Und dann gibt es noch die schwache Kernkraft. Sie kann Teilchen ineinander umwandeln, beispielsweise eine Quarksorte in eine andere – dabei wird dann aus einem Neutron ein Proton (das passiert beim radioaktiven Zerfall) oder aus einem Elektron wird ein Neutrino. (Die berühmten Neutrinos, die man auch “Geisterteilchen” nennt (anders als “Gottesteilchen” ein sehr treffender Name, weil sie feste Materie fast ohne Wechselwirkung durchdringen können), habe ich bisher nicht erwähnt, sie sind auch für das Higgsteilchen nicht soo wichtig.)
Die schwache Kernkraft wird auch durch Teilchen vermittelt. Diese tragen den unglaublich schicken Namen “intermediäre Vektorbosonen” – weil sich das kein Mensch merken kann, nennt man sie meist einfach “Vektorbosonen” oder man bezeichnet sie mit ihren Kürzeln W und Z. Das Z-Teilchen ist elektrisch neutral, vom W-Teilchen gibt es zwei, ein positiv und ein negativ geladenes. Während die Gluonen genau wie Photonen keine Masse haben und deshalb immer mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, sind W- und Z-Teilchen sehr massiv.
So, damit kennt ihr – bis auf das Higgsteilchen – die wichtigen Akteure im Standardmodell, dem Modell der Elementarteilchen. Das Standardmodell hat allerdings einen kleinen Haken: Schaut man sich an, wie Teilchen (also beispielsweise Quarks oder Elektronen) mit den Vektorbosonen W und Z wechselwirken, dann stellt man etwas Überraschendes fest: Die Physik ist nicht spiegelsymmetrisch. Betrachtet man das Spiegelbild eines bestimmten Prozesses, dann kann dieser nicht stattfinden. Man nennt das die “Paritätsverletzung” (das Wort könnt ihr gleich wieder vergessen es steht hier nur, falls ihr mehr dazu ergoogeln wollt). Das hat man zunächst experimentell entdeckt und dann versucht, es in die Theorie einzubauen.
Und wenn man eine Elementarteilchentheorie für die schwache Wechselwirkung mit “Paritätsverletzung” aufschreiben will, dann merkt man sehr schnell, dass das nicht geht, solange die Elementarteilchen wie Elektronen und Quarks eine Masse haben – in dem Fall kommt man immer zwangsläufig auf Inkonsistenzen und mathematischen Unsinn.
Es gibt also zwei Möglichkeiten: Unsere Theorien sind falsch oder Elementarteilchen wie Elektronen sind “in Wahrheit” masselos. Da wir beobachten, dass Elektronen eine Masse haben, müssen wir diese Beobachtung irgendwie erklären, wenn wir unsere Theorie retten wollen.
Und hier kommt ein raffinierter Trick der Quantentheorie zum Tragen: Ein Teilchen mit Masse kann man auch beschreiben als ein Teilchen ohne Masse, das überall im Raum mit einem anderen Teilchen wechselwirken kann. Dieses Bild hier soll das ein bisschen veranschaulichen:
Links seht ihr ein Elektron mit Masse, das durch die Gegend fliegt. Diese Bewegung kann man auch beschreiben als die eines Elektrons ohne Masse, das an verschiedenen Stellen seines Weges mit den grün eingezeichneten Teilchen wechselwirkt. (Das da mehrere Möglichkeiten mit Pluszeichen dazwischen eingezeichnet sind, ist der Quantenmechanik zu verdanken – man muss immer alle Möglichkeiten betrachten, wie etwas passieren kann.)
Beim Licht ist es ganz ähnlich, wenn es sich durch Glas ausbreitet: Zwischen den Atomen ist ja leerer Raum, da fliegt das Licht mit der normalen Vakuumlichtgeschwindigkeit, aber die Wechselwirkung mit den Elektronen der Atome bremst es insgesamt ab, so dass es langsamer läuft. (Das ist jetzt auch ein bisschen vereinfacht, aber als Analogie ganz brauchbar.)
Also muss es überall im Universum andere Teilchen geben. Man bastelt sich jetzt also eine Theorie, die dafür sorgt, dass das ganze Universum mit lauter “Teilchen” angefüllt ist – korrekterweise spricht man besser von einem “Feld”, weil das Wort “Teilchen” immer etwas impliziert, das man an einem Ort lokalisieren kann, aber das geht hier ja nicht. Das ist ein bisschen wie der Äther des 19 Jahrhunderts, der auch alles durchziehen sollte (damit sich Licht in ihm ausbreiten konnte). Weil dieses Feld eben wirklich überall ist, merken wir davon nichts.
Normalerweise ist es bei Elementarteilchentheorien so, dass im Vakuum (also im Zustand mit niedrigster Energie) keine Teilchen vorhanden sind (mal abgesehen von den berühmten “Vakuumfluktuationen” – Achtung, der Link zeigt mitten in eine lange Artikelserie…). Mit spezieller mathematischer Trickserei bekommt man es aber hin, dass man ein Higgsfeld aus der Theorie bekommt, das überall im Universum gleich und nicht Null ist.Mit diesem Higgsfeld können dann alle Elementarteilchen, die eine Masse haben, wechselwirken und so ihre Masse bekommen. Die Masse ist dann ein Maß dafür, wie stark die Wechselwirkung ist.
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