1. Warum der ganze Bohei um den Spin? Warum ist dieser seltsame Spin eigentlich so wichtig, dass man extra seinetwegen Namen für Teilchengruppen einführt?
2. Wenn es Teilchen mit Spin ħ/2 gibt und solche mit 2ħ, gibt es dann auch welche mit anderen Werten, beispielsweise ħ/3 oder 0.6754ħ?
Die beiden Fragen hängen – auch wenn man das auf den ersten Blick nicht sieht – eng zusammen. Es ist eins der wichtigsten (vielleicht sogar das wichtigste) Ergebnisse der Quantenfeldtheorie1:
Jedes Teilchen ist entweder Fermion oder Boson. Fermionen haben die Eigenschaft, dass nie zwei im exakt selben Zustand sein können; Bosonen dagegen sind bevorzugt im selben Zustand.
1Das gilt für unsere normale Welt mit drei Raumdimensionen. Wäre unsere Welt zweidimensional, dann könnte es auch andere Teilchen geben, die irgendeinen Spinwert hätten. Die haben den schönen Namen Anyonen. Als Elementarteilchen gibt es sie in unserer Welt nicht, aber man kann sie zum Beispiel in quasi-zweidimensionalen Halbleiterstrukturen finden. Wikipedia hat ein bisschen was darüber.
Was bedeutet das? Fangen wir mit den Fermionen an. Zwei Elektronen können nie im selben Zustand sein. Wenn wir beispielsweise ein Elektron und ein Proton zusammenbringen, dann wird das Elektron den energetisch günstigsten Zustand einnehmen – es bildet sich ein Wasserstoffatom. Auch ein zweites Elektron kann in diesen Zustand, wir haben dann ein negativ geladenes Wasserstoff-Ion. Das geht deswegen, weil die beiden Elektronen ihre Spins entgegengesetzt ausrichten können.
Genau so ist es, wenn wir statt der einen Protons einen Helium-Kern mit zwei Protonen verwenden. Es bildet sich ein Helium-Atom mit zwei Elektronen im Grundzustand.
Für ein drittes Elektron ist in diesem Zustand aber kein Platz, es müsste in einen höher-energetischen Zustand. Nehmen wir einen Atomkern mit drei Protonen (Lithium), dann können die drei zum Atom gehörigen Elektronen nicht alle in den selben Zustand – eins von ihnen muss auf ein höher-energetisches Niveau ausweichen. Deswegen ist das dritte Elektron im Lithium nur schwach gebunden – Lithium ist dadurch ein Metall.
Ohne die Regel, dass Fermionen nie denselben Zustand einnehmen können (auch Pauli-Prinzip genannt) könnte man also nicht verstehen, warum es so viele verschiedene chemische Elemente gibt. Wären Elektronen Bosonen, dann würden sie sich alle im niedrigst-energetischen Niveau befinden, alle chemischen Elemente wären im wesentlichen gleich – Chemie oder gar Leben, wie wir es kennen, wären völlig undenkbar.
Umgekehrt verdanken wir der Tatsache, dass Bosonen bevorzugt denselben Zustand einnehmen können, Phänomene wie Laser (in einem Laserstrahl sind alle Photonen im identischen Zustand, deswegen ist er so scharf fokussiert und hat genau eine Farbe) oder Supraleiter (in einem Supraleiter schließen sich immer zwei Elektronen zu einem Paar zusammen – das Paar ist dann ein Boson und alle diese sogenannten Cooper-Paare sind im selben Zustand (wobei allerdings die einzelnen Elektronen alle unterschiedliche Zustände haben)) sind ohne den “Herdentrieb” der Bosonen, die bevorzugt im selben Zustand sind, nicht möglich.
Ihr seht also: Der Spin ist eine etwas rätselhafte, aber extrem wichtige Eigenschaft der Teilchen. Er erweckt ein bisschen den Eindruck, als würden sich die Teilchen um ihre Achse drehen wie Kreisel, aber wenn man genau hinguckt, sieht man, dass dieses Bild etwas schief ist.
Natürlich gibt es noch viel mehr über Spins zu sagen – beispielsweise gilt für sie eine besondere Unschärferelation. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden…
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