Bringen wir unsere Stimmgabel in Kontakt mit einem System, mit dem sie Energie (also Quanten) austauschen kann, dann sagen die Regeln der Quantenmechanik, dass folgendes gelten muss: Haben wir N Quanten in der Stimmgabel, dann ist die Wahrscheinlichkeit, ein Quant an das äußere System abzugeben, durch C·N gegeben, wobei C ein Koeffizient (“Koeffizient” ist Physikerinnensprech für “Eine Zahl, die ich vermutlich berechnen könnte, wenn ich Lust hätte, deren Wert mir aber gerade egal ist”) ist, der etwas über die Wechselwirkung mit dem äußeren System aussagt.
Die Wahrscheinlichkeit, stattdessen ein Quant aus dem äußeren System zu absorbieren, beträgt dagegen C·(N+1). Aufnahme und Abgabe von Energie sind also nicht symmetrisch, es ist wahrscheinlicher, ein Quant von außen aufzunehmen als eins abzugeben. (Im Extremfall N=0 kann nur Energie aufgenommen, aber keine abgegeben werden.)
Und wieder ein Hinweis an die Expertinnen: Man kann das auch so ausdrücken, dass Phononen Bosonen sind und deswegen die Wahrscheinlichkeit, ein weiteres Phonon in einen bereits besetzten Zustand zu emittieren, erhöht ist.
In einem klassischen System ist das anders – da hier die Energie nicht quantisiert ist, ist die Wahrscheinlichkeit für Aufnahme und Abgabe von Energie immer dieselbe. (Der Extremfall Energie=0 gilt nicht, da unser System immer eine bestimmte Temperatur hat und deswegen immer ein bisschen Schwingungsenergie enthält, von der man beliebige Mengen entnehmen könnte. Quantenmechanisch dagegen ist bei hinreichend niedriger Temperatur der Grundzustand erreicht und das System schwingt einfach gar nicht.)
Und noch ein Hinweis an die Expertinnen: Ich vernachlässige hier die ganze Zeit die Nullpunktsenergie hν/2, weil die hier keine Rolle spielt – aus ihr kann man keine Quanten absorbieren.
Um also die quantenmechanischen Eigenschaften einer Stimmgabel nachzuweisen, muss man folgendes tun:
1. Passende Stimmgabel bauen
2. Stimmgabel auf sehr niedrige Temperaturen abkühlen, so dass N sehr klein ist.
3. Stimmgabel in Kontakt mit einem System bringen, mit dem sie Energiequanten austauschen kann.
4. Messen, wie viele Quanten die Stimmgabel im Schnitt aus dem System absorbiert und emittiert.
5. Aus der Messung berechnen, ob tatsächlich mehr Quanten absorbiert als emittiert werden und das Ergebnis mit der Vorhersage der Quantenmechanik vergleichen.
Die einzelnen Schritte sind dabei zum Teil extrem trickreich (einige sind sooo trickreich, dass ich selbst nicht alle Details verstanden habe (wer sich mal richtig gruseln will, der kann sich die Schemazeichnung zum Versuchsaufbau angucken, das ist was für die Hardcore-Experimentalisten (schauder)), aber ich hoffe, die prinzipiellen Ideen gebe ich korrekt wieder).
1. Passende Stimmgabel bauen
Hier ist erstmal unsere Quanten-Stimmgabel:
Alle Bilder dieses Artikels aus: Safavi-Naeini et el., s.u.
Es handelt sich um eine Struktur aus Silizium, die an einem äußeren “Rahmen” befestigt ist. Offiziell heißt so etwas natürlich nicht “Stimmgabel”, sondern “optomechanical cavity” – Optomechanischer “Hohlraum” (in Physikerinnenkreisen wäre eigentlich wohl “Kavität” üblicher, klingt aber auch irgendwie doof.).
“Mechanisch” liegt natürlich daran, dass das Ding schwingen kann. Wenn man es zum Schwingen anregt, gibt es verschiedene mögliche Schwingungsmuster, das, das uns hier interessiert, ist das, wo die Stimmgabel in der Mitte (wo die Löcher am kleinsten sind) ihre Breite verändert. So sieht diese Schwingung (in einer Computerberechnung und arg übertrieben, damit man was erkennt) aus:
Diese Schwingung ist es, die wir anregen und deren Quantisierung wir untersuchen wollen.
Aber das Ding ist ja nicht bloß mechanisch, sondern “opto-mechanisch” – das hat natürlich was mit Optik zu tun. Wir müssen ja irgendwie Energie mit einem anderen System austauschen, um Quanten zu klauen oder reinzustecken.
Dieses andere System ist ein System aus Photonen. Lichtwellen können mit der Stimmgabel wechselwirken, denn Licht ist ja eine elektromagnetische Welle. (Ja, ich werfe hier in einem Satz wieder das Teilchenbild und das Wellenbild vom Licht durcheinander – das ist aber hier zulässig.) Eine elektromagnetische Welle kann sich passend zu den Löchern in unserer Stimmgabel anordnen, was das so aussieht:
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