Und nehmen wir einen vierten, fünften, sechsten usw. Schirm hinzu, dann geht das immer so weiter. Das können wir treiben, bis wir unendlich viele Schirme haben. Und wenn wir uns vorstellen, dass jeder dieser Schirme unendlich viele Löcher hat, dann bleibt von den Schirmen letztlich nichts mehr übrig – aber die Logik unserer Berechnung ändert sich überhaupt nicht.
Und damit sehen wir, dass wir für ein frei herumfliegendes Elektron die gesamte Amplitude, um von einem Startpunkt Q zum Ziel x zu kommen, dadurch bekommen, dass wir die Amplitude für jeden einzelnen möglichen Weg ausrechnen und über all diese Wege addieren:
A(Q ,x) = Summe über alle Wege W von A(Q,x auf Weg W)
Diese Wege nennt man auch die “Pfade” – und sie geben dem “Pfadintegral” ihren Namen.
Eine Sache habe ich bisher (um die Sache nicht schon am Anfang zu kompliziert zu machen) unterschlagen: Ein “Pfad” kennzeichnet hier (anders als im Alltagsgebrauch) nicht bloß, auf welchem Weg das Elektron sich von Q nach x bewegt, sondern auch, wann es an einem bestimmten Punkt des Pfades ist. Ein “Pfad” ist also eine Wegbeschreibung mit Zeitangabe. Bewegt sich das Elektron beispielsweise auf geradem Weg von Q nach x, dann gibt es auch dafür unendlich viele Möglichkeiten – seine Geschwindigkeit kann die ganze Zeit konstant sein, oder es kann erst mit hoher, dann mit niedriger Geschwindigkeit fliegen, usw.
Wichtig ist, dass dabei auch Startpunkt und Zielpunkt zeitlich festgelegt sind – die Amplitude A(Q,x) ist also die dafür, dass ein Elektron, das zu einem bestimmten Zeitpunkt bei Q startet, an einem bestimmten späteren Zeitpunkt bei x ankommt. Ich schreibe die Zeitargumente nicht extra mit hin – wenn ihr relativistisch denkt, dann steht das x (und das Q) für den Vierervektor aus t und x.
Ich fasse das erst einmal grob in Worten zusammen: Wenn ich wissen will, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Elektron von Q nach x kommt (mit genau definiertem Anfangs- und Zielzeitpunkt), dann betrachte ich alle denkbaren Pfade, die das Elektron nehmen kann, egal wie seltsam sie aussehen (auch den heftigen Zick-Zack-Pfad oben im Bild), berechne für jeden dieser Pfade die Wahrscheinlichkeitsamplitude (also den zugehörigen Pfeil), hänge alle diese Pfeile hintereinander zur Gesamtamplitude, und dann quadriere ich das Ergebnis, um die Wahrscheinlichkeit zu bekommen.
Wir summieren also die Amplitude über alle denkbaren Pfade. Das ist eigentlich schon alles, was wir brauchen, und dieser Teil könnte hier zu Ende sein. (Wie man die Amplituden berechnet, erkläre ich beim nächsten Mal.)
Ich will das Ganze hier aber ausnahmsweise mal als Formel hinschreiben, weil es zum einen gar nicht so schlimm ist und weil ihr dann – auch wenn ihr mit Formeln sonst nicht so viel am Hut habt – vielleicht verstehen könnt, warum Physikerinnen Formeln genauso “lesen” können wie Texte. Aber keine Angst, wir machen das Schritt für Schritt.
Nennen wir den Pfad, den das Teilchen geht, W (wie “Weg”). Dann müssen wir, wie eben erklärt, die Amplituden für alle diese W’s zusammenzählen. Weil es unendlich viele mögliche Pfade gibt, schreiben Mathematikerinnen das als Integral. (Wenn ihr keine Integrale mögt, denkt euch einfach jedes mal statt “Integral” das Wort “Summe” – das Integralzeichen ist ja ohnehin als langgezogenes S wie “Summe” entstanden, hat sich der gute Leibniz schön ausgedacht.) Statt “Summe über alle W” schreiben wir also kurz
Das D sagt uns, dass es eben das ist, was danach kommt, über das wir integrieren sollen, in diesem Fall also das W. (Man nimmt hier ein großes schick geschwungenes D, weil das Integrieren für alle denkbaren Pfade ein bisschen knifflig ist, weil es unendlich viele Möglichkeiten gibt.) Man kann das “D” also einfach als “über alle” lesen, dann steht hier “Integral über alle W” (oder “Summe über alle W”, wenn ihr das lieber mögt).
Kommentare (32)