Greifvögel jedenfalls haben auch ziemlich beeindruckende Krallen. Der Paläontologe Denver Fowler und sein Team haben deswegen zunächst Greifvögelkrallen und ihre Funktion untersucht (auch dieses Paper ist frei verfügbar):
Schaut man sich die Krallen aus der Nähe an, dann ist die Ähnlichkeit zu den Schreckenskrallen der Dromaeosaurier schon ziemlich deutlich:
(Außerdem sind in dem Bild einige der vermessenen geometrischen Kenngrößen eingezeichnet.)
Die genaue statistische Analyse zeigte nun, dass eine große Kralle am zweiten (und auch am ersten) Zeh vor allem bei den Habichtartigen (Accipitridae) zu finden ist (A und B im Bild oben), während Falken (C im Bild) eher kleinere und in etwa gleich große Krallen haben. Eulen (D) haben generell wenig gekrümmte Krallen, Fischadler (E) dagegen stark gekrümmte. (Die Analyse in der Veröffentlichung ist wesentlich detaillierter als diese Kurz-Kurz-Fassung.)
Die größte Ähnlichkeit zu den Dromaeosauriern findet man also bei den Habichtartigen. Es lohnt sich also, mal zu schauen, was die eigentlich mit ihren Krallen so anstellen.
Habichtartige greifen ihre Beute (anders als Falken) meist am Boden oder zumindest in Bodennähe. Dabei wird die Beute gepackt, aber – anders als bei einem Falkenangriff mit hoher Geschwindigkeit – nicht schwer verletzt. Die Habichtartigen stehen nun also vor der Aufgabe, die gepackte Beute nicht zu verlieren und möglichst effizient still zu halten, damit sie sie mit ihrem Schnabel zerreißen können.
Bei kleinen Beutetieren wie Mäusen ist das relativ einfach – die können mit einem Fuß festgehalten werden. Bei größeren Beutetieren klappt das aber nicht mehr. In diesem Fall setzen sich die Vögel auf ihre Beute, die sie mit ihrem Körpergewicht zu Boden drücken. Dabei halten sie sich mit ihren Krallen fest, wobei die besonders großen “Schreckenskralle” wichtig wird, denn die sorgt dafür, dass der Greifvogel auch von stark zappelnder Beute kaum abgeworfen werden kann. Dabei hilft ihnen ihr vergleichsweise kurzer Mittelfuß (Metatarsus), der die Kraftübertragung erleichtert.
“Raptor the Ripper”
Diese Beobachtung kann man nun auf den Deinonychus übertragen. Weil die Beute festgehalten wird, wird diese Technik auch als “Raptor Prey Restraint” (kurz RPR oder “Ripper”) bezeichnet.
Zu untersuchen ist also, ob der Deinonychus von der Struktur seiner Klauen, Füße und von der sonstigen Biomechanik her seine Beute auf diese Weise festhalten konnte. Dieses Bild zeigt, wie man sich den Deinonychus als “Ripper” vorstellen kann:
Die einzelnen Buchstaben kennzeichnen dabei die jeweilige biomechanische Anpassung, die beim Festhalten der Beute helfen kann:
Der Fuß (A) ist groß genug und die Krallen lassen sich stark genug krümmen, um Beute effizient festhalten zu können. Eine detaillierte Analyse des Fußes (die einen großen Teil der Arbeit ausmacht) zeigt, dass dieser sich hervorragend zum Greifen eignete, also nicht bloß auf schnelles Laufen spezialisiert war wie bei anderen Dinosauriern. Hier ein entsprechendes Bild, das den Fuß in “Greifstellung” zeigt:
Der Fuß ähnelt von den geometrischen Abmessungen her auch am stärksten dem der Habichtartigen; ein gutes Indiz dafür, dass er auch so verwendet wurde.
Oben im Übersichtsbild zum RPR-Modell kennzeichnet B die “Schreckenskralle”, die zum Festhalten dient und ja der Ausgangspunkt der Untersuchung war. Das Körpergewicht hilft, die Beute herunterzudrücken (C), während der lange und versteifte Schwanz als Gegengewicht zum Balancieren nützlich war (D). Wie bei den Habichtartigen hilft der kurze Mittelfuß (E), die kRaft auf die Beute zu übertragen. Die Arme (G) beschirmen die Beute – das hindert sie am Entkommen und soll vielleicht auch vor anderen neugierigen Greifvögeln schützen – bei heutigen Vögeln bezeichnet man das als “Manteln”. Und schließlich wird der Kopf (H) eingesetzt, um die Beute zu zerreißen und dabei zu töten – Habichtartige pflegen ihre Beute oft lebend zu fressen, das könnte beim Deinonychus auch so gewesen sein. (Eine Sache, die bei Jurassic Park dann ausnahmsweise richtig gewesen wäre…)
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