da modelt man die Legierung noch ein bisschen um, so dass man am Ende eine poröse Membran erhält – aber auch das ist eine andere Geschichte.)

So sieht so ein Würfelchen dann aus:

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Und hier der Vergleich mit einem menschlichen Haar

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Der Schmiedeprozess
Dank geeigneter Ätzung können wir die Teilchen also aus der Matrix herausholen. Sie werden dann aus der Säure herausgefiltert und anschließend in ein Rasterelektronenmikroskop (kurz REM – wenn Materialwissenschaftler immer “Rasterelektronenmikroskop” sagen würden, müsste die Arbeitszeit pro Tag vermutlich gleich um 15 Minuten verlängert werden) gebracht.

Unser REM verfügt über Mikromanipulatoren – letztlich sind das feine Nadeln, die man sehr präzise bewegen kann:

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Mit diesen Nadeln “pickt” man die Teilchen auf – meistens klappt das, weil so kleine Teilchen im Verhältnis zu ihrem Volumen eine sehr große Oberfläche haben und deswegen die Haftung (Adhäsionskräfte) groß ist.

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Allerdings ist es nicht ganz so einfach wie es hier klingt – sobald nämlich auch nur kleine elektrische Ladungen vorhanden sind, laden sich die Teilchen auf und hüpfen durch die Gegend. Man braucht also schon ein bisschen Geschick, damit das funktioniert (und damit ist es nix für mich – mein experimentelles Geschick ist kleiner als Epsilon).

Aber wenn alles klappt, dann kann man das Teilchen jetzt auf die dafür vorgesehene “Platte” legen, an der auch noch ein kleiner Kraftmesser dran ist. Diese Platte ist sozusagen der Amboß:

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Um das Teilchen zu schmieden, braucht man natürlich auch noch einen Hammer. Dafür nimmt man Wolfram-Nadeln, so wie die, die oben schon ins Bild ragt – die sind ziemlich verformungsresistent. Man zieht den Manipulator zurück und positioniert die Wolfram-Nadel über dem Teilchen:

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Und jetzt kann man mit der Wolfram-Nadel das Teilchen plattdrücken (unter dem Bild jeweils die gemessene Kraft, die man dafür braucht)

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Und was soll das?
Ist ja ganz nett – aber mal ehrlich, wozu soll das gut sein?

Zum einen kann man natürlich an Anwendungen denken, beispielsweise an das Schmieden von Nanobauteilen für die Mikrotechnik. (Momentan ist ein Kollege gerade dabei, Teilchen in Formen reinzuschmieden – aber da das noch nicht veröffentlicht ist, sage ich dazu erstmal nichts.) Vielleicht wollen wir ja irgendwann man Naniten herstellen, oder U-Boote, die durch den menschlichen Körper fahren [Hier war ein Bild aus dem amerikanischen Film “Fantastic Voyage”; aus Copyright-Gründen habe ich das lieber entfernt.]

Da ist es sicher praktisch, wenn wir kleine Zahnräder, Kolben oder sonst irgendwelche Bauteile schmieden können.

Aber zugegeben, das ist natürlich ein bisschen Science Fiction. Die Nanoschmiederei hat aber noch einen direkten wissenschaftlichen Wert: Wie genau sich derart kleine Teilchen verformen, ist nämlich immer noch nicht verstanden. Eigentlich sollten so kleine Teilchen wenig oder gar keine Versetzungen enthalten, weil die an die Oberfläche wandern (was energetisch günstiger ist). Wie können sie sich dann trotzdem so gut plastisch verformen?

Diese Fragen werden zur Zeit überall auf der Welt intensiv untersucht – allerdings nicht an Nanowürfeln (da sind wir in Braunschweig einzigartig), sondern an sogenannten “Micropillars” (Mikrosäulen) wie diesen hier:

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(Quelle: https://www2.nsysu.edu.tw/MSE/research/research.htm)
Diese Micropillars werden mit einem Ionenstrahl aus einem Material herausgetrennt und dann verformt. Allerdings haben sie gegenüber unseren Nanowürfeln zwei Nachteile: Zum einen stehen sie nicht frei, sondern sind immer noch unten verankert. Zum anderen führen die Ionenstrahlen, mit denen man das umliegende Material wegbrät, zu Störungen an der Oberfläche der Micropillars, deren Einfluss man schwer genau einschätzen kann. Die Nanowürfel sind also eine interessante Alternative.

Und natürlich – und hier kommt ein bisschen von meiner Forschung ins Spiel – kann man auch versuchen, diesen Prozess im Computer zu simulieren. Damit kann man testen, wie denn nun die Versetzungen in den Nanowürfel hineinkommen – wir machen bestimmte physikalische Annahmen und schauen dann, ob die simulierte Verformung der real gemessenen entspricht, was dann die Annahmen stützen würde. Leider ist auch das noch nicht veröffentlicht (die Simulationsrechnungen dauern seeeehr lange) – deswegen erzähle ich das nicht im Detail. Aber zumindest ein hübsches Bild kann ich euch zeigen, das nebenbei demonstriert, warum Simulationen immer besser sind als Experimente – sie sind viel bunter:

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Die Ergebnisse sind erschienen in
Schloesser, J., Rösler, J., & Mukherji, D. (2011). Deformation behaviour of freestanding single-crystalline Ni3Al-based nanoparticles International Journal of Materials Research (formerly Zeitschrift fuer Metallkunde), 102 (05), 532-537 DOI: 10.3139/146.110504

Kommentare (18)

  1. #1 Chris
    24. Juni 2011

    Hallo,
    cool! 800µN sind ein bisschen was anderes als wenn man mim 5kg Fäustel auf ein glühendes Stahlteil schlägt…

    Aber zumindest ein hübsches Bild kann ich euch zeigen, das nebenbei demonstriert, warum Simulationen immer besser sind als Experimente – sie sind viel bunter:

    oh oh oh, Stoff für Diskussionen… 😀
    Wie lang braucht ihr um euer Zeug durch den Rechner zu jagen, so ne Größenordnung Kaffeepausen, Tage, Wochen?
    Habt ihr mal über GPU-Server nachgedacht oder schon Tests gemacht?
    Erzählst du später noch was zu euren Simulationsmethoden?

  2. #2 Bjoern
    24. Juni 2011

    Was genau stellt die Farbkodierung im Simulationsergebnis dar? (da drüber scheint “S, Mises” oder so zu stehen – nicht gerade erhellend…)

  3. #3 Sibby
    24. Juni 2011

    wenn man bisschen von mechanik weiß, weiß man was die von mises spannung ist. einfach erklärt (bitte korrigieren wenn es doch zu lasch ist), stellt die von mises vergleichsspannung die möglichkeit von der wirkenden kraft auf die spannungen im inneren des bauteils schließen (es gibt mehrere spannungskomponenten). die farbkodierung ist fast egal, weil sie immer in relation zum rest stehen. Weil alels rot ist, hat das nix schlimmes zu bedeuten, weil es auch eifnach sein kann das überall kaum spannungen anliegen, aber woanders halt doch ein bisschen was erhöht ist. real verziehts ich ja das material auch nciht so wie auf dem bild 😉 Hilft aber dabei die spannungsspitzen zu finden 🙂

  4. #4 Odysseus
    25. Juni 2011

    “warum Simulationen immer besser sind als Experimente – sie sind viel bunter”

    Danke, das rettet mir den Tag — und das Wochenende, an dem ich unseren Rechencluster mal wieder mit ein paar Simulationen quälen werde. Auch sonst wieder ein schöner und lesenswerter Artikel. Das REM-Bild mit dem Würfel am Haar ist klasse!

  5. #5 Ex-Esoteriker
    25. Juni 2011

    Hallo Leute,

    kann es sein, dass das erste Bild einen “Täuschungseffekt” hat?

    Wenn ich langsam mit meinen Augen über das Bild streife, von links nach rechts, hat man den Eindruck, dass dieses Bild sich von rechts nach links “bewegt”.

  6. #6 rolak
    25. Juni 2011

    Also bei mir nicht, Ex-Esoteriker, bin vielleicht aber für so etwas auch kein besonders gut geeigneter Tester, da z.B. das mit dem Stereoguck-Pseudoschielen noch nie funktioniert hat…

  7. #7 Ex-Esoteriker
    25. Juni 2011

    @ rolak,

    meinte nicht dieses “Stereo gucken”.

    Das erste Bild ist wie eine optische Täuschung für mich, hat also den anschein, dass die quadratischen Felder sich “bewegen”, in etwa so, was man von anderen optischen Täuschungen kennt, z.B. ganz ähnliches Prinzip dieser Täuschung ist hier:

    < a href="https://www.Scienceblogs.de">https://www.google.de/imgres?imgurl=https://www.planetarium-freiburg.de/turning_wheels.jpg&imgrefurl=https://www.planetarium-freiburg.de/optische_Taeuschungen.html&h=636&w=640&sz=157&tbnid=GO869usgZwOvOM:&tbnh=136&tbnw=137&prev=/search%3Fq%3Doptische%2BT%25C3%25A4uschung%26tbm%3Disch%26tbo%3Du&zoom=1&q=optische+T%C3%A4uschung&hl=de&usg=__HiG4ZdWXvObJA6m1otf2mBfJ23s=&sa=X&ei=z4UFTpntPJHJsga6rsGaDA&ved=0CDoQ9QEwBQ

  8. #8 rolak
    25. Juni 2011

    Ich verglich die Effekte nicht hinsichtlich Technik oder Physiologie, nur bezüglich meiner Unfähigkeit, sie zu sehen, Ex-Esoteriker. Das gute alte Spiralbild funktioniert bei mir 😉

    Auch wenn das mit dem Gesenkschmieden furios klingt (nicht maßstabsgerechte Modelle existieren ja schon ;-), bin ich doch neugierig, ob und wie welche Erkenntnisse über die Verformung an sich gewonnen werden.

  9. #9 MartinB
    25. Juni 2011

    Richtig, die dargestellte Spannung ist die von Mises-Spannung. Die Spannung ist ja als Kraft pro Fläche ne Größe mit vielen Richtungsabhängigkeiten (Tensor 2. Stufe), die von-Mises-Spannung ist eine daraus berechnete Zahl (die 2. Invariante), die ein Maß für die jeweils wirkende Schubspannung ist und damit die für plastische Verformung entscheidende Spannungskomponente.

    Was die Rechenzeit angeht: Im Moment läuft sone Simulation ein paar Wochen – die ist allerdings auch noch nicht optimiert, weil ich erstmal sehen will, ob überhaupt was Sinnvolles rauskommt (falls da was rauskommt, dann erzähle ichdas sicher, das wäre nämlich ziemlich cool).
    Ja, ein Rechencluster wäre schick- kostet aber immer auch gleich ein bisschen was…

  10. #10 yellowstone
    25. Juni 2011

    @Ex-Esoteriker: Ja, den Effekt habe ich auch bemerkt! Ich dachte zuerst dass es eine Animation ist. 🙂 Seit dem ersten Kaffee sehe ich den Effekt nicht mehr…

  11. #11 Gluecypher
    25. Juni 2011

    Im Moment läuft sone Simulation ein paar Wochen – die ist allerdings auch noch nicht optimiert, weil ich erstmal sehen will, ob überhaupt was Sinnvolles rauskommt

    Ist der Algorithmus so aufwändig oder bloß euer Rechner so langsam? Denn soviele Knoten sind das ja in der FEM nicht. Ich meine, wir machen Ray-Tracing bei uns in der Firma, und wenn man da so mit >50.000 Strahlen für ein relativ kompliziertes optisches System rechnen will, dann braucht man mit einem 12 Prozessoren-Rechner auch ca. 36h. Und bei den mechanischen FEM-Rechnungen gehen auch schon mal 2 oder 3 Tage in’s Land, aber….Wochen?

    Ansonsten, wie immer sehr schöner Post, bitte updates sobald vorhanden, vor allem die Sache mit dem Gesenkschmieden in den Dimensionen hört sich spannend an.

  12. #12 MartinB
    25. Juni 2011

    @Gluecypher
    Es ist nicht die FEM, sondern die extrem komplexe berechnung der Abgleitungsebenen, die man im Bild sieht.

  13. #13 Chris
    1. Juli 2011

    Hey,
    Wochen für die Simulation ist natürlich echt unangenehm. Zeit für viele Kaffeepausen…;-)
    Wenn du später was dazu erzählst wär das natürlich echt cool!

  14. #14 Eheran
    30. Juni 2012

    Ein Wüfel von 500nm benötigt 800µN zum Verformen.
    Hochgerechnet würde ein Würfel von 1cm Kantenlänge also:
    1cm = 10’000’000nm /500nm = 2’000
    2’000 *800µN = 16’000’000µN = 16N

    Also nur etwas mehr als 1,5kg zum “Plattdrücken”, was mit der Härte von Kalium oder Natrium vergleichbar wäre.
    Sofern ich mich also nicht irgendwo die ein oder andere Potenz verrechnet habe…
    Wie ist es Möglich, dass es Makroskopisch so viel mehr Kraft benötigt?

  15. #15 MartinB
    30. Juni 2012

    @Eheran
    Entscheidend ist die Kraft pro Fläche (die Spannung), nicht die Kraft pro Länge.

    Die beträgt bei Kantenlänge 500nm
    800MikroN/(500nm)^2 = 3.2E9N/m^2 oder 3200 Megapascal.
    Das liegt deutlich oberhalb der Festigkeit von typischen Metallen (hochfeste Stähle haben bis zu 2000 MPa).

    Die Nanoteilchen sind also hochfest, was daran liegt, dass sie wenig Defekte (Versetzungen z.B.) haben.

  16. #16 Eheran
    30. Juni 2012

    Natürlich!
    Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, eine Dimension zu verwenden?

    So deckt es sich dann auch perfekt mit den meist extremen Eigenschaften Mikroskopischer Sturkturen.

  17. #17 Baronberan
    9. Juli 2012

    Klasse Artikel!
    Wie kriegt ihr eigentlich die Matrix so gut hin?

  18. #18 MartinB
    10. Juli 2012

    @Baronberan
    Die Würfel scheiden sich in richtig wärmebehandelten Ni-Basis-Legierungen automatisch so aus, das ist ein ziemlich kompliziertes Wechselspiel zwischen den elastischen Konstanten im Kristallgitter und der Oberflächenenergie. Das Bild mit Matrix ist von einem Einkristall, da ist die Matrix natürlich besonders perfekt; da man die aber ja wegätzt, ist das bei diesem Verfahren nicht unbedingt notwendig, ich habe das Bild nur genommen, weil man die Teilchen da schön sieht und weil ich es gerade da hatte.