Hier nun das Ergebnis für eine Position in der Kiefermitte – mit eingezeichneten Fehlerbalken, die den Einfluss der Parametervariationen angeben:
Quelle: Bates&Falkingham, s.u
(Leider enthält das Bild zwei Schönheitsfehler: “Gigantosaurus” soll ziemlich sicher “Giganotosaurus” heißen, “Carnotosaurus” ist sicherlich “Carnotaurus”.)
In grau sind die Ergebnisse bisheriger Studien eingetragen, in weiß die der aktuellen. Ganz oben steht T. rex und ihr könnt sehen, dass die Bisskraft in dieser Studie wesentlich über der liegt, die man früher abgeschätzt hat. Das liegt vor allem daran, dass die Muskelmasse größer angesetzt wurde, was auf neueren Rekonstruktionen der Muskeln beruht.
Rechnet man das Ergebnis auf eine Zahnposition weiter hinten im Kiefer um, wo die größten Kräfte zu erwarten sind, so kommt man auf Kräfte zwischen etwa 35000 und 57000 Newton. (Warum Biologen bei solchen Größen immer 5 zählende Stellen angeben, wenn die Fehlerbalken so riesig sind, erschließt sich mir irgendwie nicht – im paper steht als Maximalwert 57158, aber die letzten Ziffern sind nichts als numerisches Kaffeesatzlesen.)
57000 Newton entspricht einer Gewichtskraft von etwa 5800kg – stellt euch also vor, dass das gesamte Körpergewicht des T. rex auf einem einzigen Zahl konzentriert ist. Jetzt wisst ihr auch, warum der oft gelesene Satz “Tyrannosaurus-Zähne waren scharf wie Steakmesser” Blödsinn sein muss – wenn sie das wären, würden sie bei der Belastung zerbrechen wie Zahnstocher. Nein, diese Zähne sind schon eher massiv:
By John R. Horner, Mark B. Goodwin, Nathan Myhrvold – https://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0016574, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14582518
Ihr seht auch, dass die Bisskraft von Säugetieren eher mäßig toll ist – ein Löwe bringt es gerade mal auf etwas mehr als 4000 Newton, auch eine Hyäne reißt nicht viel mehr. Das liegt nicht nur daran, dass die wesentlich kleiner sind als ein T. rex (obwohl das auch eine Rolle spielt), sondern auch daran, dass Säugetiere mit ihren Zähnen generell etwas schonender umgehen müssen als Reptilien, weil Säugetiere ja nicht ständig neue Zähne nachwachsen lassen können. (Dafür passen dann bei Säugetieren wiederum die Zähne perfekt ineinander, das ist für ein Reptil schwierig zu realisieren.)
Soweit also der Herrscher der Dinosaurier. Kommen wir nun zum König der Krokodile. Es ist eine der erstaunlichen Tatsachen der modernen Biologie, dass viele naheliegende Experimente (noch) nicht gemacht sind. Bis zur Arbeit von Erickson und Kollegen gab es nur wenige Daten über die Bisskraft der 23 heute lebenden Krokodilarten; wenn im Artikel kein Unsinn steht, dann wurde die Bisskraft ausgewachsener Krokodile bis dato nur für den Alligator gemessen.
Spekulationen und Simulationen über die Bisskraft gab es allerdings schon. Insbesondere ging man davon aus, dass Krokodilarten mit eher schlanken und wenig massiven Köpfen beim Zubeißen höhere Spannungen im Schädel entwickeln würden (das zeigen jedenfalls Rechnungen ähnlich wie die zum T. rex), so dass diese Arten tendenziell eher schwach zubeißen. (Wobei “schwach” natürlich relativ ist…)
Hier mal zum Vergleich die Köpfe von Gavial, Alligator und Spitzkrokodil:
By Hbk33 (Based on work of Tomascastelazo, Postdlf and Greverod and of Knilob in Flickr – Own work, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3351203
Es ist schon ziemlich deutlich, dass der Gavialkopf eher grazil ist und es deswegen plausibel ist, dass Gaviale eher schwach zubeißen. Die Computersimulationen legten jedenfalls nahe, dass die Bisskraft um so stärker sein sollte, je massiver der Schädel ist. Aber – wie gesagt – Daten dazu lagen bisher nicht vor.
Mit diesem Missstand haben Erickson et al. aufgeräumt, und zwar gründlich. Sie haben Daten für sämtliche 23 Arten aufgenommen, so dass die Spekulationen nun beendet sind. (Vom Publikations-Karriere-Standpunkt aus gesehen ist das natürlich extrem ungeschickt – sie hätten ihre Daten ja locker auf 5 oder mehr Publikationen verteilen können, aber zum Glück hat Greg Erickson das nicht nötig, den kennt eh jeder.) Sie haben jeweils an zwei Stellen gemessen: Zunächst relativ weit vorn im Kiefer, da, wo das Krokodil typischerweise zuschnappt .Wegen des langen Kiefers ist hier die Kraft klein, aber die Geschwindigkeit des Zuschnappens hoch, was sinnvoll ist, um die Beute erstmal zu packen. Und dann weiter hinten, da, wo Krokodile dann typischerweise zubeißen, wenn sie die Beute mit möglichst großer Kraft zerbeißen wollen. Die Stellen sind hier in diesem Bild hell markiert:
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