Was wird aber aus der Gleichung
E=mc²,
wenn wir nicht relativ zum Körper ruhen? Dann hat der Körper ja zusätzlich eine Bewegungsenergie. Gilt die Gleichung dann nicht mehr?
Nun, das ist Geschmackssache. Wenn ihr für m die Ruhemasse einsetzt, dann gilt die Gleichung so nicht mehr, und ihr solltet stattdessen die Gesamtenergie nach folgender Formel berechnen:
E² = γ²m²v²c² + m²c4
Das ist die “moderne” Sicht der Dinge ohne relativistische Masse.
Alternativ könnt ihr aber auch die “relativistische Masse” m’ verwenden und einfach schreiben
E=m’ c².
(Wenn ihr die Formel für den Lorentzfaktor γ einsetzt, könnt ihr euch davon überzeugen, dass beide Gleichungen dasselbe aussagen.)
Beide Formen der Gleichung sind gültig und letztlich gleich gut. In der modernen Physik verwendet man meist die erste Form, auch wenn sie komplizierter aussieht, weil man den Begriff der relativistischen Masse eben lieber vermeidet. Letztlich kann man sagen, dass die “relativistische Masse” wirklich nur ein anderes Wort für den Energiegehalt eines Körpers ist und vom Bewegungszustand abhängt, die “Ruhemasse” (oder Ruheenergie) dagegen ist eine inhärente Eigenschaft des Körpers. Weil das so ist, ist der Begriff “relativistische Masse” ziemlich überflüssig.
Und was ist mit der schweren Masse? Zu der hat die spezielle Relativitätstheorie nichts zu sagen, dafür ist die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) zuständig.
Masse in der ART
Die Allgemeine Relativitätstheorie ist eine Theorie der Gravitation, die die Erkenntnisse der Speziellen Relativitätstheorie berücksichtigt. Ausführlich habe ich darüber in meiner kleinen Serie über die Raumkrümmung geschrieben. Kurz gesagt krümmen Massen die Raumzeit, und die gekrümmte Raumzeit wiederum beeinflusst, wie sich Massen bewegen.
Hier soll mich nur interessieren, was die Rolle der Masse in der ART ist. Zunächst einmal gilt das Äquivalenzprinzip: Schwere und träge Masse sind immer identisch.
Was bei Newton eine reine unerklärte Beobachtung war, ist in der ART ein fundamentales Prinzip – denn letztlich gibt es in der ART gar keine Schwerkraft als Kraft, sondern eben nur die Raumkrümmung. (Auch das könnt ihr ausführlich in meiner Serie nachlesen, um mal wieder etwas Eigenwerbung zu machen.)
Aber welche Masse ist es denn nun, die für die Raumkrümmung verantwortlich ist – die Ruhemasse oder die relativistische Masse, sprich, der gesamte Energiegehalt?
Dazu können wir uns ein kleines Experiment vorstellen: Ich tue das, was ich nachmittags immer tue, wenn ich zu Hause bin, und koche mir einen Tee. ich fülle also kaltes Wasser in meinen Wasserkocher und schalte ihn an. Wenn das Wasser kocht, dann ist es deutlich heißer – schaut man sich die Wassermoleküle an, dann ist diese zusätzliche Wärme ja nichts als Bewegungsenergie, die Moleküle flitzen schneller durch den Kocher als vorher.
Der Wasserkocher enthält jetzt also mehr Energie als vorher. Ist er damit auch schwerer geworden (dann ist es die aktuelle Energie und damit letztlich die relativistische Masse, die für die Raumkrümmung verantwortlich ist) oder ist er genau so schwer wie vorher?
Die Antwort der Relativitätstheorie ist eindeutig: Ja, der Wasserkocher ist jetzt schwerer, die zusätzliche Energie erhöht die Raumkrümmung und wenn ich den Kocher hochhebe, muss ich mehr Arbeit leisten als vorher. Wenn euch das noch nicht aufgefallen ist, dann liegt das nur daran, dass die Wärmeenergie – verglichen mit der, die in der Ruhemasse steckt – sehr klein ist, der Massezuwachs beträgt (wenn ich mich nicht verechnet habe) für einen Liter Wasser etwa 5 Milliardstel Gramm.
Was die Schwerkraft (oder die Raumkrümmung) angeht, ist zunächst mal nur die Energie relevant, es ist egal, wo diese Energie herkommt. Man kann sich mit einem kleinen Gedankenexperiment überlegen, dass das auch so sein muss: Betrachtet ein Elektron und ein Positron, die umeinander kreisen (als so genanntes Positronium). Beide haben eine Masse und krümmen so die Raumzeit. Positronium ist aber nicht stabil – die beiden Teilchen stürzen aufeinander zu und vernichten sich gegenseitig, denn das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Heraus kommen zwei Photonen der Röntgenstrahlung, deren Energie genau der Energie der beiden Teilchen vorher entspricht. Wenn diese beiden Photonen, die ja keine Ruhemasse haben, die Raumzeit nicht krümmen würden, dann hätten wir von einem Moment auf den anderen eine sprunghafte Änderung der Raumkrümmung an diesem Punkt. (Sagte ich nicht oben, dass ich noch mal was zu den masselosen Teilchen schreiben würde? Teilchen ohne Ruhemasse krümmen die Raumzeit, weil sie Energie enthalten.)
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