Wenn das Wellenpaket sehr breit ist (die Feldanregung ist über einen breiten Bereich verschmiert), dann ist die zugehörige Fourier-Transformierte schmal und es tragen nur Werte in der Nähe von k=0 bei. Ist das Wellenpaket dagegen sehr schmal, dann ist die Fouriertransformierte breiter, es tragen größere Werte von k bei, bei denen Werte φ(k) aber ja entsprechend unwahrscheinlicher sind. Auch das passt zur Unschärferelation: Ein eng lokalisiertes Wellenpaket hat eine hohe Impulsunschärfe und damit auch Beiträge von Wellen mit hoher Energie, die als “Vakuumfluktuationen” unwahrscheinlicher sein sollten. Ein räumlich eng begrenztes und damit hochenergetisches Wellenpaket trägt also weniger zum Vakuumzustand bei als ein weiter ausgedehntes.

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Hier die Formeln in ihrer vollen Schönheit (Hatfield Gleichung (10.28)):


Ψ0 ist dabei die Wellenfunktion (das Wellenfunktional, um genau zu sein) für das Vakuum – genauer gesagt ist Ψ0(φ) die Wahrscheinlichkeitsamplitude für die Feldkonfiguration φ . In der ersten Zeile stehen Normierungsfaktor und Gaußkurve voneinander getrennt; um zur zweiten zu kommen wurde wohl das Integral im Exponenten in ein unendliches Produkt zerlegt (im Buch steht das kommentarlos, ist aber die einzige Erklärung, die in meinen Augen Sinn ergibt, auch wenn das mathematisch ein bisschen komisch ist, weil das dk unter den Tisch fällt – darf man das?). Dass das Argument k einmal mit positivem und einmal mit negativem Vorzeichen auftaucht, sorgt dafür, dass der Exponent eine reelle Zahl ist (die Fourier-Transformierte einer ungeraden Funktion ist ja rein imaginär).

Letztlich sieht man aber an der letzten Zeile das entscheidende Ergebnis: Die Wellenfunktion ist ein Produkt aus lauter harmonischen-Oszillator-Grundzustands-Wellenfunktionen, in die man statt des Ortsargument x die Fourierkomponente φ(k) einsetzt. (Gaußkurven der Form exp(-x2/α) Die Rechnung, die dahin führt, ist ziemlich länglich und ich habe sie nicht in allen Details nachvollzogen – mir ging es ja mehr ums Ergebnis. Im Buch von Srednicki,

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in dem man die Formel auch (kommentarlos) findet, wird die Herleitung übrigens dem Leser als Übungsaufgabe 8.8 überlassen – so etwas hätte mich als Studi maßlos frustriert. (Wie ich ja überhaupt Bücher mit Übungsaufgaben ohne angegebene Lösungen total daneben finde.)

Und damit können wir jetzt auch halbwegs anschaulich verstehen, wie der Vakuumzustand aussieht: Im Vakuumzustand haben wir sozusagen eine doppelte Überlagerung: Zu jeder Wellenlänge haben wir eine quantenmechanische Überlagerung aller zugehörigen Amplituden φ(k) mit einer Wahrscheinlichkeitsamplitudenverteilung, die um Null zentriert ist, die aber auch Werte ungleich Null zulässt. Je größer die Energie der Welle, desto enger ist die Verteilung, desto unwahrscheinlicher sind also große Beiträge dieser Welle. All diese Überlagerungszustände werden dann zum gesamten Vakuumzustand zusammengefügt. (Mathematisch werden die einzelnen “Wellenfunktionen” für jede Wellenlänge miteinander multipliziert.)

Betrachten wir umgekehrt das Feld an einem Ort, dann haben wir auch dort für den Feldwert eine Wahrscheinlichkeitsamplitude für Werte ungleich Null.1 Felder an benachbarten Raumpunkten sind aber korreliert – das haben wir letztes Mal beim Zwei-Punkt-Universum gesehen, aber es wird jetzt auch deutlich dadurch, dass ja die Wellen mit niedriger Energie, die besonders stark zum Vakuumzustand beitragen, eine große Wellenlänge haben und entsprechend an benachbarten Raumzeitpunkten nahezu denselben Wert besitzen.

1Ganz streng genommen sogar eine unendlich breite, wenn man wirklich einen einzelnen Punkt betrachtet – das ist aber letztlich unphysikalisch, weil man real immer über einen kleinen Raumbereich mittelt.

Das Vakuum ist also ein komplizierter, aber faszinierender Zustand, und mit ein bisschen Mühe kann man aber durchaus ein bisschen Intuition gewinnen, wie er funktioniert. (Falls euch das beim ersten Lesen nicht gleich gelingt, lasst euch nicht frustrieren – ich habe insgesamt etwa zwei Monate lang immer wieder drüber nachgedacht (und bin manchmal sogar nachts deswegen aufgewacht, weil irgendwelche Prozessoren im Hinterkopf pausenlos mit der QFT beschäftigt waren), bis ich diesen Teil der Serie so schreiben konnte. Ich hoffe, ich habe es so aufbereitet, dass ihr es etwas leichter habt.)

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Kommentare (14)

  1. #1 Bjoern
    6. Juni 2012

    10 Hier-Wohnen-Drachen-Taler für alle, die dieses Zitat korrekt zuordnen können.

    Ach, dieses Zitat zuzuordnen wäre doch eine unendliche Geschichte… 😀

    Achtung, der Wiki-Link zum Casimir-Effekt ist nur bedingt gut, weil er von “kurzfristig aus dem Vakuum” erzeugten virtuellen Teilchen redet – das ist aber Kram, wie Ihr jetzt wisst.

    Da stimme ich beim Casimir-Effekt prinzipiell zu – um den zu erklären, braucht man in der Tat keine kurzfristig erzeugten virtuellen Teilchen.

    Aber der Vakuum-Zustand, den du hier beschreibst, ist ja der für eine “freie” Theorie, ohne Wechselwirkungen der Teilchen miteinander. Damit kurzfristig virtuelle Teilchen existieren können, braucht man ja aber eine wechselwirkende Theorie, oder?

    Beispiel QED: man nehme einen Elektron-Photon-Vertex, und schon bekommt man in niedrigster Ordnung ein Feynman-Diagramm, wo an einem Raumzeitpunkt ein Elektron, ein Positron und ein Photon entstehen, die sich an einem anderen Raumzeitpunkt dann wieder gegenseitig vernichten. In einer Theorie ohne Wechselwirkung der Teilchen wüsste ich sagegen nicht, wo diese virtuellen Teilchen herkommen sollten…

    Ergibt es also nicht doch Sinn, zumindest den Vakuumzustand einer solchen wechselwirkenden Theorie in der Tat mit Hilfe kurzfristig existierender virtueller Teilchen zu beschreiben…? (ich darf raten: das alles wird in einem späteren Teil noch besprochen, richtig? 😉 )

  2. #2 MartinB
    6. Juni 2012

    @Bjoern
    Die Leiterplatten beim Casimir-Effekt tun ja nichts weiter, als die erlaubten k-Werte einzuschränken, ich sehe da keine Notwendigkeit für virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare o.ä. In einer QED ohne Elektronen (rein photonische Theorie) wäre das Ergebnis dasselbe, soweit ich sehen kann. Sonst müsste ja auch eine Kopplungskonstante o.ä. in die Casimir-Kraft eingehen.

    “Ergibt es also nicht doch Sinn, zumindest den Vakuumzustand einer solchen wechselwirkenden Theorie in der Tat mit Hilfe kurzfristig existierender virtueller Teilchen zu beschreiben…?”
    Darüber bin ich mir ehrlich gesagt noch etwas unschlüssig. Denn auch in der wechselwirkenden Theorie ist das – ungemessene – Vakuum vollständig Lorentz-invariant. Warum soll sich also ein Teilchenpaar “hier” bilden und nicht “da”? Man kann das natürlich mit Feynman-Diagrammen zeichnen, aber am Ende muss man ja über alle Entstehungs- und Vernichtungsorte summieren. Man kann das andererseits vermutlich als eine Überlagerung all dieser Paare beschreiben (so wie ich hier eine Überlagerung aller möglichen phi(k)-Werte habe) – wen ich das hier akzeptiere, sollte ich das in der wechselwirkenden Theorie wohl auch tun.

    Einen echten Effekt der virtuellen Teilchen-Antiteilchen bekomme ich ja auf jeden Fall erst, wenn ich das Vakuum störe (mit einer Ladung, die sich dann mit einer Schale umgibt, oder bei der Hawking-Strahlung), aber dann ist auch die Lorentz-Invarianz weg.

    Kurz gesagt: Ich bin mir da mit meiner Anschauung noch nicht ganz sicher, vermutlich hast du aber recht.

    “ich darf raten: das alles wird in einem späteren Teil noch besprochen, richtig? ;-)”
    Im Moment bin ich etwas QFT-erschöpft – einen Teil gibt es noch (der ist fast fertig), dann muss ich erst mal sehen, wie es weitergeht.

  3. #3 Bjoern
    7. Juni 2012

    Hm, ich hatte doch schon gesagt, dass ich dir beim Casimir-Effekt zustimme…? Der Rest, den ich geschrieben hatte, hatte mit dem Casimir-Effekt nichts zu tun…

    Denn auch in der wechselwirkenden Theorie ist das – ungemessene – Vakuum vollständig Lorentz-invariant. Warum soll sich also ein Teilchenpaar “hier” bilden und nicht “da”?

    Wie du selbst sagst, hat man ja eine Überlagerung aller Diagramme zu allen möglichen Raum-Zeit-Punkten, deshalb ist das insgesamt dann wieder Lorentz-invariant, würde ich sagen.

    Kurz gesagt: Ich bin mir da mit meiner Anschauung noch nicht ganz sicher, vermutlich hast du aber recht.

    Danke für die Bestätigung – das wird nämlich auch in keinem der Bücher, die ich kenne, vernünftig erklärt…

  4. #4 MartinB
    7. Juni 2012

    “Hm, ich hatte doch schon gesagt, dass ich dir beim Casimir-Effekt zustimme…?”
    Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich dich da richtig verstanden hatte, deswegen habe ich es nochmal hingeschrieben.

    “das wird nämlich auch in keinem der Bücher, die ich kenne, vernünftig erklärt… ”
    Ebenso wie der Vakuum-Zustand selbst – oder steht das, was ich hier erklärt habe, irgendwo vernünftig drin und ich lese immer nur die falschen Bücher?

  5. #5 Bjoern
    8. Juni 2012

    Ebenso wie der Vakuum-Zustand selbst – oder steht das, was ich hier erklärt habe, irgendwo vernünftig drin und ich lese immer nur die falschen Bücher?

    Also, ich kenne auch keins, in dem das so drin stehen würde… ich hatte mal eine Vorlesung, in welcher der Dozent zumindest ein bisschen was über das Wellenfunktional und die Zustände geredet hat, das ging aber nicht so weit / tief, wie du es hier erklärst.

  6. #6 MartinB
    8. Juni 2012

    @Bjoern
    Stolz sei 🙂

  7. #7 stefan
    11. Juli 2012

    Betreff: “In diesem Sinn ist das Vakuum sozusagen eine Überlagerung von unendlich vielen harmonischen Oszillatoren, einem für jede Wellenlänge.” [MB]
    Frage: Darf ich mir das – in hinkender Analogie – ungefaehr so vorstellen wie dasjenige, was die Akustiker und Radiofunker in der klassischen Physik und Fernmeldetechnik ein “weisses Rauschen” nennen?

  8. #8 MartinB
    11. Juli 2012

    @stefan
    Ist als Analogie vielleicht nicht so schlecht, auch wenn es nicht perfekt passt (keine Zeitabhängigkeit im Vakuumzustand).

  9. #9 Karl Simon
    Burscheid
    15. Januar 2014

    Faszinierend.

    Eine so einleuchtende Betrachtung des Vakuumzustands habe ich noch nie gesehen.
    Hast du auch eine daraus folgende Beschreibung für das Higgsfeld?.

  10. #10 MartinB
    15. Januar 2014

    @Karl
    Danke für das Lob – es gebührt aber letztlich dem physicsforum und dem Buch von Hatfield, wo die notwendigen Formeln drinstehen.

    Ich habe einige male über das Higgsfeld geschrieben, allerdings mit etwas anderem Hintergrund. Am besten mal rechts oben Higgs in die Suchbox eintragen. Die ausführlichste Erklärung ist die hier (zwei Teile):
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/12/17/wie-funktioniert-das-higgsteilchen/
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/12/22/das-higgs-und-das-nix-das-vakuum-ist-auch-nicht-mehr-was-es-mal-war/

  11. #11 Jens Kluge
    Singapur
    26. November 2018

    Wenn man so von Vakuumfluktuationen hört drängt sich doch sofort der Gedanke auf, ob vielleicht der Kernzerfall davon ausgelöst wird und nicht wirklich ohne Ursache ist. Und tatsächlich gibt es eine Publikation dazu: “Effects of vacuum fluctuation suppression on atomic decay rates”, Ford, Roman, Annals of Physics 326 (2011) 2294–2306. Hier wird erstmal nur eine Experiment vorgeschlagen, noch nichts gemessen. Beim Gravitationswellendetektor soll eine Unterdrückung von Vakuumfluktuationen ja wohl demnächst technisch eingesetzt werden, wenn ich das richtig verstehe.

  12. #12 MartinB
    26. November 2018

    @Jens
    “Beim Gravitationswellendetektor soll eine Unterdrückung von Vakuumfluktuationen ja wohl demnächst technisch eingesetzt werden, wenn ich das richtig verstehe.”
    Davon habe ich noch nichts gehört, hast du dazu eine Quelle?

  13. #13 Niels
    27. November 2018

    @MartinB

    GEO600 und Advanced LIGO (A+) setzen “squeezed vacuum” ein.

    https://www.ligo.org/science/Publication-SqueezedVacuum/index.php

    https://en.wikipedia.org/wiki/Squeezed_coherent_state

    Hab ich mir aber noch nicht richtig angeschaut und momentan verstehe ich deswegen nicht richtig, was da eigentlich genau passiert.

  14. #14 MartinB
    28. November 2018

    @Niels
    Aha, danke. Details durchblicke ich auch gerade nicht, aber die Idee leuchtet schon ein.