Zerstörungsfreie Quantenmessungen
Wie oben angeführt, befindet sich ein Quantensystem nach einer Messung in einem eindeutigen Zustand zur jeweiligen Messgröße. Messe ich also den Ort der Snookerkugel, dann ist die Snookerkugel an diesem Ort. Gleiches gilt für die Geschwindigkeit. Das ist allerdings meist nur in der Theorie sie. Schon bei der Ortsmessung haben wir gesehen, dass die Kugel ja nicht am Ort bleibt, sondern – weil ihre Geschwindigkeit unbestimmt ist – nach kurzer Zeit irgendwo sein wird. Messe ich beispielsweise ein Lichtteilchen (ein Photon), dann tue ich das vielleicht mit einer Fotoplatte – nach der Ortsmessung ist deshalb das Photon zerstört. In der Realität ist es deshalb sehr knifflig, einen Quantenzustand so zu messen, dass das Teilchen hinterher immer noch in diesem Zustand ist, den ich jetzt genau kenne. Das Team um Haroche hat genau solche Messungen (“quantum non-demolition measurement”, zu deutsch etwa “zerstörungsfreie Quantenmessung”) hinbekommen.
Allerdings haben sie dazu keine Snookerkugeln genommen (wer es schafft, die in einen messbaren Überlagerungszustand zu versetzen, bekommt bestimmt auch nen Nobelpreis), sondern mit Licht. Licht hat allerdings den Nachteil, dass es sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, und die ist ziemlich groß. Um am Licht rumzumessen, haben Haroche und sein Team deshalb das Licht eingesperrt, und zwar zwischen zwei Spiegel. Dazwischen kann das Licht “gefangen” werden. (Das sind allerdings keine handelsüblichen Badezimmerspiegel aus dem Baumarkt, sondern extrem stark gekühlte supraleitende Spiegel, denn das Licht soll für eine Zehntelsekunde zwischen den Spiegeln bleiben – dabei wird es natürlich sehr oft “hin- und her-reflektiert”, so dass man Spiegel braucht, die möglichst absolut überhaupt kein Licht verschlucken.)
Wir betrachten das ganze erst mal mit den Augen der klassischen Physik. Danach ist Licht ja eine elektromagnetische Welle, die man sich etwa so vorstellen kann:
In blau seht ihr hier das elektrische Feld, in rot das Magnetfeld, und die Welle bewegt sich von links nach rechts. In diesem Zustand ist das elektrische Feld der Welle eindeutig festgelegt und zeigt immer in eine bestimmte Richtung, hier zeigt es im linken Wellenberg zum Beispiel nach oben, im nächsten nach unten. Licht, bei dem das so ist, nennt man kohärent – es ist die Art Licht, die man aus einem Laser herausbekommt.
Im Experiment von Haroche wurde jetzt eine solche Welle zwischen den Spiegeln gefangen, und zwar so, dass es nur ein kleines Wellenpaket war, das zwischen den Spiegel hin- und herläuft. Unser Licht ist jetzt also in einem kohärenten Zustand, und zwar auch, wenn man es quantenmechanisch beschreibt. So etwa könnt ihr euch das elektrische Feld in so einem Wellenpaket vorstellen:
Das Wellenpaket läuft dabei so zwischen den beiden Spiegeln hin und her, dass an einem bestimmten Ort das elektrische Feld immer denselben Wert hat – wenn ihr euch vorstellt, dass oben im Bild recht der eine und links der andere Spiegel ist, dann sieht das Wellenpaket, wenn es nach einem hin und her wieder an derselben Stelle angekommen ist, auch wieder genauso aus.
Wie viele Photonen?
Ein solcher kohärenter Zustand hat eine sehr merkwürdige Eigenschaft: Seine Energie ist nämlich nicht exakt definiert. Die Energie ist eine klassische Messgröße, aber genau wie oben unsere Snookerkugel in einem Überlagerungszustand aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten war, ist unser kohärentes Wellenpaket in einem Überlagerungszustand aus unterschiedlichen Energien.
Nun besteht Licht ja – in der quantenmechanischen Betrachtungsweise – aus Lichtteilchen, den Photonen. Jedes Photon (mit einer bestimmten Wellenlänge) trägt auch eine bestimmte Energie. Wenn also die Energie des Wellenpakets nicht genau definiert ist, sondern es sich in einem Überlagerungszustand befindet, dann heißt das, dass die Zahl der Photonen in diesem Wellenpaket ebenfalls nicht genau definiert ist. Das Paket ist in einem Überlagerungszustand aus null, einem, zwei, drei, usw. Photonen. (Für die Handvoll Leute, die fleißig meine Quantenfeldtheorie-Serie gelesen hat, ist das natürlich ein alter Hut.)
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