Die “schwere Masse” ist also eigentlich die Energie. Dasselbe gilt wegen des Äquivalenzprinzips auch für die träge Masse. Schnelle Moleküle (wie in unserem Wasserkocher) haben mehr Energie und sind deswegen schwerer als langsame Moleküle.
Auch das umgekehrte Phänomen kann man beobachten. Ein Heliumkern besteht aus 2 Protonen und 2 Neutronen. Seine Masse ist aber knapp 1% geringer als die Summe der Massen seiner Bestandteile. Warum? Weil bei der Bindung der vier Teilchen aneinander Energie frei wird, diese Energie (die beispielsweise in Form von Photonen abgestrahlt wird) ist dem Kern sozusagen “verloren” gegangen. (Dass Bindungsenergien normalerweise negativ gerechnet werden, habe ich hier erklärt.)
In unserer Sonne wird ständig Wasserstoff zu Helium verbrannt. Dabei entsteht viel Energie, die von der Sonne als Licht abgestrahlt wird. Diese entspricht einer Masse von 4 Millionen Tonnen pro Sekunde. Die Sonne wird also in jeder Sekunde um satte 4 Millionen Tonnen leichter, das entspricht etwa der Masse von 6 bis 7 voll beladenen Supertankern. (Wir merken davon trotzdem nichts, weil die Masse der Sonne 2 Milliarden Milliarden Milliarden Tonnen beträgt.)
Nebenbemerkung: Ein Widerspruch?
Schwere Masse ist also immer Energie. Das ist aber nicht ganz richtig. In meinen Beispielen eben war ich sehr vorsichtig, sie so zu konstruieren, dass zwar die einzelnen Teilchen (wie die Wassermoleküle) eine Geschwindigkeit haben, dass aber das betrachtete System als Ganzes relativ zu uns in Ruhe ist. Was passiert aber, wenn ein einzelnes Teilchen mit relativistischer Geschwindigkeit an uns vorbeifliegt? Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass es dann natürlich ebenfalls die relativistische Geschwindigkeit sein muss, die die schwere Masse bestimmt. Und wenn ich dann nur schnell genug an dem Teilchen vorbeifliege, dann ist seine relativistische Masse riesig hoch. Dann müsste es aber doch zu einem schwarzen Loch werden, denn ein unglaublich massives Teilchen mit kleinem Durchmesser kollabiert doch zu einem schwarzen Loch. Und das wäre dann ein absurder Widerspruch, denn ob ein Teilchen ein schwarzes Loch wird oder nicht kann ja wohl nicht davon abhängen, wie schnell ich an ihm vorbeifliege.
Aber keine Sorge, die Theorie ist in Ordnung. Wenn sich nämlich ein Teilchen an euch vorbeibewegt, dann dürft ihr die ganz einfache Beziehung “Energiegehalt bestimmt Schwerefeld” nicht mehr anwenden. Bei einem System, dass eine Nettogeschwindigkeit hat, hat auch diese Geschwindigkeit – genauer gesagt, der Impuls – einen Einfluss auf die entstehende Raumkrümmung, und diese beiden Einflüsse tendieren dazu, sich gegenseitig aufzuheben. Es gibt hier also keinen Widerspruch. Kurz erklärt findet Ihr das auch hier.
ExpertInnenhinweis:Wenn ihr es genau wissen wollt: Die einsteinschen Feldgleichungen setzen die Raumzeitkrümmung in Beziehung mit dem Energie-Impuls-Tensor. Wenn das betrachtete System relativ zu euch ruht und der Druck nicht zu hoch ist, dann ist es nur eine Komponente des EITs, die relevant ist, nämlich die 00-Komponente (nein, die hat nichts mit dem stillen Örtchen zu tun), und das ist gerade die Energie. Bewegt sich das System relativ zu euch, dann sind auch die anderen Komponenten relevant, und die einfache Gleichsetzung “Raumkrümmung=Energiegehalt” funktioniert nicht mehr. Die Formel für den Radius eines Schwarzen Lochs (Schwarzschildradius) funktioniert übrigens auch nur, wenn ihr relativ zur betrachteten Masse in Ruhe seid.
Ende von Nebenbemerkung und ExpertInnenhinweis
Wir halten also fest: Nimmt man die SRT und ART zusammen, so gibt es zum einen die Ruhemasse eines Körpers. Diese entspricht dem Energiegehalt, wenn ich relativ zum Körper in Ruhe bin. Sie entspricht in diesem Fall auch der trägen und der schweren Masse.
Wenn sich der Körper bewegt (so wie die Moleküle im Wasserkocher), dann nimmt die Energie zu. Damit erhöht sich auch die “schwere Masse” – die Raumzeit wird stärker gekrümmt. (Dabei ist etwas Vorsicht geboten, siehe die Nebenbemerkung oben). Für die so gemessene “schwere Masse” ist vollkommen unerheblich, wodurch diese Energieerhöhung zu Stande kommt.
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