Diese beiden Taktiken zusammen erlauben es euch, immer nur die schlechtesten Gegenargumente der anderen zu adressieren, die anderen ignoriert ihr einfach.
Tangenten verfolgen
Je belangloser eine der vielen Fronten ist und je weniger sie mit dem eigentlichen Thema zu tun hat, desto besser ist es, darauf einzugehen. Das macht ganz deutlich, dass es in dieser Diskussion nicht um das Thema des Artikels geht, sondern um Euch. Wenn euch die Tangente irgendwann zu gefährlich wird (man euch hier womöglich argumentativ in die Enge treibt), dann könnt ihr außerdem dem anderen
vorwerfen, das habe ja alles nichts mit dem Thema zu tun, er sei ja nur darauf aus, euch zu verfolgen etc. (siehe auch unter Trollkeule). Oder ihr ignoriert diese Tangente einfach und greift eine der anderen Fronten wieder auf – “eigentlich geht es hier doch um X und ich verstehe gar nicht, warum du die ganze Zeit über Y redest.” (Und da spielt es keine Rolle, wenn ihr selbst es wart, der Y in die Diskussion eingeführt hat – falls das jemand anführt, könnt ihr direkt die nächste Taktik anwenden, die Meta-Diskussion.)
Meta-Diskussionen
Jemand wirft euch vor, dass ihr es doch wart, der Y in die Diskussion eingebracht hat (siehe oben)? Prima, schon ist der andere in die Meta-Diskussionsfalle getappt. “Wollen wir nicht lieber über Inhalte reden? Dir geht es wohl gar nicht um die Sache, sondern nur ums Rechthaben.” Jetzt diskutiert ihr über die Diskussion, das ist immer gut, denn ihr entfernt euch immer weiter von der Ausgangsthese (siehe unten unter “Endlosschleife”).
Ihr selbst könnt natürlich auch umgekehrt eine Meta-Diskussion anzetteln und euch beispielsweise über den Stil des anderen aufregen (siehe auch unter Trollkeule). Zur Not reichen selbst total banale Dinge wie Komma-Fehler.
Sollte jemand anderes das mit euch tun, könnt ihr natürlich den Vorwurf der Meta-Diskussion aus der Tasche ziehen. (Manchmal fragt man sich ja, ob die Tatsache, dass hier auf Scienceblogs viele eigenwillige Meinungen mit sehr fehlerhaftem Deutsch vorgetragen werden, genau darin begründet liegt – man kann Vorwürfe machen und sich als Opfer darstellen.)
Auch hier seht ihr wieder, dass manche Diskussionstechniken nach dem Prinzip “Kopf – ich gewinne; Zahl – du verlierst” funktionieren: Meta-Diskussionen helfen euch, wenn ihr sie selbst anwendet oder wenn ihr sie dem anderen zum Vorwurf macht. Das liegt natürlich wieder daran, dass für die anderen andere Regeln gelten – denn die glauben ja, es ginge hier um Sachfragen und Argumente und hängen dem generellen Irrglauben der Rationalität an.
Die Kunst der Mehrdeutigkeit
Sagt Dinge, bei denen nicht klar ist, wie sie zu interpretieren sind, und die entweder tiefsinnig aussehen oder aber so seltsam sind, dass niemand etwas damit anzufangen weiß. Die anderen können sich dann den Kopf über eure Sätze zerbrechen – damit beschäftigen sie sich mit euch.
Eine besondere Variante der Mehrdeutigkeit sind “deepity”-Sätze: Sätze, die in zwei Bedeutungen gelesen werden können, von denen eine trivialerweise richtig ist, die andere die bei näherem Hinsehen entweder sinnleer oder falsch ist, aber toll klingt. Beliebte Beispiele “Liebe ist nur ein Wort.”, “Evolution ist nur eine Theorie”, “Wissenschaft kann die Liebe nicht erklären” usw.
Spaß oder Ernst?
Eine andere Variante ist das nette Spielchen “Spaß oder Ernst?”
Sagt etwas, bei dem nicht klar ist, ob es ernst gemeint ist. Zum Beispiel “Wissenschaftler sind eh alle verrückt”. Wenn keiner protestiert, habt ihr den Punkt gemacht, wenn doch einer protestiert, dann könnt ihr entsetzt zurückschreiben “Das war doch nicht ernst gemeint.” Oder ihr verpackt das ganze in einen Gefühls-Disclaimer.
Der Gefühls-Disclaimer
Der Gefühls-Disclaimer ist eine ganz besonders raffinierte Variante der Mehrdeutigkeit: Sagt etwas Böses, aber verpackt es in eine Art von “Ausschlussklausel”. Beispielsweise “Manchmal habe ich das Gefühl, man sollte alle Wissenschaftler auf eine einsame Insel deportieren.” Über eine solche Aussage wird sich natürlich jemand aufregen. (Wenn nicht – schon gewonnen, siehe Spaß oder Ernst!) Und dann könnt ihr – wieder in getippter Märtyrerstimme – antworten “Aber ich habe doch nur gesagt, was ich fühle. Du kannst doch meine Gefühle nicht angreifen, das ist doch intolerant.” Und dann könnt ihr dem anderen von nun an immer vorhalten, wie unfair und intolerant und dogmatisch er sich doch verhält.
Unregelmäßige Verben
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