By Kabacchi – Afrovenator – 01, CC BY 2.0, Link
Fügt man die Informationen von Sciurumimus den bereits bekannten Daten hinzu, dann entsteht dieses Kladogramm (Rauhut et al.):
Man liest dieses Kladogramm von oben nach unten – oben sind die urtümlichen (basalen) Dinos, nach unten hin die weiter entwickelten. Ganz oben steht Syntarsus (der wohl korrekterweise “Megapnosaurus” heißen müsste, aber das ist eine andere unschöne Geschichte), ein enger Verwandter des bekannten Coelophysis (der in der ersten Folge von “Dinosaurier – im Reich der Giganten” eine wichtige Rolle spielte). Wenn ihr das Kladogramm nach unten verfolgt, könnt ihr sehen, wer wie mit wem verwandt ist. Die kleinen Ziffern sind die Namen der jeweiligen Dinosaurier-Gruppen. Die 8 beispielsweise steht für die Gruppe der Megalosaurier, zu der eben auch Sciurumimus gehört.
Interessant ist, dass die Megalosaurier, die Spinosaurier (Nummer 7) und die Allosaurier (Nummer 5) alle einen gemeinsamen Vorfahren haben (an dem Knoten, wo die 3 sitzt). Bisher hatte man angenommen, dass diese beiden Gruppen sich nacheinander aus anderen Raubsaurier entwickelt haben. Das würde etwa so aussehen:
Das bedeutet also, dass Megalosaurier, Spinosaurier und Allosaurier alle eng miteinander verwandt sind und eine gemeinsame evolutionäre Gruppe bilden, die Carnosaurier. (Dieser Gruppenname ist schon sehr alt – früher dachte man sogar, dass auch Tyrannosaurus dazuzählt und eng mit Allosaurus verwandt ist. Zwischenzeitig sah es aber so aus, als ob die Gruppe der Carnosaurier (die also Allo- und Megalosaurier umfasst) keine natürliche evolutionäre Gruppierung (keine monophyletische Gruppe, um es vornehm zu sagen)ist.)
Aus dieser Eingruppierung kann man auch noch weitere Dinge lernen: Die Vorderbeine von Sciurumimus tragen drei Finger, nicht vier. Das ist interessant, denn viele Raubsaurier haben typischerweise vier Finger, selbst bei Guanlong, einem der ersten Tyrannosaurier, findet man noch einen rudimentären vierten Fingerknochen. Das spricht dafür, dass die Megalosaurier (bei denen man ansonsten keine vollständigen Hände kennt) irgendwann den vierten Finger verloren haben, so wie andere Raubsaurier auch. (Tyrannosaurus ist ja bekannt dafür, dass er nur zwei Finger hatte.) Unklar ist, ob der Fingerverlust unabhängig bei unterschiedlichen Gruppen passierte oder ob einer der Vorfahren (bei der 2 im korrekten oberen Kladogramm) den vierten Finger verlor und einige Arten wie Guanlong ihn dann wiederentwickelten (vielleicht sogar als Atavismus – so wie manchmal Pferde mit drei Zehen an einem Bein geboren werden).
Der große Kopf und andere Details (beispielsweise noch nicht verwachsene Knochen und die sehr regelmäßig angeordneten Zähne (Dinos wechseln ihre Zähne ja häufig, bei erwachsenen Raubsauriern sieht man deshalb oft ein Muster aus abwechselnd großen und kleinen Zähnen im Kiefer) sprechen dafür, dass unser Sciurumimus noch nicht ausgewachsen, sondern ein Jungtier war. Generell ähnelt die Zahnanordnung eher der von “primitiveren” Raubsauriern (wie dem Syntarsus in unserem Kladogramm). Das kann entweder daran liegen, dass Sciurumimus ein Jungtier war (bei Jungtieren findet man ja oft noch eher urtümliche Merkmale) oder es kann eine besondere Entwicklung aufzeigen, weil sich z.B. Syntarsus Sciurimimus ähnlich ernährte wie Syntarsus und deswegen ähnliche Zähne entwickelte.
Falls ihr trotz aller Dino-Erbsenzählerei zu den Details der Raubsaurier-Entwicklung bis hierhin durchgehalten habt – herzlichen Glückwunsch. Denn das beste und faszinierendste habe ich mir bis zum Schluss aufgespart. Nämlich das hier:
(Quelle: Rauhut et al, s.u.)
“Boah wie aufregend! Eine Detailaufnahme von ein paar Knochen unten mit ein paar komischen Kratzern darüber! Welch Sensation!” Falls ihr das gerade denkt und kurz davor seid, böse Kommentare zu hinterlassen – nein, das hier sind keine “komischen Kratzer”.
Es sind die Überreste von einer Art Flaum, der den Körper von Sciurumimus bedeckte. Sciurumimus war kein schuppiges Reptil, sondern ein Dinosaurier, der mit einer Art Fell bedeckt war. Bei diesem “Fell” handelt es sich nicht um Fell wie bei Säugetieren (mit denen ist Sciurumimus ja auch nur sehr entfernt verwandt), sondern um die Vorläufer von Federn – je nach Geschmack “Protofedern”, “Typ-I-Federn” oder auch etwas salopp “Dino-Fuzz” genannt. Deswegen hat Sciurumimus auch seinen Namen bekommen – weil er so “puschelig” ist wie ein Eichhörnchen. (Naja, vielleicht etwas übertrieben – so wahnsinnig eichhörnchenähnlich dürfte er trotzdem nicht ausgesehen haben.)
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