OPERA hatte diesen neuen Aufbau auch verwendet und damit die alten Ergebnisse zunächst bestätigt. Das zeigte, dass die statistische Zuordnung nicht das Problem war, sondern dass der Fehler – wenn es denn einer war – woanders stecken musste.
Zusätzlich wurden der neue Aufbau aber auch vom ICARUS-Experiment verwendet. Das ICARUS-Team hat ebenfalls mit Hilfe des GPS-Systems eine möglichst exakte Zeit- und Abstandsbestimmung aufgebaut und so ebenfalls die Neutrinogeschwindigkeiten gemessen. Details findet ihr in der unten verlinkten Veröffentlichung – aber ich verstehe nicht genug von solchen Zeitmessungen, um euch die Details erklären zu können. (Was ist denn ein “kicker magnet”? Kick it like Faraday? Und wie diszipliniert man ein GPS System: “a GPS system ESAT 2000 disciplined with a Rubidium oscillator” – “wenn du nicht genau genug misst, kriegst du Haue mit ner Rubidium-Stange”?)
Und hier ist das Ergebnis:
Aus Antonello et al. s.u.
Aufgetragen sind die Häufigkeit der gemessenen Neutrinos gegen die Flugzeit. Die Flugzeit auf der horizontalen Achse ist dabei so normiert, dass ein Wert von 0 gerade der erwarteten Lichtgeschwindigkeit entspricht. Die Werte sind jeweils in 10-Nano-Sekunden-Blöcken zusammengefasst. Es gab also 3 Ereignisse, die um 0 bis zehn Nanosekunden zu schnell waren, 2 die um 0 bis 10 Nanosekunden zu langsam waren usw. (Dass nicht alles exakt bei 0 liegt, liegt natürlich an zu erwartenden Messfehlern bzw. Ungenauigkeiten in der Messapparatur.) Man erkennt, dass die OPERA-Ergebnisse systematisch um 60 ns zu schnell sind (damit ging der Ärger ja los) – die ICARUS-Ergebnisse liegen aber exakt auf dem erwarteten Wert.
Ist damit alles im grünen Bereich? Sicherlich ist das Ergebnis das, was die meisten erwartet hatten (und was ja auch mit zum Beispiel den Neutrinos der Supernova-Explosion von 1987 in Einklang steht). Trotzdem denke ich, dass eine Bestätigung mit anderen Experimenten eine gute Idee bleibt – beispielsweise in Japan und den USA. Warum? Gerade weil jeder dieses Ergebnis erwartet, besteht natürlich immer die Gefahr, dass man unbewusst irgendwo einen Fehler eingebaut hat oder dass man zum Beispiel solange Fehlerkorrekturen eingebaut hat, bis man den erwarteten Wert erreichte und dann aufgehört hat. Ich halte das nicht gerade für wahrscheinlich, aber da die Experimente ohnehin schon laufen, sollte man auf Nummer sicher gehen.
Wie es aussieht, ist die Relativitätstheorie also bestätigt. Einerseits natürlich beruhigend – unser physikalisches Weltbild ist anscheinend in diesem Punkt in Ordnung. (Noch – irgendwann wird wohl auch die Relativitätstheorie an ihre Grenzen stoßen, spätestens, wenn es zu extrem kleinen Distanzen von der Größe der hypothetischen Superstrings geht.) Irgendwie aber auch schade – Neutrinos die überlichtschnell unterwegs sind oder die bei ihrer Entstehung ein paar zehn Nanosekunden in die Vergangenheit geschleudert werden, wären natürlich total cool gewesen. Aber wir können uns die Ergebnisse unserer Experimente ja nicht aussuchen – in den Worten von Richard Feynman “Nature cannot be fooled” (“Die Natur kann man nicht austricksen”)
Antonello et al.
Measurement of the neutrino velocity with the ICARUS detector at the CNGS beam
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