Um uns das Leben einfacher zu machen, gucken wir uns erst Mal nur eine einzige Komponente dieser Fouriertransformierten an. Wir entscheiden uns also für einen bestimmten k-Wert. Anschaulich heißt das, dass wir eine bestimmte Wellenlänge und damit auch eine bestimmte Energie festlegen, die uns interessiert.

Ich nenne diesen Wert des Wellenvektors k1. (Ich finde es in Physikbüchern immer störend, wenn nicht deutlich wird, ob in einem Symbol wie φ(k) nun die Funktion als Ganzes oder ihr Wert an einer bestimmten Stelle gemeint ist, deswegen versuche ich es hier besser zu machen.) Wenn wir in einer Dimension sind, dann ist k=2π/λ, wenn wir also den Beitrag einer Welle mit Wellenlänge 1 Meter zum Vakuumzustand berechnen wollen, dann ist k1=6,28/Meter. Die zugehörige Energie können wir aus
E2=k12+m2
berechnen; wie üblich in Einheiten c=?=1. Auf vielfachen Wunsch eines Kommentators hier aber ausnahmsweise nochmal mit allen Naturkonstanten (und hoffentlich ohne Rechenfehler):
E2=?2c2 k12+m2c4

Was können wir jetzt über den Beitrag von φ(k1) zum Vakuumzustand sagen? Im Mittel über viele Messungen muss – ganz analog wie beim Gundzustand des harmonischen Oszillators oder wie in unserem Ein-Punkt-Universum – der Wert von φ(k1) verschwinden. Warum? Weil wir sonst – im Mittel – kein Vakuum messen würden. Zumindest im Mittel sollte ja an jedem Raumpunkt φ(x)=0 sein. Wenn aber an jedem Raumpunkt φ(x) im Mittel verschwindet, dann muss im Mittel auch φ(k1) verschwinden.

Vornehm ausgedrückt, ist also der Vakuumerwartungswert von φ(k1) gleich null. Das können wir so schreiben:

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude für φ(k1) kann aber nicht einfach gleich Null sei, sonst wäre das Vakuum absolut leer und das Feld würde immer und überall verschwinden – dass es das nicht tut (sondern eben nur im Mittel), haben wir letztes Mal gesehen. Wir können deshalb erwarten, dass für φ(k1) Ähnliches gilt wie für φ(x) im Ein-Punkt-Universum. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude für φ(k1) – wir könnten sie auch “Wellenfunktion” nennen – ist um Null zentriert (weil der Vakuumerwartungswert gleich Null ist) und fällt nach außen hin ab.

https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/wp-content/blogs.dir/69/files/2012/06/i-fa56538c81f1138363ddcc86fc4f6089-fourier1.pngi-520a04a5816af7ea10b91598ea0e7b7f-qftGrundzustand.png

Basierend auf einem Bild von AllenMcC. – File:HarmOsziFunktionen.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11623546

Praktischerweise ist die mathematische Funktion, die hinter dieser Kurve steckt, wieder exakt dieselbe, die auch den Grundzustand des harmonischen Oszillators beschreibt – nur mit passenden Ersetzungen für die Variablen, ähnlich zu unserer Übersetzungstabelle von neulich. (Die genaue Formel kommt nachher im Warn-Abschnitt.) Deswegen konnte ich auch das Bild von neulich recyclen. An dieser Kurve können wir also ablesen, wie wahrscheinlich es ist, dass wir im Vakuum bei einer Messung einen bestimmten Wert von φ(k1) bekommen würden.

Der Abfall nach außen (zu größeren φ(k1)-Werten) wird dabei durch die Frequenz (oder Energie) ω beeinflusst, also durch k12+m2. Je größer ω, desto schmaler ist die Kurve, desto unwahrscheinlicher sind also große Werte von φ(k1). Das ist eigentlich auch logisch, weil sowohl hohe Masse als auch kurze Wellenlänge (also großes k12) zu hohen Energien führen. Entsprechend wird die Gaußkurve für große Werte von k immer enger, und für Teilchen mit großer Masse ist sie generell enger als für solche mit kleiner.

Bei der Berechnung von Pfadintegralen haben wir gesehen, dass Konfigurationen mit großem Wert der Wirkung (also auch hoher Energie) wenig beitragen, weil sich der Einfluss benachbarter Pfade weghebt. Auch vom Standpunkt der Unschärferelation ist das ein Ergebnis, das man intuitiv erwarten würde: Je höher die Energie, desto kleiner der Beitrag. Dies ist dann letztlich auch der Grund dafür, warum man in anschaulichen Erklärungen oft liest, dass “Vakuumfluktuationen” um so unwahrscheinlicher sind, je höher ihre Energie ist.

Betrachten wir den Fall k1=0, also ein Feld, das überall im Raum den gleichen Wert hat (denn zu k1=0 gehört ja eine unendlich große Wellenlänge, also ein konstantes Feld). Für diesen k-Wert ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude, einen großen Wert zu finden, insgesamt am größten, weil die Breite der Kurve am größten ist. Wenn die Masse sehr klein wird, dann werden immer größere Werte von φ(0) möglich.

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Kommentare (14)

  1. #1 Bjoern
    6. Juni 2012

    10 Hier-Wohnen-Drachen-Taler für alle, die dieses Zitat korrekt zuordnen können.

    Ach, dieses Zitat zuzuordnen wäre doch eine unendliche Geschichte… 😀

    Achtung, der Wiki-Link zum Casimir-Effekt ist nur bedingt gut, weil er von “kurzfristig aus dem Vakuum” erzeugten virtuellen Teilchen redet – das ist aber Kram, wie Ihr jetzt wisst.

    Da stimme ich beim Casimir-Effekt prinzipiell zu – um den zu erklären, braucht man in der Tat keine kurzfristig erzeugten virtuellen Teilchen.

    Aber der Vakuum-Zustand, den du hier beschreibst, ist ja der für eine “freie” Theorie, ohne Wechselwirkungen der Teilchen miteinander. Damit kurzfristig virtuelle Teilchen existieren können, braucht man ja aber eine wechselwirkende Theorie, oder?

    Beispiel QED: man nehme einen Elektron-Photon-Vertex, und schon bekommt man in niedrigster Ordnung ein Feynman-Diagramm, wo an einem Raumzeitpunkt ein Elektron, ein Positron und ein Photon entstehen, die sich an einem anderen Raumzeitpunkt dann wieder gegenseitig vernichten. In einer Theorie ohne Wechselwirkung der Teilchen wüsste ich sagegen nicht, wo diese virtuellen Teilchen herkommen sollten…

    Ergibt es also nicht doch Sinn, zumindest den Vakuumzustand einer solchen wechselwirkenden Theorie in der Tat mit Hilfe kurzfristig existierender virtueller Teilchen zu beschreiben…? (ich darf raten: das alles wird in einem späteren Teil noch besprochen, richtig? 😉 )

  2. #2 MartinB
    6. Juni 2012

    @Bjoern
    Die Leiterplatten beim Casimir-Effekt tun ja nichts weiter, als die erlaubten k-Werte einzuschränken, ich sehe da keine Notwendigkeit für virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare o.ä. In einer QED ohne Elektronen (rein photonische Theorie) wäre das Ergebnis dasselbe, soweit ich sehen kann. Sonst müsste ja auch eine Kopplungskonstante o.ä. in die Casimir-Kraft eingehen.

    “Ergibt es also nicht doch Sinn, zumindest den Vakuumzustand einer solchen wechselwirkenden Theorie in der Tat mit Hilfe kurzfristig existierender virtueller Teilchen zu beschreiben…?”
    Darüber bin ich mir ehrlich gesagt noch etwas unschlüssig. Denn auch in der wechselwirkenden Theorie ist das – ungemessene – Vakuum vollständig Lorentz-invariant. Warum soll sich also ein Teilchenpaar “hier” bilden und nicht “da”? Man kann das natürlich mit Feynman-Diagrammen zeichnen, aber am Ende muss man ja über alle Entstehungs- und Vernichtungsorte summieren. Man kann das andererseits vermutlich als eine Überlagerung all dieser Paare beschreiben (so wie ich hier eine Überlagerung aller möglichen phi(k)-Werte habe) – wen ich das hier akzeptiere, sollte ich das in der wechselwirkenden Theorie wohl auch tun.

    Einen echten Effekt der virtuellen Teilchen-Antiteilchen bekomme ich ja auf jeden Fall erst, wenn ich das Vakuum störe (mit einer Ladung, die sich dann mit einer Schale umgibt, oder bei der Hawking-Strahlung), aber dann ist auch die Lorentz-Invarianz weg.

    Kurz gesagt: Ich bin mir da mit meiner Anschauung noch nicht ganz sicher, vermutlich hast du aber recht.

    “ich darf raten: das alles wird in einem späteren Teil noch besprochen, richtig? ;-)”
    Im Moment bin ich etwas QFT-erschöpft – einen Teil gibt es noch (der ist fast fertig), dann muss ich erst mal sehen, wie es weitergeht.

  3. #3 Bjoern
    7. Juni 2012

    Hm, ich hatte doch schon gesagt, dass ich dir beim Casimir-Effekt zustimme…? Der Rest, den ich geschrieben hatte, hatte mit dem Casimir-Effekt nichts zu tun…

    Denn auch in der wechselwirkenden Theorie ist das – ungemessene – Vakuum vollständig Lorentz-invariant. Warum soll sich also ein Teilchenpaar “hier” bilden und nicht “da”?

    Wie du selbst sagst, hat man ja eine Überlagerung aller Diagramme zu allen möglichen Raum-Zeit-Punkten, deshalb ist das insgesamt dann wieder Lorentz-invariant, würde ich sagen.

    Kurz gesagt: Ich bin mir da mit meiner Anschauung noch nicht ganz sicher, vermutlich hast du aber recht.

    Danke für die Bestätigung – das wird nämlich auch in keinem der Bücher, die ich kenne, vernünftig erklärt…

  4. #4 MartinB
    7. Juni 2012

    “Hm, ich hatte doch schon gesagt, dass ich dir beim Casimir-Effekt zustimme…?”
    Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich dich da richtig verstanden hatte, deswegen habe ich es nochmal hingeschrieben.

    “das wird nämlich auch in keinem der Bücher, die ich kenne, vernünftig erklärt… ”
    Ebenso wie der Vakuum-Zustand selbst – oder steht das, was ich hier erklärt habe, irgendwo vernünftig drin und ich lese immer nur die falschen Bücher?

  5. #5 Bjoern
    8. Juni 2012

    Ebenso wie der Vakuum-Zustand selbst – oder steht das, was ich hier erklärt habe, irgendwo vernünftig drin und ich lese immer nur die falschen Bücher?

    Also, ich kenne auch keins, in dem das so drin stehen würde… ich hatte mal eine Vorlesung, in welcher der Dozent zumindest ein bisschen was über das Wellenfunktional und die Zustände geredet hat, das ging aber nicht so weit / tief, wie du es hier erklärst.

  6. #6 MartinB
    8. Juni 2012

    @Bjoern
    Stolz sei 🙂

  7. #7 stefan
    11. Juli 2012

    Betreff: “In diesem Sinn ist das Vakuum sozusagen eine Überlagerung von unendlich vielen harmonischen Oszillatoren, einem für jede Wellenlänge.” [MB]
    Frage: Darf ich mir das – in hinkender Analogie – ungefaehr so vorstellen wie dasjenige, was die Akustiker und Radiofunker in der klassischen Physik und Fernmeldetechnik ein “weisses Rauschen” nennen?

  8. #8 MartinB
    11. Juli 2012

    @stefan
    Ist als Analogie vielleicht nicht so schlecht, auch wenn es nicht perfekt passt (keine Zeitabhängigkeit im Vakuumzustand).

  9. #9 Karl Simon
    Burscheid
    15. Januar 2014

    Faszinierend.

    Eine so einleuchtende Betrachtung des Vakuumzustands habe ich noch nie gesehen.
    Hast du auch eine daraus folgende Beschreibung für das Higgsfeld?.

  10. #10 MartinB
    15. Januar 2014

    @Karl
    Danke für das Lob – es gebührt aber letztlich dem physicsforum und dem Buch von Hatfield, wo die notwendigen Formeln drinstehen.

    Ich habe einige male über das Higgsfeld geschrieben, allerdings mit etwas anderem Hintergrund. Am besten mal rechts oben Higgs in die Suchbox eintragen. Die ausführlichste Erklärung ist die hier (zwei Teile):
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/12/17/wie-funktioniert-das-higgsteilchen/
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/12/22/das-higgs-und-das-nix-das-vakuum-ist-auch-nicht-mehr-was-es-mal-war/

  11. #11 Jens Kluge
    Singapur
    26. November 2018

    Wenn man so von Vakuumfluktuationen hört drängt sich doch sofort der Gedanke auf, ob vielleicht der Kernzerfall davon ausgelöst wird und nicht wirklich ohne Ursache ist. Und tatsächlich gibt es eine Publikation dazu: “Effects of vacuum fluctuation suppression on atomic decay rates”, Ford, Roman, Annals of Physics 326 (2011) 2294–2306. Hier wird erstmal nur eine Experiment vorgeschlagen, noch nichts gemessen. Beim Gravitationswellendetektor soll eine Unterdrückung von Vakuumfluktuationen ja wohl demnächst technisch eingesetzt werden, wenn ich das richtig verstehe.

  12. #12 MartinB
    26. November 2018

    @Jens
    “Beim Gravitationswellendetektor soll eine Unterdrückung von Vakuumfluktuationen ja wohl demnächst technisch eingesetzt werden, wenn ich das richtig verstehe.”
    Davon habe ich noch nichts gehört, hast du dazu eine Quelle?

  13. #13 Niels
    27. November 2018

    @MartinB

    GEO600 und Advanced LIGO (A+) setzen “squeezed vacuum” ein.

    https://www.ligo.org/science/Publication-SqueezedVacuum/index.php

    https://en.wikipedia.org/wiki/Squeezed_coherent_state

    Hab ich mir aber noch nicht richtig angeschaut und momentan verstehe ich deswegen nicht richtig, was da eigentlich genau passiert.

  14. #14 MartinB
    28. November 2018

    @Niels
    Aha, danke. Details durchblicke ich auch gerade nicht, aber die Idee leuchtet schon ein.