Nehmen wir wieder die Wassermoleküle im Wasserkocher als Beispiel. Wenn ich etwas Wärme zuführe und die Moleküle eine Winzigkeit beschleunige, dann steigt die Energie im Kocher. Wenn ich stattdessen aber z.B. Strom in das Wasser einleite und so einige Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalte, dann steigt die Energie im Kocher ebenfalls (weil ich Bindungen aufknacken muss, das kostet auch Energie). Und wenn ich schließlich ein paar weitere Wassermoleküle dazutue, dann steigt der Energiegehalt auch. An der Schwerewirkung des Kochers oder seiner Trägheit könnt ihr das nicht unterscheiden – in allen drei Fällen gilt E=mc². Habt ihr die Energie also um 1 Joule erhöht, dann ist die Masse des Kochers um etwa ein Billionstel Gramm zehn Billiardstel (Dank an Chemiker für die Korrektur) gestiegen, vollkommen egal, woher die Energieerhöhung kommt.
Higgsfeld und Masse
Und das beantwortet nebenbei eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Higgsfeld oft gestellt wird: Hat das Higgsfeld etwas mit der Gravitation und der ART zu tun, weil doch das Higgsfeld allen Elementarteilchen ihre Masse verleiht? Die Antwort könnt ihr euch jetzt hoffentlich denken: Das Higgsfeld sorgt dafür, dass ein ruhendes Elementarteilchen eine bestimmte Energie hat. Diese Energie bestimmt dann die schwere Masse des (ruhenden) Teilchens. Der Schwerkraft ist aber vollkommen egal, ob die Energie vom Higgsfeld oder von etwas anderem kommt.
Protonen beispielsweise, die ja in jedem Atomkern drinstecken, bestehen aus drei Elementarteilchen, drei Quarks. Diese Quarks beziehen ihre Masse aus dem Higgsfeld. Das Proton aber hat eine höhere Ruhemasse als der Summe der drei Quarkmassen entspricht – der größte Teil seiner Ruhemasse kommt aus der Bindungsenergie zwischen den Quarks. (Falls ihr euch wundert, wieso die Masse durch die Bindungsenergie größer wird und nicht kleiner, wie oben beim Heliumkern – das ist eine Besonderheit der starken Kernkraft, die die Quarks zusammenhält.) Trotzdem hat das Proton als Ganzes eine eindeutige Masse, und wir müssen – was die Schwerkraftwirkung oder auch die Trägheit angeht – nicht zwischen dem Anteil der Quarkmassen und dem der Bindungsenergie unterscheiden.
Fazit
Betrachten wir noch einmal den Wasserkocher und schauen uns seine Ruhemasse an:
Die Ruhemasse des Kochers (der relativ zu euch ruht) ist höher als die Summe der Ruhemassen aller Moleküle, aus denen er besteht, weil die Moleküle zusätzlich noch eine Bewegungsenergie haben. Die Ruhemasse eines Wassermoleküls wiederum ist kleiner als die Summe der Ruhemassen der einzelnen Atome, weil diese aneinander gebunden sind. Die Ruhemasse eines Atoms ist wiederum kleiner als die Summe der Ruhemasse seiner Elektronen und seines Kerns, ebenfalls wegen der Bindungsenergie. Auch die Ruhemasse des Kerns ist (wieder wegen der Bindungsenergie) kleiner als die Ruhemasse der einzelnen Protonen und Neutronen (das haben wir oben am Beispiel des Heliumatoms gesehen). Aber die Ruhemasse eines Protons ist größer als die Summe der Ruhemassen seiner drei Quark-Bestandteile, weil in diesem Fall die Bindungsenergie positiv gezählt werden muss. Alles klar?
Wie ihr seht, ist der Massebegriff tatsächlich etwas überladen – mit etwas Nachdenken kann man aus dem Zusammenhang aber normalerweise herausbekommen, welche Masse nun gemeint ist.
PS: In diesem Text geht es mal wieder auch um die Relativitätstheorien. Falls ihr zu den LeserInnen gehört, die sich jetzt versucht fühlen, hier mal wieder einen entsprechenden Kommentar zu hinterlassen, weil die Relativitätstheorie ja unsinnig, absurd, der Erfahrung widersprechend, in sich unlogisch oder sonst etwas ist – lasst es einfach. Das Universum ist, wie es ist, nicht so, wie ihr es gern hättet. Wie gesagt, Dharma.
Kommentare (67)