Es klingt verrückt, aber es stimmt: manchmal werden Metalle fester, wenn sie Nichts enthalten. Oder genauer gesagt, wenn sie winzige Löcher haben.
Um das zu verstehen, müssen wir einen kurzen Blick darauf werfen, wie Metalle sich plastisch verformen. Ausführlich habe ich das schon vor längerer Zeit erklärt, deswegen gibt es hier nur eine Kurzfassung:
Metalle enthalten immer Störungen, die man Versetzungen nennt. An diesen Störstellen ist das Kristallgitter eben gestört, wie zum Beispiel in diesem Bild:
Die gelbe Linie zeigt die Linie der Störung, eben die Versetzung. Versetzungen können sich relativ leicht durch den Kristall bewegen und scheren dabei Atome oberhalb der Versetzungslinie gegen Atome darunter ab. Wenn eine Versetzung durch einen Kristall läuft, dann sorgt sie damit für eine winzig kleine plastische Verformung, also eine Verformung, die bleibt, auch wenn man die Last wegnimmt.
Wenn ihr den atomaren Mechanismus dahinter verstehen wollt, folgt einfach dem Link oben. Wie so oft in der Wissenschaft muss man aber gar nicht immer zurück zur fundamentalen Erklärungsebene – man kann sich die Versetzung auch modellhaft als eine Linie vorstellen, die sich durch den Kristall bewegt, wenn eine Kraft auf sie wirkt, ein bisschen so, als würde man einen Faden durch ein Glas mit Honig ziehen. (Wieder mal ein gutes Beispiel für das Denken in Modellen.)
Ein Metall enthält ziemlich viele solcher Versetzungen – wenn man alle Versetzungslinien in einem Kubikzentimeter eines stark verformten Metalls aneinanderreihen würde, käme man etwa einmal von der Erde zum Mond und wieder zurück. Hier seht ihr mal ein Simulationsbild der Versetzungen in einem Metall (die Details sind nicht so wichtig, hier geht es nur darum, dass ihr das Gewusel erkennt):
Legt man an ein Metall eine mechanische Spannung an (indem man zum Beispiel dran zieht), dann bewegen sich die Versetzungen, wenn die Spannung groß genug ist und scheren das Metall ab. Das passiert beispielsweise, wenn ihr einen Draht oder eine Büroklammer verbiegt.
Dabei entstehen übrigens auch neue Versetzungen – und weil sich die Versetzungen gegenseitig im Weg sind und sich behindern, wird das Metall an dieser Stelle fester. Deswegen ist es auch leicht, einen geraden Draht krumm zu biegen, aber gar nicht so leicht, ihn wieder geradezubekommen – genau da, wo man zurückbiegen müsste, ist das Material fester als drum herum, deswegen biegt es sich meist eher an anderen Stellen.
Wenn ihr besonders feste Metalle herstellen wollt, die sich also nicht so leicht plastisch verformen, dann müsst ihr die Versetzungen an ihrer Bewegung hindern. Sich dafür Tricks einfallen zu lassen, ist letztlich eines der Hauptbetätigungsfelder für MaterialwissenschaftlerInnen. Es gibt verschiedene solcher Mechanismen (das Metall vorzuverformen ist einer, den wir gerade gesehen haben), von denen wir jetzt aber nur einen einzigen brauchen.
Auch wenn wir sie uns nicht auf der atomaren Ebene angucken – die Versetzungen laufen innerhalb des Kristallgitters. Kleine Teilchen mit einer anderen Kristallstruktur können deshalb die Versetzung behindern, weil sie nicht in diese Teilchen eindringen kann und sie irgendwie “umwandern” muss. Bei hohen Temperaturen passiert das durch einen Mechanismus, den man “Klettern” nennt (und dessen Details hier nicht so wichtig sind).
Dieses Bild (habe ich meinem Chef geklaut [unschuldig-pfeif]) zeigt, wie man sich das vorstellen kann:
Die Versetzung kommt von links, trifft auch zwei Teilchen und muss über sie hinüber”klettern”. Dann löst sie sich von den Teilchen wieder ab. Dieser Klettermechanismus ist vor allem bei hohen Temperaturen wichtig – bei niedrigen Temperaturen können Versetzungen nicht so gut klettern und kommen noch schwerer an solchen Hindernissen vorbei; das ist ein Grund dafür, dass Metalle mit zunehmender Temperatur an Festigkeit verlieren.
Da eine Versetzung ja eine Störung des Kristallgitters ist, hat sie auch eine bestimmte Energie, denn sie verzerrt den Kristall. Diese Energie kann an dem Teilchen höher oder geringer sein – je nachdem, was das Teilchen für Eigenschaften hat. Ist die Energie höher, dann bleibt die Versetzung vor dem Teilchen hängen, ist sie niedriger, dann braucht man zusätzliche Energie (also zusätzliche Kraft), um die Versetzung wieder vom Teilchen zu lösen.
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