Vorwort:
Bei Diskussionen im Internet geht es nicht um Argumente und Inhalte. Es geht nicht darum, den eigenen Standpunkt zu überdenken oder zu überlegen, warum jemand anders anderer Ansicht ist. Es geht nur um Eins: Darum, dass sich alle mit Euch und Eurer Meinung beschäftigen und nicht mit irgendetwas anderem. Jeder Kommentar, der auf euch antwortet, ist ein Pluspunkt, jeder, der sich mit etwas (oder jemand) anderem beschäftigt, ist ein Verlust.
Und natürlich geht es auch darum, direkt in der Diskussion zu gewinnen – also anderen Fehler “nachzuweisen”, sie dazu zu bringen, aus der Diskussion auszusteigen (keine Angst, es bleiben genügend Leute übrig, damit das Spiel weitergeht) und natürlich darum, niemals zugeben zu müssen, irgendetwas falsch gemacht zu haben.
Dieses kleine Handbuch enthält die wichtigsten Tricks und Techniken, mit denen ihr diese Ziele mühelos erreicht. Es beruht auf jahrelanger intensiver Forschung auf den deutschen und amerikanischen Scienceblogs. Wenn ihr sie ein bisschen studiert und übt, dann wird aus euch bald ein gefürchteter Kommentator – jemand, den andere als “Troll” bezeichnen (was zwar abwertend gemeint ist, in Wahrheit aber eine Auszeichnung darstellt). Und ein Meistertroll zu werden ist viel einfacher, als ihr denkt.
Eure These und wie ihr sie stützt
Als erstes braucht ihr natürlich eine These, oder besser gesagt, eine Theorie (denn alles, was sich jemand mal eben schnell ausgedacht hat, nennt man ja “Theorie” – lasst euch bloß nicht von irgendwelchen Wissenschaftsdogmatikern oder Sprachnazis was anderes einreden).
Was für eine These ihr habt, ist letztlich egal – sie muss nur grob zum Blogthema passen, damit die Leute, die den Blog lesen, auch darauf anspringen. Ansonsten kann sie so abstrus sein, wie sie will – ob der Schatten der Venus auf der Erde dort für mehrere Jahre einen Einfluss auf die Geschichte nimmt oder ob in der Dinosaurierzeit die Schwerkraft anders, die Erde kleiner oder die Luft dichter war, weil die dicken Dinos ja sonst nie hätten überleben können, völlig egal. Hauptsache die These ist abstrus genug, dass sie Leute zur Weißglut treibt.
Wenn ihr hier auf den Scienceblogs kommentiert, dann habt ihr es mit Leuten zu tun, die Wissenschaft mögen. Solche Leute haben ganz bestimmte Ansichten über die Welt und glauben, dass ihre “wissenschaftlichen Methode” ihnen erlaubt, Theorien zu widerlegen und Leute zu überzeugen. Das ist natürlich ein Irrglaube, wie schon Achilles einst feststellen musste.
Der apodiktische Einstieg
Um den Kreislauf der Wissenschaftgläubigen (ja, das Wort hören die nicht gern, aber wir sind hier ja unter uns…) erst einmal ein bisschen in Schwung zu bringen, solltet ihr sie zunächst auf Entzug setzen – also bitte nicht gleich mit Fakten oder Argumenten kommen. Als erstes solltet ihr eure Meinung einfach als Fakt in den Raum stellen:
“Natürlich besuchen Außerirdische ständig die Erde.”
“Jeder Mensch spürt doch das Übernatürliche.”
“Es ist offensichtlich, dass sich die Zeit nicht verlangsamen kann, nur weil man sich bewegt.”
Wichtig ist, dass euer Einstieg die richtigen Reflexe antriggert – ihr solltet also mindestens eine der von den Wissenschaftsgläubigen hochgehaltenen Theorien zumindest implizit angreifen.
Damit kann der Tanz beginnen.
Die Beweislast
Zunächst mal reicht es, eure Theorie einfach in den Raum zu stellen, gern auch mit einem Beisatz wie “das ist ja offensichtlich” oder “wem das nicht einleuchtet, der hat noch nie unabhängig nachgedacht”. Nachfragen nach Belegen beantwortet man geschickterweise zunächst mit der klassischen Beweislastumkehr: “Kannst du meine Theorie widerlegen?”1 Auch die Aufforderung “das brauchst du nur zu ergoogeln” ist hier hilfreich. Aber wenn ihr immer nur behauptet und nie einen Beleg bringt, dann verlieren die Leute irgendwann die Lust, sich mit euch zu beschäftigen.
1Danke an den ratioblog, diese Technik hätte ich fast vergessen – “Diskussionstechniken? Da gibt’s doch auch was von ratioblog.”
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