Nehmt als Beispiel ein Teilchen, das ruhig neben euch auf der Erde liegt. Es hat nach Einsteins berühmter Formel eine Energie von E=mc² und einen Impuls von Null. (Zur Erinnerung: Impuls ist gleich Masse mal Geschwindigkeit.) Für den vorbeifliegenden EAAU-Captain (für literarisch ungebildete: Das ist Mark Brandis) dagegen sieht es so aus, als ob sich das Teilchen mit hoher Geschwindigkeit bewegt. Zu seiner Ruheenergie kommt noch die kinetische Energie hinzu, und auch sein Impuls ist (betragsmäßig) größer als Null. Oft spricht man hier von einem relativistischen Massezuwachs, so dass die Formel E=mc² weiter gilt, nur eben mit erhöhter Masse, und so dass man auch die klassische Formel Impuls gleich Masse mal Geschwindigkeit verwenden kann. Ich finde diese Formulierung allerdings ein bisschen verwirrend und werde, wenn ich Masse sage, immer die Ruhemasse eines Teilchens meinen, also die Masse, die ihr messt, wenn ihr euch relativ zum Teilchen nicht bewegt. (Warum Teilchen überhaupt eine Masse haben, werden wir auch noch diskutieren.)
Es gilt die berühmte Energie-Impuls-Beziehung (ausnahmsweise mit Faktoren von c an der richtigen Stelle) E²=m²c⁴ + p² c² – dabei ist m die Ruhemasse, nicht die “relativistische” Masse.
Wir haben jetzt also fünf Größenpaare, die sich alle in ganz ähnlicher Weise verhalten: Zeit/Ort, Ladungsdichte/Strom, elektrisches Potential/Vektorpotential, Frequenz/Wellenzahl, Energie/Impuls. Ort, Strom, Vektorpotential, Wellenzahl und Impuls sind dabei Vektoren, also Größen, die einen Wert und eine Richtung haben (bei der Wellenzahl ist das so, wie ich sie oben eingeführt habe, nicht ganz offensichtlich, aber man nimmt hier als Richtung die Ausbreitungsrichtung der Welle). Im dreidimensionalen Raum (in dem leben wir ja – es sei denn, Ihr seid Stringtheoretiker…) braucht so ein Vektor drei Zahlen. (Das ist ja auch aus dem Alltag klar, um anzugeben, wo etwas auf der Erde ist braucht ihr Längengrad, Breitengrad und Höhe.) Da man einen Vektor (einen Auffrischungskurs “Was ist ein Vektor” findet ihr übrigens hier) mit einer vierten Größe (die sozusagen “Zeitcharakter” hat) zusammenfasst, spricht man oft auch von Vierervektoren. Das kann man dann so schreiben: (ct, x,y,z), oder (ct, x). Dabei ist t die Zeit und x,y,z sind die drei Zahlen für den Ort (die wir als Vektor x zusammenfassen können).
Der Faktor c am ct dient dabei, wie oben beim Minkowski-Diagramm erläutert, dazu, die Zeit einheitenmäßig in einen Strecke umzurechnen. Meistens werde ich mich der praktischen Konvention theoretischer Physikerinnen bedienen, und c=1 setzen (also alle Längen in Lichtsekunden oder Zeiten in Lichtmetern rechnen). Das ist so lange praktisch, bis man versucht, tatsächlich eine Zahl auszurechnen, dann darf man sich damit amüsieren, die fehlenden Faktoren wieder einzubauen.
Für Vierervektoren gelten spezielle Rechenregeln, die das Hantieren mit ihnen leichter machen. Insbesondere kann man mit Vierervektoren Größen berechnen, von denen man zeigen kann, dass sie für alle Beobachter denselben Wert annehmen. Ein Beispiel dafür ist der Raum-Zeit-Abstand zwischen zwei Ereignissen. Liegen die beiden Ereignisse in meinem Bezugssystem um eine Zeit Δt auseinander und haben einen räumlichen Abstand Δx, dann ist der Raumzeitabstand Δs definiert als Δs² = c² Δt² – Δx².
Dieser Raumzeitabstand ist eine zentrale Größe in der Speziellen Relativitätstheorie. Er hat also immer denselben Wert, egal in welchem Bezugssystem er gemessen wird.
Hier eine Übersicht über die Vierervektoren (werden wir vermutlich selten explizit benötigen, ich schreib sie hier trotzdem hin, weil ich immer vergesse, wo die c’s hingehören):
Zeit/Ort: (ct,x)
Ladungsdichte/Stromdichte: (cρ, j)
Potential/Vektorpotential: (φ/c, A)
Frequenz/Wellenzahl: (ω/c, k)
Energie/Impuls: (E/c, p)
(Warnung: Ihr seid hier immer noch im abgefahrenen Formelteil, der ist erst zuende, wenn ihr das Formel-Aufhebungszeichen seht…) Vierervektoren schreibt man typischerweise mit griechischen Indices, also zum Beispiel xμ für eine Komponente des Orts-Zeit-Vierervektors.
Multipliziert man zwei Vierervektoren miteinander, so werden die Zeit- und Raumkomponenten jeweils quadriert und voneinander abgezogen.
Dabei habe ich hier die Metrik (+—) verwendet, die Minus-Zeichen kommen also an die räumliche Komponente. Häufig wird das auch andersherum gemacht – da hat jedes Buch seine Lieblingskonvention. Deswegen werde ich sicherlich in nächster Zeit jede Menge falsche Vorzeichen in meine Formeln einbauen – damit ihr das korrigieren könnt, gibt es hier ein paar Minuszeichen, bei denen ihr euch bedienen könnt:
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