Zunächst einmal hat der Drehimpuls (oder auch “Spin”) des Elektrons immer genau denselben Wert. Wenn ihr den Spin des Elektrons messt, dann hat er immer einen Wert von ħ/2. (Da ein Drehimpuls die Einheit Länge mal Impuls hat, kann man ihn in Einheiten von ħ angeben – denn die Wirkung hat dieselbe Einheit. ħ ist natürlich wie immer in der Quantenphysik das Wirkungsquantum h, geteilt durch 2π.)
Na und? Ist doch in der Quantenmechanik üblich, dass Größen quantisiert sind, oder nicht? Auch der Bahndrehimpuls ist doch quantisiert, so sind ja Stern und Gerlach überhaupt nur auf ihr Experiment gekommen (wenn auch mit leicht fehlerhaften Annahmen).
Richtig. Ein Elektron, das mit einer bestimmten Energie stabil an ein Atom gebunden ist, hat ebenfalls einen genau festgelegten Wert des Bahndrehimpulses. Ich kann aber dem Elektron Energie zufügen und so seinen Bahndrehimpuls erhöhen, und zwar prinzipiell auf beliebig große Werte. Ich kann seinen Bahndrehimpuls auch verringern – tatsächlich sogar auf Null (was dann das Bild der planetenartigen Bahnen etwas zweifelhaft werden lässt, nicht wahr?)
Beim Elektronenspin ist das anders. Ihr könnt gegen das Elektron gegentreten, es schütteln, mit Magnetfeldern traktieren oder was auch immer – sein Spin hat immer dieselbe Größe, eben ħ/2. (Ihr könnt allerdings die Richtung des Spins ändern – darauf beruhte ja der Einstein-de-Haas-Effekt.)
Pauli hatte – als ihm der Vorschlag des Elektronspins gemacht wurde – noch ein anderes Gegenargument: Wenn das Elektron eine kleine geladene Kugel wäre, die sich dreht, dann müsste sich die Oberfläche der Kugel mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Grund genug für ihn, das Konzept zunächst abzulehnen. Später dann akzeptierte er es und leistete wichtige Beiträge zur Spintheorie (weswegen auch die berühmten Spin-Matrizen, mit denen jeder Physikstudi rechnen muss, als Pauli-Matrizen bezeichnet werden.)
Überhaupt ist die Idee eines “rotierenden” Elektrons problematisch. Nach allem, was wir wissen, sind Elektronen “punktförmig” – genauer gesagt kann man ein Elektron in einem nahezu beliebig kleinen Raum einsperren. Macht man beispielsweise Stoßexperimente, bei denen man Elektronen gegen andere Teilchen schießt (etwa gegen Protonen – das wurde in den Neunziger Jahren bei HERA in Hamburg gemacht), dann kann man so zwar die Substruktur des Protons untersuchen (das aus drei Quarks und jeder Menge Gluonen und so Zeugs besteht), aber das Elektron verhält sich genau, wie man es für ein punktförmiges Teilchen erwarten würde. Sein Radius – wenn es denn einen hat – muss also sehr klein sein, was es dann wiederum schwierig macht, sich vorzustellen, wie es dann seinen Drehimpuls mit sich herumträgt.
Auch die Größe des magnetischen Moments passt nicht. Ein Elektron, das in einem Wasserstoffatom einen Bahndrehimpuls von 1ħ hat, hat durch den Bahndrehimpuls ein bestimmtes magnetisches Moment, das man auch messen (und berechnen) kann. Man sollte erwarten, dass der Spin, der mit ħ/2 nur halb so groß ist, auch zu einem halb so großen magnetischen Moment führt – das wäre jedenfalls logisch.
So ist es aber nicht. Das magnetische Moment, das durch den Elektron-Spin zu Stande kommt, ist zu groß, und zwar etwa um einen Faktor 2. Das war übrigens auch der Grund, warum Stern und Gerlach meinten, mit ihrem Experiment sei alles im grünen Bereich – sie hatten ein bestimmtes magnetisches Moment zu einem Bahndrehimpuls von ħ erwartet und ziemlich genau dieses magnetische Moment auch gemessen. Zu ihrem Glück (oder Unglück – vielleicht wären sie ja sonst selbst auf die Idee des Spins gekommen) hoben sich hier zwei Fehler gegenseitig auf: Der Drehimpuls eines Elektrons mit Spin ist nur halb so groß wie der erwartete Bahndrehimpuls, dafür ist das magnetische Moment aber doppelt so groß wie man es für diesen Drehimpuls erwarten würde.
Dieser zusätzliche Faktor von etwas mehr als 2 wird auch oft g-Faktor genannt. Er ist übrigens eine der am genausten bestimmten physikalischen Größen überhaupt. Sein Wert beträgt
2.002 319 304 361 53 +/- 0.000 000 000 000 53
Das ist so genau, als würde man die Entfernung Erde-Mond auf einen Zehntel Millimeter (etwas mehr als die Dicke eines Haares) kennen.
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