Dieses Ergebnis ist sehr überraschend und widerspricht sicher unserer einfachen Vorstellung vom anstrengenden Leben der Jäger und Sammler. Die Wechselwirkung zwischen Nahrungsaufnahme, Energieverbrauch und Übergewicht ist also anscheinend komplizierter als unser einfaches Bild suggeriert.

Allerdings haben die Hadza ein etwas höheres Verhältnis von Energieverbrauch zu Grundumsatz – sie verbrauchen also einen etwas größeren Anteil ihrer Energie für ihre tatsächlichen Aktivitäten und weniger für die Grund-Körperfunktionen. Auch das liegt aber an ihrer Körpergröße, plottet man das Verhältnis wieder gegen die Körpermasse, dann liegen die Hadza genau auf der Trendlinie für westliche Menschen. Wenn ich es richtig verstehe (bin mir aber nicht ganz sicher) ist das der Kritikpunkt, der hier geäußert wird: Die geringe Größe der Hadza ist eine Anpassung an eine energiearme Umgebung und erlaubt ihnen, einen größeren Teil ihrer Nahrung eben für ihre Aktivitäten einzusetzen und nicht für ihren Grundumsatz. Mir ist nicht ganz klar, ob das eine stichhaltige Kritik ist – dann müssten kleine westliche Menschen meiner Ansicht nach ja irgendwo aus dem Trend herausfallen, denn sie sind ja im Mittel (soweit ich es sehe) nicht so schlank wie die Hadza. Ein weiterer Kritikpunkt, der in dem Blogeintrag geäußert wird, ist, dass Übergewicht ja durch ein kleines Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch hervorgerufen wird, das in dieser Studie nicht zu erfassen wäre. Dieser Punkt leuchtet mir allerdings nicht ein (vielleicht verstehe ich ihn auch falsch), denn in dem paper geht es ja nicht direkt um Übergewicht sondern um die Frage, wie sich starke körperliche Aktivität auf den Kalorienverbrauch auswirkt.

Eins sollte man aus dieser Studie übrigens auf gar keinen Fall schließen: Dass Sport treiben nicht gegen Übergewicht hilft und man es deshalb auch lassen kann. Es gibt hinreichend viele Studien, die belegen, dass Sport treiben einen wichtigen Beitrag zum Abnehmen leistet (mal davon abgesehen, dass Sport auch ansonsten sehr gesund ist) – allerdings sollte für gezieltes Abnehmen immer auch bei der Kalorienaufnahme angesetzt werden. Eine Ausrede für Sportmuffel liefert der Artikel also nicht.

Generell wirft der Artikel natürlich eine wichtige Frage auf: Wenn der tägliche Energieverbrauch von der Lebensweise einigermaßen unabhängig ist, was bestimmt ihn dann? Das ist eine offene Frage – in der Arbeit wird spekuliert (und mit Daten von anderen Säugetieren untermauert), dass der tägliche Energieverbrauch durch unsere Physiologie bestimmt wird und weniger durch unsere Lebensweise. Hier gibt es sicherlich noch viel Forschungsbedarf.

 

Quelle:
Herman Pontzer, David A. Raichlen, Brian M. Wood, Audax Z. P. Mabulla, Susan B. Racette, Frank W. Marlow
Hunter-Gatherer Energetics and Human Obesity
PLOS One, Volume 7, e40503 (frei verfügbar)

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Kommentare (12)

  1. #1 Dr. Nick
    28. September 2012

    Ein zusaetzliches Argument dafuer dass das die Studie erstmal nichts direkt mit Sport zu tun hast ist, dass die Hadza ihre Nahrungssammlung and aehnliche Taetigkeiten ja nicht als Sport betreiben. Sport hat oftmals Wettkampfcharakter, entweder gegen einen Gegner, gegen ein Team, oder gegen sich selber, mit dem Ziel, sein Limit zu erreichen. Das ist ja gerade dass, das jemand der Nahrung zum Ueberleben sammelt bzw. Energie sparen will/muss vermeiden will. Ein Jaeger will ja gerade effizient mit seinen Ressourcen umgehen und ein Sammler ja ebenfalls. Wenn ich Sport mache schwitze ich dagegen wie ein Schwein und fuehle mich dann besonders gut, wenn ich total erschoepft bin…. …somit sollte man die Studie nicht mit Sport in einen Topf werfen, denke ich.

  2. #2 threepoints...
    28. September 2012

    Eine Zeit lang habe ich mal die These vom Hormonhaushalt im Organismus als einen Faktor für Übergewicht angenommen und durchdacht (Genderhormone). Dabei sei aber auch ein sonderbarer Hinweis, dass ich neulich irgendwo las, dass sich in Fettzellen besondere Hormone fanden, die irgendwie mit den Genderhormonen in Verbindung stehen.

    Zudem vermutete ich auch noch eine Grundspannung des Organismus/Körpers, der dazu führt, dass mehr Kalorien verbrannt werden (und nicht als Fett auf die Hüften und Bauch gelangt). Eine Beobachtung, die das unterstützen würde, habe ich an mir selbst gemacht.

    Hinsichtlich der Bewegung eines körpers muß auch beachtet werden, dass sich dadurch der Hormonhaushalt verändern lässt. Nur gemutmaßt ist, dass bei größerer Anstrengung / Bewegung der Körper eben mehr Testostheron bildet und dieses Hormon vielleicht einen Einfluß auf den Energiehaushalt darstellt (möglicherweise eben auch dahingehend, dass der Körper dadurch in eine höhere Körperspannung versetzt).

  3. #3 threepoints...
    28. September 2012

    kommentarabo…

  4. #4 threepoints...
    28. September 2012

    Hat man eigendlich Erkenntnisse über die Nahrungsverwertung? Was von dem, was ich esse und trinke kommt wo an und/oder wieder raus? Es gibt da ja die Volksweisheiten vom schlechten Nahrungsverwerter, denen man manchmal begegnet.
    hat man das bei der Studie eigendlich mal aufsummiert? Also die zugeführte Energie soweit dem jeweiligen Verbrauch zugeordnet und vielleicht auch Stuhlproben entnommen und dessen energiegehalt ausgewertet?

  5. #5 matthias
    28. September 2012

    Also, wenn ich ehrlich bin finde ich 11km jetzt nicht sooo aktiv. Wenn das mit GPS gemessen wurde, kann man ja davon ausgehen, dass das wirklich alles ist, was die Hadza an einem Tag so an Bewegung leisten – also jeder Gang in die Nachbarhütte mit einberechnet (oder wie auch immer die leben).
    Da würde mich schon mal interessieren, was da bei einem “westlichen” Menschen unterm Strich rauskommt, ich denke mal, wer z.B. als Kellner arbeitet toppt das locker. 11km sind ja etwa 3Stunden lockere Bewegung, mein täglicher (vollkommen sinnloser) Abendspaziergang sind schon mal 2km, so eine Kleinigkeit nebenbei, wie der Weg vom Hörsaal zur Mensa und wieder zurück sind 0,75km (wenn ich Glück hab, wenn ich grad am falschen Ende der Uni bin, ists auch mal doppelt so viel) – das läppert sich schon zusammen. Da kommt doch jeder auf 4-5 km täglich “so nebenbei”, trotz Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln. Kleinvieh macht auch Mist…
    Ehrlichgesagt erstaunt mich am meisten, dass man als Jäger und Sammler so wenig unterwegs ist.
    Hat mal jemand (mit GPS-Smartphone oder so) gemessen, wieviel er oder sie am Tag so unterwegs ist?

  6. #6 Stefan W.
    29. September 2012

    04:59 Uhr
    @matthias: Ich meine erst ganz kürzlich in nano gehört zu haben: 500m beim Erwachsenen. Aber ob das DE oder US war …?

  7. #7 MartinB
    29. September 2012

    @matthias
    Also ich finde 11km schon ziemlich viel, auch wenn es bei uns einige Berufe gibt, die das auch erreichen oder toppen – und dazu kommt sicher noch, dass die sicher nicht in gerader Linie gehen und das GPS das sicher nicht ganz genau erfasst. Dass jeder auf 4-5 Kilometer nebenbei kommt, mag ich aber nicht glauben – die meisten Leute gehen nicht mal eben 2 km spazieren oder nen Kilometer zum Mittagessen, denke ich.

    @threepoints
    Das mit der Nahrungsverwertung sollte ja durch die Isotopenanalyse automatisch erfasst werden.

  8. #8 matthias
    29. September 2012

    500m?? Das schlafwandel ich doch…
    OK, ich muss mal schaun, ob ich das nicht mal bei mir selbst ausmessen kann, aber irgendwie will das GPS an meinem Handy nicht so ganz.
    Um mal im Nachhinein die Länge eines Spaziergangs auszumessen, ist das gmap-pedometer ganz praktisch. 2km ist nun wirklich nicht viel – hatte mal n Date mit deutlich über 11km…

  9. #9 T. Werner
    30. September 2012

    Würde mich mal interessieren wie sich das in Relation zur Ausdauerjagd der San verhält. Die reißen ja sicherlich deutlich mehr Kilometer ab!

  10. #10 roel
    *****
    10. Oktober 2012

    @matthias, Stefan W, MartinB und T.Werner

    Es gab vor 7 oder 8 Jahren eine umfangreiche Studie zu diesem Thema, leider finde ich die nicht. Aus dem Gedächtnis heraus legte in Deutschland jede/r zu Fuß ca. 850m zurück. (Habe leider keine Zeit zu recherchieren)

    Aber aus Wikipedia gibt es Zahlen. https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4umliche_Mobilit%C3%A4t : Die Länge der Fußwege liegt im Durchschnitt bei 1,4 km.

  11. #11 MartinB
    10. Oktober 2012

    @roel
    Danke. Wenn ich es richtig sehe, sind da aber all die “kleinen” Wege, die man z.B. im Haus oder bei der Arbeit geht geht, nicht mit drin; die läppern sich vermutlich auch zu ein paar Hundert Metern oder mehr (mal zum Kopierer, ins Sekretariat, zum Kollegen ins Büro etc…).

  12. #12 AlexD
    Wien
    4. Dezember 2012

    Ich bin Freitaucher, da beobachten wir sehr genau, wie sich der Sauerstoffverbrauch bei körperlicher Betätigung reduzieren lässt. Eine Erkenntnis ist, wenn derselbe Bewegungsablauf sehr oft von Menschen durchgeführt wird (wie zB gehen, laufen), dann kann das der Mensch sehr ökonomisch und damit energiesparend durchführen. Will man abnehmen, sollte man daher den Körper den unterschiedlichsten Aktivitäten und Belastungsstufen IMHO aussetzen.