Tyrannoskull.jpg
By A.E. Anderson – https://digitallibrary.amnh.org/dspace/handle/2246/49, Public Domain, Link

Nebenbemerkung: Wenn ich es richtig verstehe, wird die Bisskraft immer pro Zahn angegeben, nicht für den gesamten Kiefer. Da bei einem gezielten Biss aber immer nur wenige Zähne gleichzeitig voll zupacken, macht das keinen gigantischen Unterschied.

Sowohl der Komodowaran als auch der Allosaurus haben aber ziemlich kräftige Muskelansätze am Hals. Und beim Komodowaran beobachtet man auch, dass er seine Beute zerreißt, indem er den Kopf kräftig nach hinten (und eventuell ein bisschen nach unten) ruckt und so an der Beute zieht. Die Simulationsrechnungen zeigten schon, dass diese Kräfte wesentlich größer sein können. Und dafür gibt es nun auch experimentelle Untersuchungen.

Dazu wurden zehn Komodowarane dazu gebracht, entweder auf Fleischstücken mit Kraftmessdosen drin zu beißen (um die Bisskraft zu messen) oder an Fleischstücken zu zerren, die an entsprechenden Sensoren hingen.

Die Bisskraft lag dabei relativ dicht an den berechneten Werten – für einen 1,60Meter-Waran ergeben sich etwa 54Newton, die gemessene Maximalkraft lag bei knapp 150Newton. Und eine Auftragung der Bisskraft im Vergleich zu anderen Wirbeltieren zeigt, dass der Biss der Komodo-Warane tatsächlich eher schlapp ist:

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Aufgetragen ist die Bisskraft gegen die Körpermasse – leider in unübersichtlichen logarithmischen Einheiten, die Warane wiegen also nicht 4-5 Gramm sondern 104-105 gramm, also zwischen 10 und hundert Kilogramm (für die Bisskraft gilt entsprechendes). Man sieht deutlich, dass die Komodo-Datenpunkte unterhalb derer anderer Wirbeltiere liegen. (Natürlich ist es möglich, dass die Warane nicht voll zugebissen haben, weil sie ja nur totes Fleisch bekommen haben und keine Beute packen mussten. Das ließ sich leider nicht ändern, dürfte aber bei den anderen Tieren nicht anders gewesen sein (möchte sich vielleicht jemand eine Kraftmessdose implantieren und sich dann von einem Komodowaran beißen lassen?))

Die Zugkraft beim Reißen an der Beute dagegen ist deutlich höher. Hier erst mal ein Bildchen, damit ihr euch vorstellen könnt, wie so ein Waran an seinem Fleischstück reißt.

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Oben seht ihr sehr schön die Messdrähte, mit denen die Bisskraft ermittelt wird.

Die Warane ziehen mit ihren Halsmuskeln ihren Kopf zurück, schütteln ihn und können – je nach Lage der Beute – zusätzlich auch noch ihre Beine einsetzen, um den ganzen Körper nach hinten zu ziehen. (In Fachsprache klingt das dann so: “Repetitive cranial-caudal ‘rocking’ movement due to the straightening and bending of the forelimbs, lateral shaking, sudden caudal ‘jerks’ of the head and neck, and/or back-pedaling pulled the carcass caudal”) Die maximale Kraft bei diesem Verfahren war, wenn das Fleischstück wie im Bild etwas erhöht befestigt war, mit gut 335Newton mehr als doppelt so hoch wie die maximale Bisskraft. Liegt die Beute dagegen flach am Boden, so dass der Waran eher nach oben ziehen muss, sind die Kräfte nur noch halb so groß.

Und was lernen wir nun daraus?

Ein Komodowaran, der seine Beute packt, reißt auf die beschriebene Weise den Kopf nach hinten. Die schmalen und an der Rückseite gezackten Zähne reißen dabei tiefe Wunden. Gerade wenn der Waran relativ große Beute wie Hirsche reißt, sind die hohen Kräfte beim Ziehen nach hinten und unten wichtig. Auch zum Zerlegen eines Kadavers ist die Technik gut geeignet – durch die starken Zugkräfte werden nicht nur Fleischbrocken herausgerissen, sondern der Kadaver auch noch in Teile zerlegt.

Und da Komodowarane ja nun mal ähnliche Zähne haben wie viele Raubsaurier, kann man ähnliche Überlegungen auch auf diese übertragen. Für den Allosaurus, der sehr kräftige Halsmuskeln hatte, gibt es verschiedene Ideen – er könnte wie mit einer Axt mit geöffnetem Maul Wunden geschlagen haben wie in diesem Bild

Allosaurus Jaws Steveoc86.jpg
By I, Steveoc 86, CC BY 2.5, Link

er könnte ähnlich wie der Komodowaran tiefe Wunden gerissen haben, und es gibt sogar die etwas absonderlich klingende Idee, dass die Allosaurier nur einzelne Stücke aus ihrer Beute rissen, die das aber überlebte – das wird als “flesh grazing” (“Fleischgrasen”) bezeichnet.

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Kommentare (14)

  1. #1 cydonia
    14. November 2011

    Ich wollte schon wegen der Überschrift meckern….du hast es dann aber relativiert und erklärt. Ein Bekannter hat vor Jahren eine schwere Handverletzung einem Komodo zu verdanken gehabt: die Narbe ist absolut beeindruckend.
    “Sanfter Biss”….Naja……

  2. #2 MartinB
    14. November 2011

    Sollte ja nur wie ein grottiger Horrorroman (tolles Wort…) klingen.

  3. #3 MartinB
    14. November 2011

    … und hat der Waren eigentlich nur gebissen oder auch gezogen?

  4. #4 cydonia
    14. November 2011

    Das ist eine gute Frage…..der Waran hat gar nichts gemacht, aber der Bekannte hat reflexartig die Hand zurückgezogen, was natürlich unvermeidbar aber dennoch fatal war.
    Vielleicht ist das Zuschnappen und Erstarren eine sinnvolle Technik gegenüber nervösen Säugern.

  5. #5 cydonia
    14. November 2011

    …und ich sollte Pause machen….habe mich vorhin gefragt was ein Horrorro-Man ist, wollte fast schon googeln…..

  6. #6 rolak
    14. November 2011

    Der Ehemann einer Rokokokokotte, cydonia 😉

    Lange Zeit glaubte man (..) Bakterien

    ok, ok, ich versuche es zu vergessen und durch den aktuellen Stand zu ersetzen…

  7. #7 Redfox
    14. November 2011

    …und ich sollte Pause machen….habe mich vorhin gefragt was ein Horrorro-Man ist, wollte fast schon googeln…..

    Did you mean “Herero-Man“?

  8. #8 michael
    15. November 2011

    > Did you mean “Herero-Man”?

    Ne, der wollte nicht die deutsche Kolonialzeit aufarbeiten.

    Der meinte Horror-Roman: das ist ein schrecklicher Römer.

  9. #9 a+
    15. November 2011

    @Cydonia: WTF? Was hast du für Bekannte? Weißt du, wie das behandelt wurde? Siehe auch: PNAS 106(22):8969-8974. (Martin, du kennst das, oder? “Sanfter Biss”, mein Hinterteil! Wohl kaum…)

    BWT, vor kurzem die BBC-Doku mit dem Büffelstalking gesehen. Harter Tobak, auch wenn’s wirklich sehr emotional ist. Dazu fällt mir dann jedes mal “Let there be Chicken” ein. Douglas fehlt. Mal wieder Zeit, das hier zu verlinken.

  10. #10 MartinB
    16. November 2011

    @a+
    Naja, sanft ist relativ – wenn die gelben Punkte oben im Bild im normalen Wirbeltierbereich lägen, wäre es halt noch böser.
    Danke für den Link auf das paper – ich kannte zwar den Inhalt, aber das paper selbst hatte ich nicht gelesen.

  11. #11 IO
    16. November 2011

    abo

  12. #12 Pete
    16. November 2011

    Lesenswert hierzu auch “Die Letzten ihrer Art” von Douglas Adams. Darin u.a. auch eine Reise nach Komodo zu den Waranen.
    Die neuesten, hier beschriebenen Erkenntnisse sind natuerlich nicht enthalten.

    Pete
    Auch hier schlug der seltsame Spamfilter zu – darf man Kommenatre nicht mit “Lesenswert” anfangen?

  13. #13 a+
    16. November 2011

    @Martin: gern. Das war ziemlich aufregend, weil Jahrelang die “venomenous”-Hypothese als völlig abwegig galt. Deswegen auch PNAS, schätze ich.

    Ich find’s übrigens erstaunlich, daß die sowas bei PLoS one publizieren, und nicht bei PLoS Biol. Oder gar bei einem klassischen Journal mit noch höherem Impact. Sind immerhin einige der PNAS-Autoren dabei, und ist nicht das einzige Komodo-Waran-paper bei PLoS. Da scheint sich ja echt was zu tun. 🙂 Vielleicht frei nach dem Motto: interessiert die Leute eh, dann können wir’s auch OpenAccess publizieren?

    Naja. Wenn ich die Ocken hätte, würde ich da auch publizieren – aber leider verkaufe ich meine Seele dem Teufel. Äh. Wiley. Springer. Elsevier. Whatever. 🙁
    Apropros “Whatever” – aus irgendwelchen Gründen hat dich unser Spamfilter nicht gemocht, tit mir Leid.

  14. #14 Gargle
    17. November 2011

    Liest sich mal wieder super weg. Klasse!