Wie ihr daraus seht, ist die Frage, wie genau man das Vakuum am besten interpretiert, nicht eindeutig geklärt. (Ziemlich eindeutig geklärt sind allerdings die notwendigen Rechenvorschriften – deswegen bekommen auch alle PhysikerInnen dasselbe raus, wenn sie Prozesse berechnen, auch wen sie sich über die Interpretation der Gleichungen nicht ganz einig sind.)
Eins ist aber auf jeden Fall auch hier klar: Solange ihr keine Messung macht und damit den Vakuumzustand stört, ist der Vakuumzustand eindeutig und ändert sich nicht mit der Zeit. Auch hier gibt es keine Vakuumfluktuationen.
Die Idee mit den Vakuumfluktuationen kommt wohl daher, dass man sich beispielsweise das Pfadintegral anschaut – da wird ja über jede denkbare Feldkonfiguration integriert, und diejenigen, die dicht am “klassischen” Vakuum liegen, tragen besonders stark bei. Diese Feldkonfigurationen fluktuieren natürlich jede für sich. In der Summe aber mitteln sich all diese Fluktuationen so heraus, dass ein zeitunabhängiger Zustand entsteht. Wie der genau aussieht, zeige ich beim nächsten Mal. (Alternativ kann man sich das auch mit Feynman-Diagrammen veranschaulichen – eigentlich wollte ich die längst erklärt haben, aber mir ist Nichts dazwischen gekommen.)
Vakuumfluktuation ist also eine hübsche Umschreibung der Tatsache, dass im Vakuum das Feld nicht einfach verschwindet, sondern eine komplizierte Überlagerung aus allen möglichen Feldzuständen ist. “Fluktuieren” tut da aber nichts, denn das Wort impliziert ja eine zeitliche Änderung. Trotzdem werde ich das Wort vermutlich in Zukunft verwenden, falls mir kein anderes einfällt: ihr wisst dann ja, wie es zu verstehen ist.
Eine überraschende Wiederbegegnung
Auf jeden Fall können wir aus der Korrelationsfunktion einiges über unser Quantenfeld lernen, das ist hoffentlich deutlich geworden. Und tatsächlich ist die Korrelationsfunktion in Wahrheit ein alter Bekannter, der uns schon oft begegnet ist.
Wenn ihr noch einmal auf die Formel schaut, dann könnt ihr die auch so interpretieren: Zuerst wird am Ort x bei t=0 eine Feldanregung erzeugt, und dann wird am Ort y zu einer späteren Zeit geguckt, welche Auswirkung das hat. Erinnert euch das an etwas? Der Propagator, den wir vor einiger Zeit eingeführt haben, war eine Größe, die genau dasselbe tat, auch der Propagator sagte uns etwas darüber, wie sich eine Störung am Raumzeitpunkt x an einem späteren Raumzeitpunkt y auswirkte. Mit ein bisschen mathematischer Mühe kann man zeigen, dass unsere Korrelationsfunktion zum Propagator identisch ist.
Das rechne ich jetzt nicht vor, weil es mal wieder in jedem QFT-Buch steht. Genau genommen sollte man natürlich hier das φ(x) als Erzeuger für eine Feldanregung ansehen und das φ(y) als Vernichter, damit dann am Ende wieder ein Vakuumzustand herauskommt.
Die meisten QFT-Bücher basteln hier auch noch einen Zeitordnungs-Operator ein, das habe ich mir hier gespart, indem ich von vornherein verlangt habe, dass der linke Operator zu einem späteren Zeitpunkt angeguckt wird als der rechte.
Dass die Korrelationsfunktion genau der Propagator ist, ist übrigens ein weiterer Grund, warum ich es sinnvoll finde, sie als eine Eigenschaft des Vakuums anzusehen – denn die Anregung des Quantenfeldes zwischen zwei Quellen breitet sich ja durch das Vakuum aus. Eine andere Struktur des Vakuums (wie beispielsweise ein Higgs-Feld) würde auch den Propagator beeinflussen und ebenso die Korrelationsfunktion.
Apropos Higgs-Feld: Das Higgs-Feld (nicht zu verwechseln mit dem Higgs-Teilchen- folgt dem Link eben für eine detaillierte Erklärung) zeichnet sich genau dadurch aus, dass bei ihm der Vakuum-Erwartungswert für das Feld ⟨0| φ |0⟩ nicht verschwindet. Das liegt daran, dass das Vakuum mit verschwindendem Higgs-Feld-Erwartungswert instabil ist – es ist energetisch günstiger, wenn das Higgs-Feld einen endlichen Wert bekommt. Folgt dem Link oben für eine ausführliche Erklärung.
Felder an benachbarten Raumzeitpunkten im Vakuum sind also korreliert, auch wenn der Erwartungswert des Feldes verschwindet. Um das mathematisch darzustellen, brauchen wir eine ziemlich komplizierte Wellenfunktion, die an jedem Punkt des Raumes für jeden Wert des Feldes eine Wahrscheinlichkeitsamplitude vorgibt und die auch noch diese Korrelation berücksichtigt. So ein Gebilde ist also eine Funktion von Funktionen – mathematisch ein Funktional, ein ziemlich unhandliches Gebilde, mit dem sich schlecht rechnen lässt.
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