Unsichtbarkeit ist ja schon eine feine Sache. Genauso praktisch wäre es natürlich, wenn euer Erzrivale und Fernschachgegner glaubt, er würde euch lückenlos überwachen, während ihr in Wahrheit ganz woanders seid. Ein solches Phänomen wurde vor kurzem technisch realisiert – jedenfalls in sehr kleinem Maßstab.
Das ganze verwendet ziemlich raffinierte Tricks aus der modernen Optik (von denen ich bisher auch noch nie gehört hatte). Ich erkläre es erst einmal mit einer Analogie, die aus dem Begleitartikel in nature stammt:
Stellt euch vor, ihr wolltet herausfinden, ob auf einer Straße irgendwo eine Baustelle ist. Ihr könnt den Ort der Baustelle (wenn denn eine da ist) selbst nicht sehen, wohl aber den Bereich davor und dahinter. Vor der Baustelle fahren die Autos alle in gleichmäßigem und konstantem Tempo. An der Baustelle gibt es – na klar – einen Stau und die Autos werden langsamer. Entsprechend beobachtet ihr – wenn eine Baustelle da ist – dass der Autostrom unterwegs irgendwo verzögert wird.
Wenn jemand die Baustelle vor euch verbergen will, dann könnte er den Autostrom einfach umleiten – beispielsweise auf eine Umgehungsstraße. Das entspricht der “Unsichtbarkeit”. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Autos hinter der Baustelle hinreichend zu beschleunigen – vor der Baustelle bremsen sie etwas ab, hinterher beschleunigen sie und fahren kurzzeitig schneller als mit ihrer normalen Geschwindigkeit und holen so die Verzögerung wieder auf. Das ist so etwa das Prinzip des Zeitverstecks (im Englischen “time cloak” genannt).1
1Fans von Perry fühlen sich vielleicht beim Begriff “Zeitversteck” an das Antitemporale Gezeitenfeld erinnert, aber das funktioniert ganz anders.
Wie gesagt, beim “time cloak” arbeitet man natürlich nicht mit Autos, sondern mit Licht. Der zu beobachtende Bereich wird kontinuierlich mit Licht bestrahlt und am anderen Ende kommt auch ein kontinuierlicher Lichtstrahl an. Trotzdem wird das Licht unterwegs “unterbrochen” und es entsteht eine “Lücke” im Lichtstrahl, die wieder geschlossen wird.
Damit das klappt, muss man drei Dinge tun: Man muss den kontinuierlichen Lichtstrahl irgendwie an einer Stelle “unterbrechen”. Dann muss man den vorderen Teil des Strahls beschleunigen, den hinteren abbremsen. So entsteht eine “Lücke” im Strahl, in der wir unsere raffinierten Pläne vor dem beobachtenden Erzrivalen (und Fernschachgegner) verbergen können. Hinterher muss man den hinteren Teil des Strahls wieder beschleunigen und den vorderen abbremsen, so dass wieder ein lückenloser Gesamtstrahl entsteht.
Aber hat Licht nicht immer dieselbe Geschwindigkeit? Heißt es nicht ständig und allerorten, dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist?
Stimmt schon, aber das gilt nur für die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. In einem optischen Medium (Physikersprech für “durchsichtiges Zeugs”) ist die Lichtgeschwindigkeit kleiner als im Vakuum. Dass das zur Lichtbrechung führt, habe ich vor ein paar Monaten im Zusammenhang mit der Unsichtbarkeit am Beispiel des Rettungsschwimmers David H. schon erklärt.
Für uns hier ist wichtig, dass die Lichtgeschwindigkeit in einem optischen Medium nicht nur kleiner ist als im Vakuum, sondern vor allem, dass ihre Geschwindigkeit von der Wellenlänge abhängt. Meistens ist sie um so kleiner, je kleiner die Wellenlänge der Welle ist, aber das ist nicht zwingend so und es gibt auch Medien, in denen es genau umgekehrt ist. Wenn die Lichtgeschwindigkeit von der Wellenlänge abhängt, spricht man übrigens auch von Dispersion.
Licht unterschiedlicher Wellenlängen bewegt sich also durch Glas unterschiedlich schnell. Fangen wir mit Licht einer bestimmten Wellenlänge an, dann können wir eine Lücke im Wellenzug erzeugen, wenn wir lokal an einer Stelle die Wellenlänge ändern, nämlich so, dass sie vorn im Lichtstrahl kürzer wird und hinten länger. (Wie man das macht, diskutieren wir gleich.) Den Übergang zwischen den Wellenlängen machen wir dabei hübsch graduell. Dieses Bild hier (aus dem Nature-Begleitartikel) zeigt das Prinzip:
Dann schicken wir das Licht durch ein optisches Medium (eine Glasfaser), in dem die vordere (kurzwellige) Hälfte schneller läuft als die hintere (langwellige). So entsteht eine Lücke im Lichtstrahl (die Pfeile veranschaulichen, wie die Trennlinie zwischen langer und kurzer Wellenlänge auseinanderläuft):
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