Wenn wir dagegen eine Nuss zerbeißen, dann tun wir das mit den Backenzähnen. Die sind zwar tendenziell flach, haben aber auch einzelne Erhöhungen, die die Bisskraft konzentrieren und die auch das Zermahlen unserer Nahrung ermöglichen. Diese Erhöhungen sind sehr fein auf einander abgestimmt und passen in Ober- und Unterkiefer genau aufeinander – wenn ihr eine Füllung bekommt, dann sagt eure Zahnärztin “Bitte mal zubeißen” und wenn ihr dann merkt, dass sich das komisch anfühlt, dann schleift sie die Füllung noch etwas ab, bis alles genau passt. Das ist übrigens eine Spezialität von uns Säugetieren.
Unsere Backenzähne sind ideal geeignet, um sehr harte Objekte wie Nüsse kleinzukriegen – wegen ihrer flachen Oberseite mit den Spitzen sind sie selbst nicht sehr bruchgefährdet. Zudem sitzen sie hinten im Kiefer, wo die Kraft größer ist, denn es gilt beim Zubeißen das Hebelgesetz: Wenn ihr vorn zubeißt, dann habt ihr einen langen Hebelarm, die aufgebracht Muskelkraft wirkt also mechanisch eher ungünstig. (Dafür ist das Zubeißen aber schneller – ein Grund, warum Krokodile lange Schnauzen haben.) Weiter hinten dagegen ist der Hebelarm beim Beißen kürzer, die wirkende Kraft auf das zu zerbeißende Objekt ist also höher.
Und noch etwas können wir aus unseren Selbstversuchen ableiten, bevor wir uns dann dem Beiß-Duell zuwenden: typischerweise ist beim kräftigen Zubeißen nur ein Zahn belastet. Das ist wichtig, weil in den Veröffentlichungen immer die “Bisskraft pro Zahn” angegeben wird – man darf nicht etwa auf die Idee kommen, diese Kraft mit der Zahl der Zähne multiplizieren zu wollen, um eine “Gesamtbisskraft” zu berechnen.
So, nun aber genug der Vorrede. Schauen wir zunächst auf die Arbeit von Bates und Falkingham. Die beiden haben eine moderne Biomechanik-Software verwendet, die man ansonsten meist für die Analyse von Bewegungen benutzt. Die haben sie zunächst mit einem Computertomogramm eines Tyrannosaurier-Schädels gefüttert (und – um ihre Rechnungen auch verifizieren zu können – ebenfalls mit denen eines Alligators und eines Menschen).
Anschließend haben sie die Muskeln rekonstruiert und in das Modell eingebaut. Dieses Bild hier zeigt links den Schädel mit rekonstruiertem Gewebe, rechts ist dargestellt, wie die Muskeln mechanisch wirken (also wo sie jeweils ansetzen), denn das ist das, was das Programm zur Berechnung wissen muss:
Quelle: Bates&Falkingham, s.u.
Anders als bei den meisten bisherigen Simulationen (jedenfalls denen, die ich kenne), wurde das Problem dynamisch simuliert – es wurde also nicht nur die dauerhaft erzeugbare Bisskraft berechnet, sondern auch der Prozess des Zuschnappens mitsimuliert. Weil sich dabei die Kiefer zunächst mit hoher Geschwindigkeit bewegen und dann abrupt gestoppt werden, ergibt sich dabei eine Kraftspitze, bis sich dann ein stationärer Wert einstellt. Die unten angegebenen Zahlen für die maximale Bisskraft sind aber die dauerhaften Kräfte. Gemessen wurde immer an einem Zahn hinten im Kiefer, da, wo der Hebelarm kurz und die Kraft hoch ist.
Weil in ein solches Modell natürlich immer eine Menge Annahmen eingehen, haben sie außerdem die wichtigsten Parameter (Muskelmasse, Kontraktionsgeschwindigkeit, Muskelfaserlänge und Ausrichtung der Muskelfasern) variiert, um zu sehen, wie stark das die Ergebnisse beeinflusst. In den Pressemitteilungen findet man meist nur eine Zahl, tatsächlich haben solche Rechnungen, wenn sie korrekt gemacht werden, aber immer eine Streubreite, die auch durchaus groß sein kann. Damit man aus so einer Simulation mehr lernt als nur eine Zahl, sind solche Parametervariationen immer sehr hilfreich – man kann dann direkt sehen, welche Parameter einen starken und welche einen schwachen Einfluss auf das Ergebnis haben und so prüfen, ob man eigentlich versteht, was da passiert. (Bei meinen eigenen Simulationen im Werkstoff-Bereich habe ich meist mit ähnlichen Problemen zu tun.)
In diesem Fall entspricht der Einfluss der untersuchten Parameter den Erwartungen: Erhöht man die Muskelmasse, dann erhöht sich die Kraft, allerdings verringert sich – wegen der höheren Masse – die Geschwindigkeit, mit der zugeschnappt werden kann. Die Länge der Muskelfasern und ihre maximale Kontraktionsgeschwindigkeit haben auf die dauerhafte Bisskraft kaum Einfluss, wohl aber auf die anfängliche Kraft beim Zuschnappen.
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