Weicht dagegen ω2–k2 von m2 ab, dann erfüllt die Welle die richtige Energie-Impuls-Beziehung nicht. In diesem Fall spricht man von einem “virtuellen” Teilchen. (Manchmal sagt man auch, dass das Teilchen nicht “auf der Massenschale” ist.) Die Begriffe “reales” und “virtuelles” Teilchen werden sehr häufig verwendet – schaut man aber ganz genau hin, dann sind alle Teilchen, die wir beobachten, “ein bisschen” virtuell, denn einen gewissen Beitrag der Terme mit ω2–k2 ungleich m2 gibt es immer. Wenn dieser Beitrag aber für alle praktischen Zwecke im Rahmen jeder Messgenauigkeit verschwindet, dann spricht man eben von einem “realen” Teilchen. Auf hinreichend kurzen Raumzeitabständen kann es durchaus einen nennenswerten Beitrag eines “halben Teilchens” geben (also mit ω2–k2= m2/4), aber diese Abstände sind so winzig, dass wir die entsprechenden Effekte nie als ein Teilchen wahrnehmen, denn Teilchen impliziert ja, dass wir ein Objekt haben, dass sich von der Umwelt isolieren lässt.
Das ist übrigens mal wieder ganz typisch für Physiker: Sie denken sich Begriffe wie “virtuelles Teilchen” aus und unterscheiden sie von “realen Teilchen”, weil das konzeptionell einfach ist, auch wenn diese Unterscheidung sich gar nicht ganz strikt treffen lässt. Sie hilft der Anschauung (in der Sprache von Daniel Dennett nennt man so etwas eine “intuition pump” – Intuitionspumpe -, wobei Dennett den Begriff vor allem für Gedankenexperimente verwendet) und ist nützlich, wenn man sich ein grobes Bild machen will. Wenn’s dagegen hart auf hart kommt, dann greift man lieber zu den Formeln, in denen diese klare Trennung so nicht drin steckt.
Und auch diese Feinheit ist etwas, das in den meisten Quantenfeldtheoriebüchern nicht erklärt wird, da wird munter von “realen Teilchen” gesprochen, obwohl die streng genommen nur ein Grenzfall sind. In den Worten von Feynman, der sich auf Photonen bezieht:
Of course any photon that has a physical effect may be considered as a virtual photon since it is not observed unless it interacts, so that observed photons never really have ω=± k. There are, however, no difficulties in passing to the limit; physically, we know of photons that come from the moon, or the sun, for which the fractional difference between ω and k is very, very small.
[Natürlich kann jedes Photon, das einen physikalischen Effekt hervorruft, als virtuelles Photon betrachtet werden, denn es wird nicht beobachtet wenn es nicht wechselwirkt, so dass beobachtete Photonen niemals wirklich ω=± k erfüllen. Es macht aber keine Schwierigkeiten, zum Grenzfall überzugehen; physikalisch kennen wir Photonen die vom Mond oder der Sonne kommen und für die der Bruchteil an Differenz zwischen ω und k sehr sehr klein ist.]
(Quelle: “Feynman Lectures on Gravitation” – übrigens ein tolles Buch, über das ich auch noch mal was schreiben muss.)
Jetzt kann natürlich jemand kommen und sagen “Moment mal. Du schreibst ein paar Formeln hin, machst ein bisschen Formalismus und – Tusch, Applaus – plötzlich hast du bewiesen, dass es keine halben Elektronen geben kann? So ganz ohne Experiment, durch bloßes Nachdenken? Wie soll das denn gehen?”
Wenn ihr euch diese Frage gestellt habt: Glückwunsch zu eurer physikalischen Intuition. Der Einwand ist völlig berechtigt. Ich habe oben den Extra-Term eingeführt und jetzt gezeigt, dass er zur Teilchenmasse gehört. Würde man auch halbe Elektronen beobachten, dann müsste ich einen zweiten Extra-Term mit Parameter m/2 einführen, und würde man beliebige Bruchstücke von Elektronen beobachten können, dann müsste man ebenfalls einen entsprechenden Term einführen.
Mathematisch müsste man wohl eine Funktion m(μ) definieren und die Lagrange-Funktion um einen Term ∫ m(μ)^2 φ^2 d μ erweitern.
Berücksichtigt man noch die Elektronenladung, wird die Sache noch etwas komplizierter, weil die “halben” Elektronen vielleicht auch nur die “halbe” elektrische Ladung tragen würden, man müsste also an den entsprechenden Term auch eine passende Funktion dranbauen.
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