Nach all den vielen Gedankenexperimenten wäre es aber schick, auch mal “echte” Überlichtgeschwindigkeit zu beobachten, oder? Das geht – und gehört in der Astronomie inzwischen zum Alltag.
Quasare
Scheinbare Überlichtgeschwindigkeit kann man beobachten, wenn sich ein astronomisches Objekt – wie ein Quasar oder eine Supernova – mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu bewegt und dabei Material ausstößt. Florian hat vor einiger Zeit ein Beispiel hierfür ausführlich beschrieben. Deswegen ignoriere ich hier die astronomischen Details und erkläre nur, wie es prinzipiell funktioniert.
Stellt euch also vor, ein Quasar stößteinen Jet (also irgendwelches Material oder auch Licht, dass dann reflektiert wird) aus. Wählen wir die Geschwindigkeiten so, dass der Jet von uns aus gesehen genau unter 45° verläuft (Wikipedia rechnet es ausführlich für den allgemeinen Fall vor):
(Bild ist natürlich absolut nicht maßstabsgetreu.)
Wenn wir von der Erde aus gucken, dann dauert es eine Zeit, bis das Licht vom Quasar bei uns ankommt – sagen wir, es dauert 1 Jahr. Nehmen wir an, zu einer bestimmten Zeit erreicht uns der erste Lichtstrahl des Jets, der jetzt also noch ganz dicht am Quasar dran ist.
Eine Sekunde später hat sich der Jet ein Stück vom Quasar entfernt. Das Licht braucht jetzt aber weniger lange, um uns zu erreichen. Wenn der Jet zum Beispiel mit nahezu Lichtgeschwindigkeit (sagen wir 99,99%) dahinrast, dann braucht das Licht 0.7 Sekunden weniger (weil der Anteil der Geschwindigkeit in unsere Richtung 70% des Gesamtwertes ist, also 70% der Lichtgeschwindigkeit). Gleichzeitig entfernt sich der Jet in der Querrichtung um 0.7 Lichtsekunden vom Quasar (weil die Geschwindigkeitskomponente in der Richtung ebenfalls 70%c ist).
Von uns aus sieht es also so aus, als würde zu einem bestimmten Zeitpunkt der Jet entstehen. 0.3 Sekunden (weil das Licht 0.7 Sekunden früher eintrifft) später sehen wir, was der Jet nach einer Sekunde tut – da ist er aber schon 0.7 Lichtsekunden in Querrichtung unterwegs. Für uns sieht es also so aus, als würde er in 0.3 Sekunden eine Strecke von 0.7 Lichtsekunden zurücklegen, sich also mit mehr als doppelter Lichtgeschwindigkeit bewegen.
Solche scheinbare Überlichtgeschwindigkeit ist in der Astronomie inzwischen gang und gäbe und wird häufig beobachtet. Auch Gravitationslinsen, die ja quasi als Lupen wirken, können eine scheinbar überlichtschnelle Bewegung eines Objekts erzeugen.
Ihr seht also: Es gibt viele Möglichkeiten, “überlichtschnelle” Phänomene zu bekommen, die der Relativitätstheorie nicht widersprechen. Ein Problem ergibt sich erst dann, wenn ein Signal überlichtschnell übertragen wird, wenn es mir also gelingt, echte Information überlichtschnell von einem Punkt zum anderen zu bringen. Abgesehen von den aktuellen überlichtschnellen Neutrinos gibt es allerdings bisher keine Hinweise, dass so etwas möglich ist.
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