G.G. Simpson, THE CASE HISTORY OF A SCIENTIFIC NEWS STORY, Science, VOL. 92, No. 2381, pp. 148-150

 

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Kommentare (38)

  1. #1 rolak
    21. Oktober 2012

    Es hätte mich auch ziemlich verwundert, wenn solch Merkwürdigkeiten beim Übergang von erster Arbeit zu letzter Veröffentlichung erst in den letzten Jahren aufgekommen wäre.

    Schöner Text zum Sonntagsmorgen…

  2. #2 Jürgen Schönstein
    21. Oktober 2012

    Zwei Dinge sind mir beim Lesen des Originalartikels (damit meine ich Simpsons Zwei-Seiten-Story in science, nicht das 287-Seiten-Paper, mit dem die ganze Sache begann) aufgefallen:
    1. Am besten stehen, in seinen Augen, jene sechs Zeitungen da, in denen die Pressemitteilung des American Museum of Natural History praktisch unverändert nachgedruckt wurde. Dies ist insofern erwähnenswert, als wir heute gerne die Zeitungen dafür kritisieren, nur noch Abdruckplattformen für wissenschaftliche Pressemitteilungen zu sein. Vielleicht ist das manchmal doch gar keine so schlechte Idee…

    2. Ich lese “zwischen den Zeilen” heraus, dass die VerfasserInnen des Pressetexts, mit dem Segen Simpsons, offenbar versucht hatten, durch den Einsatz von Vergleichen (irgendwas von “so groß wie Ratten oder Mäuse” muss da ja gestanden haben) den Inhalt für Laien begreifbarer zu machen. Aber sie haben dabei unterschätzt, dass solche rhetorischen Mittel leider immer eine Sollbruchstelle im Kommunikationsprozess sind. Dazu habe ich hier schon mal ein bisschen lauter nachgedacht …

  3. #3 Jürgen Schönstein
    21. Oktober 2012

    Nachtrag: Den Originaltext des Bulletins (eigentlich ein Buch) von G.G. Simpson über “The Fort Union of the Crazy Mountain Field, Montana, and Its Mammalian Faunas” findet man hier, wenn auch mit gelegentlichen Ungereimtheiten als Folge des Einscannens und Umwandelns in eine Textdatei. Den Original-Pressetext des American Museum of Natural History kann ich leider nicht finden, aber ich werde mich trotzdem mal zu folgender Behauptung versteigen:
    Anstatt zu belegen, wie unfähig die Presse im Umgang mit wissenschaftlichen Materialien ist, scheint das Beispiel – vor allem der Hinweis darauf, dass offenbar die Pressearbeit versagt hat – das Problem erst mal bei den Aussendern zu verorten: Wenn ich als (Public-Relations-)Fachmann feststellen müsste, dass nur zehn Prozent meiner “Kunden” die Information, die ich verschickt habe, richtig verstehen konnten, dann würde ich erst mal meine Fähigkeiten bezweifeln, ehe ich anderen Unfähigkeit unterstelle.

  4. #4 MartinB
    21. Oktober 2012

    @Jürgen
    Das scheint mir nicht passend. In der Original-Pressemitteilung stand nichts von 70 Mio jahren, es wurde explizit darauf hingewiesen, dass die gefundenen Fossilien nicht in der direkten Linie zum Menschen stehen und von kodaikgroßen Hunden stand auch kein Wort drin. All diese Dinge hat sich also irgendwer einfach mal dazugedacht. Und dann haben andere von den veröffentlichten Texten abgeschrieben, statt vielleicht mal die Original-Mitteilung zu konsultieren. Der großteil der 90%, die Blödsinn geschrieben haben, haben ja anscheinend die Original-Pressemitteilung nicht mal gelesen. Deswegen habe ich ja auch von “Stille Post” geschrieben. Und daran kann der “Sender” ja nichts ändern.

  5. #5 Jürgen Schönstein
    21. Oktober 2012

    @MartinB
    Ohne Kenntnis der Original-Pressemitteilung ist das natürlich nicht zu entscheiden. Aber ich habe in meinem Leben genug Pressemitteilungen (nicht zuletzt wissenschaftliche) gelesen, um zu wissen, dass hier eine potenzielle Fehlerquelle liegen kann. Oftmals beginnt das Problem schon damit, dass die Auswahl der Information nicht darauf zugeschnitten ist, was die Empfänger wissen müssen, sondern was der/die SenderIn glaubt sagen zu müssen/wollen. Ich nehme nur mal ein Beispiel: Irgendwo her müssen ja die 70 oder gar 80 Millionen Jahre als falsche Altersangabe kommen – wenn im Pressetext nur ganz unmissverständlich von 50 Millionen Jahren die Rede war, dann ist solch ein Lapsus eher unwahrscheinlich. Aber es kann beispielsweise sein, dass die Pressemitteilung das Alter des Paläozans insgesamt als “vor 70 Millionen Jahren” angegeben hatte, oder – aus wissenschaftliche Sicht ja durchaus korrekt, aber halt nicht sehr hilfreich – lediglich “Paläozän” als Zeitangabe geliefert hat (vielleicht sogar mit der Eingrenzung “oberes”, um den Zeitraum auf die etwa 50 Millionen Jahre einzugrenzen); selbst heute ist es nicht jedem sofort einsichtig, welche Zeiträume dabei genau umspannt werden, und vor Wikipedia wäre es (ich weiß das aus eigener Erfahrung) eine mühsame Suche gewesen. Dies wäre ein klassisches Beispiel für die Art von Missverständnissen, die ich hier meine: Weil Wissenschaftler wissen, dass die Datierung der Formationen durchaus noch nicht gefestigt ist (die Festlegung der Kreide-Tertiärgrenze bei ca. 65 Millionen Jahren ist ja eine relativ junge Erkenntnis), wählen sie eine zwar korrekte, aber halt nicht anschauliche Angabe. Das hilft dem Journalisten aber nichts, weil er dies seinem Leser – und dem Chefredakteur – so nicht vermitteln kann. Also wandelt er (nach bestem Wissen und Gewissen) diese Angaben in etwas um, was auch ein Nicht-Fachpublikum verstehen kann – und das ist die von mir oben erwähnte “Sollbruchstelle”.

    Natürlich kenne ich als ehemaliger BILD-Mitarbeiter sehr genau die Mechanismen, die dann die Kodiakhunde und wasweißich produzieren. Aber wenn selbst Publikationen wie die NY Times und die Washington Post offenbar – aus Simpsons Sicht – gravierende Fehler gemacht haben, obwohl sie (auch das weiß ich aus persönlicher Anschauung) sehr strenge und sorgfältige Fakten-Prüfer haben, dann bin ich mir fast schon sicher, dass zumindest ein Kern des Missverständnisses in der – uns nicht vorliegenden – Pressemitteilung lag.

    Und nur ein kleiner Nachtrag: Associated Press war zumindest in jenen Jahren, als ich noch mit ihr gearbeitet habe, vor allem eine Plattform, auf der auch Beiträge der MItgliedszeitungen syndiziert wurden. D.h. die Artikel der NY-Times und der Washington-Post wurden mit Sicherheit als AP-Meldungen weiter verbeitet. Dass dadurch eine Art Stille-Post-System entsteht, ist klar – sollte aber auch einem Presse-Referenten der späten 30-er Jahre schon bekannt gewesen sein. Auch heute noch gibt das AMNH der NY Times eine Präferenz (auch das weiß ich nun sehr genau aus eigener Anschauung), um just diesen Weiterverbreitungeffekt zu nutzen. Ich habe mir den Oroginaltext der Times durchgelesen, und sehe natürich sofort, dass es vor allem die Überschrift und die Unterzeile (in der das Wort “Link” vorkam, was sowieso eine unglückliche Anspielung ist) waren, die den Wahrnehmungsprozess der Nachnutzer geformt haben; der Text selbst ist zwar kein sprachliches Glanzstück, aber sicher weitgehend ohne eindeutig erkennbare Fehler. Aber auch da frage ich mich: Waren diese Anspielungen vielleicht schon im Originaltext drin? Ich erinnere hier nur wieder an die in meinem ersten Kommentar verlinkten “Tarnkappen” und “Röntgenblicke”.

  6. #6 MartinB
    22. Oktober 2012

    “dass die Pressemitteilung das Alter des Paläozans insgesamt als “vor 70 Millionen Jahren” angegeben hatte, oder – aus wissenschaftliche Sicht ja durchaus korrekt,”
    Nein, 70Mio Jahre lag (und liegt) tief in der Kreidezeit. Simpson spricht in seinem Artikel nur vn der Altersangabe, die er autorisiert habe, es wird nicht ganz klar, ob die explizit in der Pressemitteilung steht. Aber selbst wenn da gar keine Zahl steht, dann hat irgendwer eine falsche Zahl recherchiert.

    Genauso ist es mit den “Mäusen” – da steht irgendwo “so groß wie Ratten und Mäuse” und daraus wird dann “Mäuse”?? . Ebenso wurde die laut Simpson explizit gemachte Aussage, dass die Fossilien nicht in der direkten Vorfahrenlinie zum Menschen stehen, ins absolute Gegenteil verkehrt. Tut mir Leid, aber da wird von meiner Tochter in Klasse 6 mehr Leseverständnis erwartet

    Und mal ganz ehrlich: Müssen Fussballmannschaften in ihren Pressemitteilungen jedes Wort auf die Goldwaage legen, damit nicht plötzlich gesagt wird, dass die ja immer 22 Mann aufs feld schicken o.ä.? Vergleichbar abstruse Fehler in Sportmeldungen dürften deutlich seltener sein – weil Sportreporter halt auch Ahnung von Sport haben.

  7. #7 UMa
    22. Oktober 2012

    “Nein, 70Mio Jahre lag (und liegt) tief in der Kreidezeit.”

    Martin, der Artikel ist von 1940. Die damals aktuelle Geologische Zeitskala von Holmes (1937) gab 70 Mio Jahre für die Kreide-Tertär Grenze an. Erst die Zeitskala von Kulp (1961) gibt ein jüngeres Alter (63 Mio Jahre) für diese Grenze an.
    Eine Übersicht über die Entwicklung der Geologische Zeitskala gibt es z.B. im Buch “A Geologic Time Scale 2004” von Felix M. Gradstein, James G. Ogg, Alan G. Smith, Seite 13ff

  8. #8 MartinB
    22. Oktober 2012

    @UMa
    Echt? Ich dachte immer, die zeiten hätten sich seit damals noch hin zu größeren Werten verschoben. Danke für den Hinweis – mich wundert dann allerdings, wieso simpson schreibt, dass die von ihm autorisierte Zahl “much lower” gewesen sei – sooo lang war das Paläozän doch gar nicht.
    Wenn ich nachher Zeit habe, werde ich das oben mal anpassen.

  9. #9 UMa
    22. Oktober 2012

    Die ursprüngliche Veröffentlichung
    “The Fort Union of the Crazy Mountain Field, Montana, and Its Mammalian Faunas”
    ist bis 1936 geschrieben worden und wurde 1937 veröffentlicht. Dort konnte Simpson noch nichts von der neuen Zeitskala (Holmes, 1937) wissen. Auch enthält sie keine absoluten Zeitangaben.

    Mich würde jetzt wirklich interessieren, welche Zeitangabe in der Pressemitteilung stand.

    Bei den Fossilien handelt es sich um welche aus dem mittlern und oberen Paläozän. Teilweise auch aus dem unteren. Das Paläozän ging laut Holmes, 1937 (1) von 70-68 Mio Jahren.
    Falls das die Quelle für die 70 Mio Jahre war, und die Journalisten die Angabe Paläozän mittels der neuen Zeitskala in ein absolutes Alter umgewandelt haben. habe sie meiner Meinung nach (dabei) nichts falsch gemacht. 68,x Mio Jahre wäre übertriebene Genauigkeit gewesen. (*)
    Das Dan wurde m.W. damals übrigens noch zur Kreide gerechnet.

    Ich habe aus den Quellen (1-4) ein paar Zeitangaben zusammengetragen. Wegen der unterschiedlichen Angaben der Quellen (2) und (3) zu Holmes, 1947, sollte man bei Interesse besser die Primärquellen überpüfen.

    Meine Vermutung: Vielleicht ist Simpson generell von Holmes, 1933 (oder einer anderen früheren Quelle) ausgegangen?

    Zeitskalen, Kreide/Tertär Grenze, Dauer es Paläozän jeweils in Mio Jahren
    Holmes, 1913 (…) ? ,—
    Barrel, 1917 (2) 55-65, —
    Holmes, 1933 (2) 60, —
    Holmes, 1937 (1) 70, 68-70
    Holmes, 1947 (3) 70?, 58-70?
    Holmes, 1947 (2) 58-68, —
    Holmes, 1960 (1) 70, 60-70
    Kulp, 1961 (1,2) 63, 58-63

    GTS2004 (1) 65.5 55.8-65.5
    GTS2008 (4) 65.5 55.8-65.5
    GTS2012 (4) 66.0, 56.0-66.0

    (1) nach Gradstein et. al. “A Geologic Time Scale 2004”
    (2) nach Kulp, “Geologic Time Scale”, Science (1961), 133, 1105-14
    (3) Harland et.al.”A Geologic Time Scale 1989″
    (4) http://www.stratigraphy.org

    (*) Allerdings kann das auch nach hinten losgehen, wenn man den Beginn eines Zeitabschnitts nimmt. So habe ich vor einigen Jahren mit Verwunderung gehört, dass die Dinosaurier vor 136 (!) Mio Jahren ausgestorben seien. Der betreffende wusste wohl noch, dass dies in der Kreide der Fall war, hat in einem Lexikon o.ä. nachgesehen und war in der Zeitskala die Spalte “Beginn vor x Mio Jahren” geraten.

  10. #10 MartinB
    22. Oktober 2012

    @UMa
    “70-68 Mio ”
    cheint mir aber arg kurz für’s Paläozän, oder nicht?

    Ja, den Zahlenwert wüsste ich auch gern In dem Science-Artikel steht nur “much lower figure that I authorised”, aber leider nicht, wie viel niedriger diese Zahl war. “Much lower” passt jedenfalls nicht zum Unterschied zwischen 70 und 68. Ich habe noch ein bisschen in dem Link von Jürgen herumgesucht (mein pdf ist nicht durchsuchbar), aber nur relative Altersangaben (middle-upper paleocene) finden können.

  11. #11 UMa
    23. Oktober 2012

    @MartinB
    ““70-68 Mio ”
    cheint mir aber arg kurz für’s Paläozän, oder nicht?”

    ja, aber damals m.W. noch ohne das Dan. Heute sind es nach
    https://www.stratigraphy.org/ics%20chart/ChronostratChart2012.pdf
    10 Mio Jahre (66.0-56.0), ohne das Dan nur 61.6-56.0, also 5.6 Mio Jahre.
    Auch war der Beginn der Kreide mit 108 Mio Jahren, und der des Jura mit 145 angegeben. Auch etwas kurz. Dagegen das Pliozän … (16-1)!
    Mal sehen, ob der Link geht:
    https://www.scribd.com/doc/76425653/0521781426#page=39

  12. #12 MartinB
    23. Oktober 2012

    Aber mit 68 statt 70 macht ja die Aussage “much lower figure” gar keinen Sinn mehr…???

  13. #13 Jürgen Schönstein
    23. Oktober 2012

    @MartinB
    So lange wir den Originaltext der Pressemitteilung nicht kennen, bleibt dies alles natürlich Spekulation, aber ich wäre nicht überrascht, wenn wir dort Begriffe wie “mouse-like” – oder eine gleichwertige Umschreibung – finden würden. Das heißt zwar nicht, dass es Mäuse waren, aber könnte schon von jemandem mit durchaus ehrlichen Intentionen als “mäuseartig” = irgendwie Mäuse fehlinterpretiert werden.

    Was mich an Simpsons Lamento stört ist, dass er alleine den Medien die Schuld gibt, alles falsch verstanden zu haben – aber nicht die Quelle der Informationen offenlegt. Das zum Beispiel ist ein Grundfehler in seiner Kommunikation (und beweist zumindest, dass er davon offenbar nicht viel Ahnung hatte): Er gibt dem Leser einfach nicht die zum Verständnis seiner Aussagn notwendigen Informationen. Selbst im Science-Artikel schreibt er nicht, welche Zahlenangaben in der Pressemitteilung gemacht wurden, sondern orakelt herum – das macht mich extrem missrauisch. Wie gesagt, wer mag ja vom “oberen Paläozän” geredet haben und überzeugt gewesen sein, dass dies eine präzise Angabe ist (und Geologen/Paläontologen hätten das gewiss auch so gesehen) – aber in Publikumsmedien sind solche Zeitangaben nutzlos. Und hier setzt mein Vorwurf an: Es geht nicht darum, was ich als Wissenschaftler glaube sagen zu müssen, sondern ich muss auch anerkennen, was mein Publikum an Informationen braucht, um dies zu verstehen.

    Dein Beispiel mit einer Fußballmannschaft ist, verzeih mir, ziemlich arrogant: NIcht jeder normale Leser muss die Erdzeitalter auswendig kennen. Wenn Du eine Pressemitteilung über Snooker an ein allgemeines Publikum schickst, bist Du auch besser beraten, ein paar Regeln und Spiel-Besonderheiten gründlicher zu erklären – oder Du musst gegebenenfalls damit leben, dass etwas falsch verstanden wird. Nochmal: Wenn sich selbst die notorisch faktencheckenden Blätter New York Times und Washington Post schon verrannt hatten, dann müssen einfach einige Wegweiser falsch beschriftet gewesen sein.

    Ich habe hier schon mal versucht zu erklären, dass man in der Kommunikation nicht einfach dem Leser die Arbeit aufbürden kann, die Absicht des Senders zu verstehen – dieser Veranwortung zur Klarheit liegt beim Sender. Das versuche ich meinen Stundenten tagtäglich beizubringen.

  14. #14 MartinB
    23. Oktober 2012

    @Jürgen
    Aber der Kern der Simpson-Geschichte ist ja der, dass die Geschichte mit jeder Umschreibung abstruser wurde, so dass am Ende etwas herauskam, das mit der ursürnglichen Geschichte nichts mehr zu tun hatte oder sogar das exakte gegenteil aussagte.

    Den vergleich mit einem Text, den ich für Außenstehende über Snooker schreiben würde, finde ich übrigens sehr bezeichnend (und er bestätigt genau das, was ich meine): Warum sollen Journalisten in Punkto Wissenschaft als ahnungslose Laien behandelt werden, in anderen Gebieten (Sport, Politik) werden sie das ja auch nicht? Wenn die Snooker Association eine Pressemitteilung rausgibt, die sich an Sportreporter richtet, dann sieht das z.B. so aus:
    https://www.worldsnooker.com/page/NewsArticles/0,,13165~2953930,00.html
    Da erklärt dir keiner, was seeding cutoff-points sind, das musst du halt wissen, wenn du snooker-news liest. Und da wirst du jetzt als Jourbnalist auch nicht hinterher einen Artikel darüber schreiben, dass die Leute Samen an bestimmten Punkten abschneiden und dich dann beschweren, man hätte es in der Pressemitteilung halt besser erklären müssen.

  15. #15 MartinB
    23. Oktober 2012

    Sorry, der Link scheint nicht zu funktionieren – Klicke hier
    https://www.worldsnooker.com/page/NewsHome
    und gehe auf “Selby and Higgins Into Last 16”

  16. #16 Jürgen Schönstein
    23. Oktober 2012

    @MartinB
    Da koennen wir uns gerne streiten. Wie gross sind die Abdruck-Erfolge von Snooker-Pressemitteilungen? Wen will die Snooker Association damit erreichen? Wie schon gesasgt: Deine Position hat etwas Arrogantes – hey, warum soll ich mir die Muehe machen nachzudenken, wie ich mich ausdruecke? Sollen sich doch die Leser (und bei einer Pressemitteilung ist auch der Journalist erst mal ein Leser, und auch der kann durch schlechte Formulierungen in die Irre gefuehrt werden).

    Simpsons Artikel in science ist, wie ich schon sagte,. eigentlich ein gutes Beispiel dafuer, wie man nicht vorgehen kann: Selbst hier bekennt er nicht Farbe, welche Zahlen er nun auf den Tisch gelegt hatte, sondern – wie ich schin sagte – er orakelt nur rum und meckert dann, dass er falsch verstanden wurde. Wenn er selbst hier nicht erkennen kann, was ein Leser wissen muss, um ihn verstehen zu koennen, dann ist’s mit seiner Medienkompetenz nicht weit her (ich bleibe mal, der Einfachheit halber, beim Praesens, auch wenn die Sache schon nehr als 70 Lahre zurueck und Simpson seit fast drei Jahrzehnten unter der Erde liegt). Dass die grossen Tageszeitungen als Multiplikatoren via Associated Press verwendet werden, war damals nicht nur bekannt und ein unvermeidbarer Nebeneffekt, sondern ist immer schon Teil der PR-Strategie ganz besonders des American Museum of Natural History (das mir ganz persoenlich sehr am Herzen liegt) – das ist kein einfaches “Stille Post”-Spiel, sondern eine bekannte und gewollte Verwertungskette.

    Und erstaunlicher Weise raeumt er ja ein, dass selbst AP danach noch einen stark editierten “eigenen Bericht” produzierte, dem er zwar sprachliche Uneleganz vorwerfen kann (“Man, instead of having descended from the monkey, probably ascended from a four-inch long, tree-dwelling animal which was the ancient graddaddy of all mammals on earth today” ist selbst nach den damaligen Massstaeben populaerwissenschaftlicher Logik ziemlich daemlich), aber die Kernaussage – Primaten stammen von eichhoernechengrossen, baumlebenden Vorfahren ab, die sich bereits sehr frueh einen Ast im Stammbaum der Saeugetiere gebaut hatten – ist dennoch korrekt. Was also ist sein Problem? Ich weiss es nicht.

    Zaehlen wir doch mal mit: Den Artikel in der New York Times fand er okay, und der wurde – seine Angaben! – in 29 Zeitungen ohne grosse Veraenderungen nachgedruckt. Den Dispatch der United Press (“well written, reasonably accurate, and interesting”) hatten zwoelf weitere Zeitungen uebernommen. Zusammen mit den sechs Blaettern, die den Pressetext unveraendert uebernahmen, kommen wir also schon mal auf 48 Zeitungen, deren Darstellung weitgehend korrekt gewesen sein muss. Wie Simpson dann also nur zehn Blaetter finden konnte, deren Berichterstattung er nicht als “seriously wrong scientifically nor ognoxious to me personally” empfand, laesst sich demnach ausschliesslich durch die von ihm eingefuehrte Variable “obnoxious to me personally” erklaeren – aber was das ist, verraet er uns dann doch lieber nicht. Sorry, Martin, aber der science-Beitrag von Simpson (der wissenschaftlich ansonsten meine uneingeschraenkte Hochachtung hat) erfuellt nicht mal die Anforderung an innere Logik. Und wie sieht es nun damit aus, wenn ich Dir meinerseits vorhalten wuerde, dassn Du durch die unreflektierte Kolportation dieses beitrags selbst ein bisschen “stille Post” gespielt hastm ohne dabei der Wahrheitsfindung ein Stueck naeher zu kommen?

  17. #17 Jürgen Schönstein
    23. Oktober 2012

    Sorry, muss ich noch ergaenzen: Auch der Text des Nachrichtendienstes Scripps-Howard (zwei Abdrucke in Simpsons Ausschnitt-Sammlung) hat seinen Segen (“by far the best condensation and rewrite of the story, giving a good idea of the essential meaning of the work”); der Science Service, in vier Blaettern verwendet, habe ebenfalls einen “reasonable account, although slightly less accurate and much less enlightening” als die Scripps-Howard-Story abgeliefert. Wir sind also inzwischen bei 54 Blaettern mit – nach Simpsons Massstaeben! – weitgehend korrekter Berichterstattung.

    Klar, das sind immer noch 46 Prozent, deren Texte irrefuehrend gewesen sein koennen, und damit 46 Prozent zu viel. Aber halt weitaus weniger als die 90 Prozent, die der Wissenschaftler als falsch oder beleidigend verdammt.

    Und was die Berichterstattung im (hier als einzigen Beleg fuer die Baerhundestory zitierten) Lokalblatt Gloversville Leader angeht: Boah! Wow! Ein einziger Reporter (der zwei mal ueber Hundezuechterausstellungen schreiben durfte, also gewiss nicht der Star im Redaktionsstab war), tief in der amerikanischen Provinz, genuegt also, um die Reputation aller amerikanischen Wissenschaftsjournalisten – streich amerikanisch! weltweit! – in alle Ewigkeit zu verdammen. Na, da wollen wir mal hoffen, dass es nicht irgendwo an irgend einer Uni irgend einen Wissenschaftler gibt, der mal Bloedsinn verzapft, denn sonst ist die Reputation der Wissenschaft insgesamt hin.

    Hmm, gibt’s da nicht einen Martin Behe, Biologieprofessor an der Lehigh University in Pennsylvania? Und wie ich hoere, laesst Freeman Dyson auch gelegentliche Klopper bei Umweltthemen los, und der LHC-Kritiker Otto Roessler ist dennoch ein agesehener Hochschulprofessor.

  18. #18 UMa
    23. Oktober 2012

    Ich habe den The Caldwell News Artikel (October 28, 1937), (der NYT Artikel ist leider nicht frei verfügbar) gefunden. Dort steht:
    “… animals at least 50,000,000 years old …”
    Das ist vermutlich auch die Zahl aus der Pressemitteilung. Der Titel lautet allerdings “Trace Life of Man Back Over 70,000,000 Years”. Und auch im ersten Absatz steht nochmal “… of 70,000,000 years ago, …”.

  19. #19 MartinB
    24. Oktober 2012

    @Jürgen
    “Wen will die Snooker Association damit erreichen? ”
    Jeden, der sich für Snooker interessiert…? Und dabei implizit annehmend, dass ein Journalist, der das liest, weiß, was gemeint ist, weil Sportjournalisten etwas von Sport verstehen…?
    Mein Problem ist, dass “dumbing down” immer nur und ausschließlich in der Wissenschaft gefordert wird – kein Fussballartikel (und sicher auch keine Pressemitteilung von FCB) erklärt dir die Abseitsfalle, aber jeder Wissenschaftsartikel muss dir nochmal erklären, was Quarks sind oder die Entropie. Das ist im Moment so, und deswegen schreibe ich ja auf den Sb auch entsprechend – das sollte aber nicht so sein, und deshalb ist Simpsons Kritik berechtigt.

    Die Kernaussage des zitierten Satzes ist übrigens nicht korrekt – der kleine baumbewohnende Vorfahr der Primaten ist eben gerade nicht der Vorfahr aller Säugetiere; nicht mal annähernd.

    “Und wie sieht es nun damit aus, wenn ich Dir meinerseits vorhalten wuerde, dassn Du durch die unreflektierte Kolportation dieses beitrags selbst ein bisschen “stille Post” gespielt hastm ohne dabei der Wahrheitsfindung ein Stueck naeher zu kommen?”
    Das ist völlig in Ordnung – da ich die Zahlen nicht nachvollzogen habe (und sie auch nicht nachvollziehen kann). Deine Behauptung, ich würde daraus schließen, dass ein einziger Fehler die ganze Branche in Misskredit bringt, ist natrürlich durch die Datenlage nicht gestützt.

    Was den einen (oder zwei?) Artikel in einem Lokalblättchen angeht – wie wahrscheinlich ist es, dass ein Lokalblättchen eine Bundesligamannschaft erfindet, die es gar nicht gibt? Oder ein Land, das nicht existiert, im Politikteil diskutiert? Meiner Ansicht nach legst du immer noch an wissenschaftliche Zeitungsartikel andere Maßstäbe an als an andere.

    Ich halte die Simpsonsche kernaussage deshalb für in weiten Teilen zutreffend und allein die seltsame Verbreitung der 70 Millionen (die ja anscheinend 50 Millionen sein sollten, danke UMa) zeigt ja, das hier etwas seltsam läuft. Du magst es die normale Verwertungskette finden, wenn einer vom anderen abschreibt (das mag im Sprt gehen, wo jeder eben hinreichende Grundkenntnisse hat, um Unsinn weitgehend auszuräumen, klappt in der Wissenschaft aber anscheinend nicht), ich hätte an Wissenschaftsjournalismus tendenziell höhere Ansprüche.

  20. #20 Jürgen Schönstein
    24. Oktober 2012

    … und ich habe hoehere Ansprueche an Wissenschaft als an Sport. Aber vielleicht irre ich mich da ja, und es spielt, aus der Sicht der Wissenschaftler, wirklich keine Rolle, ob ihre Erkenntnisse nun eine breite (!) Oeffentlichkeit erreichen oder nur ein paar interessierte Geeks. Vielleicht IST Wissenschaft ja so banal wie Sport – dann habe ich mich geirrt. Und zwar ganz gewaltig geirrt, was das (Selbst-)Verstaendnis der Wissenschaft angeht.

    Was die nachvollziehbarkeit von Simpsons Zahlen zur Qualitaet der Publikationen angeht: Dazu genuegt (wie ich Dir vorgerechnet have) simple Arithmetik: 93 Zeitungsausschnitte hat er erhalten und fuer seine Analyse herangezogen; davon waren, wie er schreibt, die oben erwaehnten 54 Clippings durchaus in Ordnung (jedenfalls etwa so in Ordnung wie sein eigener Science-Beitrag, der ja auch den einen oder anderen sachlichen Fehler enthaelt, nicht wahr?)

    Lass es mich noch einmal deutlich erklaeren: Mich stoert weniger die Kritik an den Medien, als vielmehr die mangelnde Selbstkritik. Zur Kommunikation gehoeren immer (mindestens) zwei, und so einfach, die Schuld immer nur beim anderen zu suchen, darf man es sich nicht machen. Nochmal: Simpson bemaekelt die 70 Millionen Jahre – aber anstatt ganz klar zu zitieren, was denn nun tatsaechlich in der Pressemitteilung gestanden hat, orakelt er herum. Das ist 1. schlechte Kommunikation (und einer der von mir erwaehnten Fehler) und 2. hoechst verdaechtig.

  21. #21 MartinB
    24. Oktober 2012

    @Jürgen
    “… und ich habe hoehere Ansprueche an Wissenschaft als an Sport.”
    Folgen daraus niedrigere Ansprüche an die jeweiligen Journalisten.

    Vielleicht hat Simpson bei seinen Zahlen auch wörtlich abgeschriebene Meldungen nur einmal gezählt – das gäbe dann ein falsches Bild dessen, was an die öffentlichkeit gelangt ist, aber ein korrektes Bild dessen, was Journalisten aus vorliegenden texten machen.

    “Mich stoert weniger die Kritik an den Medien, als vielmehr die mangelnde Selbstkritik.”
    Das wiederum halte ich für ein faires Statement – dass ein Teil des Problems auch beim Sender liegt, mag ich gern glauben. Mich stört die Einstellung, die ich bei dir herauszulesen glaube
    “wissenschaftliche Mitteilungen an Journalisten muss man so schreiben, dass 1. jeder sie versteht, egal welche Vorkenntnisse er hat und dass 2. alles auf gar keinen Fall missverständlich ist, weil Journalisten aus “mausgroß” schon mal “ist eine Maus” machen. “

  22. #22 Jürgen Schönstein
    25. Oktober 2012

    @MartinB
    Wir operieren hier ja nach dem Prinzip von Rede und Gegenrede (in der Hoffnung auf eine Synthese am Ende). Und die Rede war: Wissenschaftsjournalisten verhunzen gute Wissenschaft. Das ist zwar ein wenig überspitzt von mir formuliert, aber im Kern identisch mit der Aussage “Es wird ja oft beklagt, dass Zeitungen Wissenschaftsmeldungen gern verwirrend oder falsch darstellen und bis zur Unkenntlichkeit verzerren. ” Deine These belegst Du mit einem Text, der sich genau darüber auslässt. Soweit, so gut. Nun stimme ich aber dieser kategorischen Aussage nicht zu (als Betroffener muss ich wohl nicht erklären warum), und da ich in Deinem Text keine Hinweise auf mögliche andere Ursachen außer der journalistischen Unfähigkeit finde, versuche ich selbst, Deine These zu falsifizieren. Indem ich beispielsweise die Daten, auf die Du Deine (und SImpsons) These stützt, daraufhin teste, ob sie auch noch andere Erklärungen erlauben. Und ich finde in Deinem text dann deutliche Anzeichen dafür, dass a) die Daten unsauber interpretiert sind, und b) nicht alle für die Bewertung der Aussage nötigen Informationen gegeben wurden. Nun sag mir bitte, was das im wissenschaftlichen Diskurs bedeutet? Na? Es bedeutet, dass die Ausgangsthese erst mal nicht haltbar ist. So läuft das doch normaler Weise in der WIssenschaft: Ich beobachte ein Phänomen und formuliere eine Hypothese, die dessen Enststehung erklärt. Diese Hypothese muss ich dann mit Daten und Fakten belegen. Wenn dann aber jemand kommt und mir zeigt, dass meine Daten und Fakten entweder falsch oder unvollständig sind und zudem auch mit einer anderen Hypothese erklärt werden können, dann liegt die Last des Beweises wieder bei mir.

    So, nun also noch mal die Kurzfassung: Du hast eine steile These aufgestellt, und ich habe Dir gezeigt, dass sie nicht durch Daten gestützt ist. Sportanalogien sind keine Beweise, und allein die Behauptung eines wenn auch noch so angesehenen Wissenschaftlers (i.d.F. Simpson, sorry!), alle Informationen unmissverständlich an die Presse gegeben zu haben, ist nichts weiter als eine Behauptung, so lange sie nicht belegt wird – zum Beispiel durch Original-Zitate der Pressemitteilung oder zumindest die genaue Angabe der darin verbreiteten Informationen. Beweis nicht erbracht – Hypothese nicht belegt. Ende.

  23. #23 MartinB
    25. Oktober 2012

    @Jürgen
    Also: Wir haben (dank UMA) die Info, dass in der Pressemitteilung höchstwahrscheinlich 50 Millionen Jahre stand.
    Du selbst hast begründet vermutet, dass da “mausgroß” stand (das steht ja auch bei Simpson so).
    Daraus wurde dann 70 Millionen Jahre und aus “mausgroß” wurde “Maus”. (Einverstanden mit diesen Annahmen/Folgerungen?)

    In den von Simpson zitierten Texten steht außerdem (oben nachzulesen) einiges an klarem wissenschaftlichem Unsinn (Vorfahr aller Säugetieren “neue Evolutionstheorie”, “Wiege des Tierlebens zu dem der Mensch gehört”) .

    Und das ist ein Fehler der originalen Pressemitteilung und nicht der Journalisten, weil…?

    PS:Wen du den text genau liest, dann siehst du am Einleitungssatz, dass ich den text von Simpson zunächst als einen Beleg dafür anführe, dass “oft beklagt wird…”.

  24. #24 Jürgen Schönstein
    25. Oktober 2012

    @MartinB
    Widerspruch! Dank UMa (und dank meiner eigenen Recherche) wissen wir, dass die NEW YORK TIMES (!) den Zeitraum zwischen 50 Mio und 70 Mio Jahren angesiedelt hat – was in der PM stand, ist nach wie vor nicht geklärt. Und da die NYTimes-Faktchecker sich zumindest die PM angesehen haben müssen (die sind noch viel gründlicher, aber das ist das Minimum), MUSS dort eine ambivalente Angaben gewesen sein. WIe gesagt, wir können nur spekulieren, aber ich bin mir sicher, dass da eine Angabe über das Paläozän drind stand, die – siehe UMa – den Zeitraum von 50 bis 70 Mio Jahren umfasste (oder vielleicht sogar noch großzügiger war). Dann noch ein bisschen herumgeeiert, wie alt nun genau die Fossilien sein sollen, und schon habe ich eine Unklarheit geschaffen, die zu Missverständnissen führt. Und nein, ich habe nicht “mausgroß” verortet, sondern “mausartig” – das ist nun mal ein Unterschied. Was nun die “neue Evolutionstheorie” angeht, sicher: Da ist jemand mit den Begriffen nicht genau umgegangen und meint, dass es neue Erkenntnisse in der Evolutionstheorie gibt – so what? Vielleicht solltest Du mal in Betracht ziehen, dass wie hier über eine Zeit reden, die nur knapp ein Jahrzehnt nach dem so genannten Scopes Monkey Trial liegt – viele LeserInnen und auch viele Journalisten waren mit der Evolutionslehre nicht so vertraut wie wir es heute erwarten würden. Und dafür ist es schon beinahe sensationell, wie breit das Thema “Evolution des Menschen” hier aufgegriffen wurde.

    Und was Deinen Einleitungssatz angeht: Es geht in Deinem Beitrag nicht um “oft beklagt” (wenn dem so wäre, dann müsste ja eine Übersicht über die Klagehäufigkeit irgendwo mal auftauchen – aber dazu gibt es, außer dem 70 Jahre alten Lamento, keine weiteren Belege), sondern das “oft beklagt” wird benutzt, um die Faktualität dessen zu etablieren, was Du im Folgenden präsentierst.

  25. #25 MartinB
    25. Oktober 2012

    @Jürgen
    “MUSS dort eine ambivalente Angaben gewesen sein.”
    Da Simpson explizit von einer “much lower figure” spricht, müsste er dann ja explizit gelogen haben, oder?

    ““mausartig” – das ist nun mal ein Unterschied.”
    Simpson schrebt aber “… is the result of saying that some of these mammals were as small as rats and mice”.

    “dafür ist es schon beinahe sensationell, wie breit das Thema “Evolution des Menschen” hier aufgegriffen wurde.
    Besonders, wenn explizit gesagt wurde (falls Simpson nicht lügt), dass die gefundenen Fossilien *nicht* in der Entwiclungslinie des menschen stehen.

    Was den Einleitungssatz angeht: Der sagt genau das: Dass schon vor 70 Jahren beklagt wurde, dass Wissenshcaftjournalismus oft verzerrt. Das belege ich dann mit dem Artikel von Simpson (dessen Kritik am Wissenshcaftjournalismus ich auch weitgehend teile – nein, für mich ist es nicht in Ordnung, wenn aus “mausgroß” plötzlich “mausartig” und dann “maus” wird, das ist ja genau das, was ich mit “Stille Post” meine. Und ja, ich denke nach wie vor, dass man von Wissenschaftsjournalisten erwarten darf, dass sie auch ein paar Grundkenntnisse der Wissenschaft haben und dass man in einer Pressemitteilung dieses Grundwissen auch voraussetzen darf. Ich finde die Analogie mit z.B. Sport nach wie vor in dieser Hinsicht sinnvoll: Niemand würde einen Reporter über ein Sportereignis berichten lassen, wenn er nicht mal die Regeln kennt (hoffe ich jedenfalls…))

  26. #26 Adent
    25. Oktober 2012

    @MartinB
    Sehr schöne Geschichte und GGs Humor ist wirklich köstlich. Den Artikel der NYT, in dem im Text wohl die richtige Zeitangabe steht kann man für 3.95 Dollar online kaufen (Recherche im NYT-Archiv). Falls irgendjemand also gerade 3.95 spenden möchte ;-))

  27. #27 Jürgen Schönstein
    25. Oktober 2012

    @MartinB
    genau das ist das Problem: Simpson behautpet zwar, alles klar gesagt zu haben, aber da er weder Zitate noch Zahlen zum Beleg erbringt, sondern nur vage und relationale Angaben macht, ist schon diese Grundannahme nicht belegt. Und ab da ist jede weitere Argumentation, die darauf aufbaut, nach wissenschaftlichen Massstaeben, nicht mehr haltbar. Das ist meine grundsaetzliche Botschaft hier: Ja, natuerlich wird auch Mist in den medien geschrieben – aber sehr oft ist die Erklaerung ein simples “garbage in – garbage out”. Und so lange Simpson nicht beiwesen hat, dass seine Aussendung nicht doch “garbage” war, sind alle weiteren Schlussfolgerungen erst mal ueberfluessig.

  28. #28 MartinB
    25. Oktober 2012

    @Jürgen
    Gut, wenn du Simpson nicht glaubst, dass er eine “much lower figure” in seinem Originaltext geschrieben hat und dass da “were as small as rats” (was genau ist daran “vage”?) stand und dass da explizit stand, dass diese Tiere keine direkten Vorfahren des Menschen waren, dann erübrigt sich die weitere Diskussion natürlich.

  29. #29 Adent
    25. Oktober 2012

    Wie wäre es 3.95 Dollar auszugeben und nachzuschauen?

  30. #30 Niels
    25. Oktober 2012

    @Jürgen Schönstein

    Und erstaunlicher Weise raeumt er ja ein, dass selbst AP danach noch einen stark editierten “eigenen Bericht” produzierte, dem er zwar sprachliche Uneleganz vorwerfen kann (“Man, instead of having descended from the monkey, probably ascended from a four-inch long, tree-dwelling animal which was the ancient graddaddy of all mammals on earth today” ist selbst nach den damaligen Massstaeben populaerwissenschaftlicher Logik ziemlich daemlich), aber die Kernaussage – Primaten stammen von eichhoernechengrossen, baumlebenden Vorfahren ab, die sich bereits sehr frueh einen Ast im Stammbaum der Saeugetiere gebaut hatten – ist dennoch korrekt. Was also ist sein Problem?

    Eins seiner Problem ist, dass das eben überhaupt nicht für die Kernaussage ist.
    Less than one fourth of this version (der Original-Pressemitteilung) refers to the oldest known primates, included in the faunas described in the bulletin.
    Außerdem stört ihn:
    It (die AP-Meldung) went on to suggest that I held that man might have originated in the western United States rather than in Asia.
    It may not be necessary to insist that I have never made and do not believe any such statements as these or others of less importance in the same dispatch.

    Es gibt also mehrere Fehler, von denen er aber nur den Schlimmsten aufzählt.

    Keine Ahnung, wie du darauf kommst, dass er der AP nur sprachliche Uneleganz vorwirft. Tatsächlich taucht dieser spezielle Vorwurf doch überhaupt nicht auf.

    Widerspruch! Dank UMa (und dank meiner eigenen Recherche) wissen wir, dass die NEW YORK TIMES (!) den Zeitraum zwischen 50 Mio und 70 Mio Jahren angesiedelt hat – was in der PM stand, ist nach wie vor nicht geklärt.

    Hm?
    This story, too, refers to 70,000,000 years, although in a later paragraph it gives the much lower figure that I really authorized.
    Wir wissen also, dass die NEW YORK TIMES die falsche Angabe von 70 Millionen verwendet, sogar in der Headline.
    Und das, obwohl an anderer Stelle exakt die richtige Zahl auftaucht. Woher wussten sie diese und warum dachten sie, dass zwei unterschiedliche Zeiten gleichzeitig richtig sein könnten?

    Zaehlen wir doch mal mit: Den Artikel in der New York Times fand er okay

    Den Artikel im Großen und Ganzen schon.
    Die Headline Man ‘Traced’ Back 70,000,000 Years macht das aber alles zunichte, die ist unter aller Sau.
    Wenn man bedenkt, dass viele Leser entweder nur die Headline lesen oder aber hauptsächlich diese am Schluss im Gedächtnis bleibt…

    “Es wird ja oft beklagt, dass Zeitungen Wissenschaftsmeldungen gern verwirrend oder falsch darstellen und bis zur Unkenntlichkeit verzerren. ” Deine These belegst Du mit einem Text, der sich genau darüber auslässt.
    […]
    Du hast eine steile These aufgestellt, und ich habe Dir gezeigt, dass sie nicht durch Daten gestützt ist.

    Wieso hast du das denn gezeigt?
    Sogar deiner eigenen Zählung zufolge waren nur 54% der Zeitungsmeldungen in Ordnung. Damit ist ein “gern” widerlegt?

    Und was die Berichterstattung im (hier als einzigen Beleg fuer die Baerhundestory zitierten) Lokalblatt Gloversville Leader angeht: Boah! Wow! Ein einziger Reporter (der zwei mal ueber Hundezuechterausstellungen schreiben durfte, also gewiss nicht der Star im Redaktionsstab war), tief in der amerikanischen Provinz, genuegt also, um die Reputation aller amerikanischen Wissenschaftsjournalisten – streich amerikanisch! weltweit! – in alle Ewigkeit zu verdammen.

    Zum ersten will Simpson doch niemanden bis in alle Ewigkeit verdammen.
    Zum zweiten geht es im Artikel nicht nur um einen einzigen Reporter, das ist doch der letzte Fall in einer längeren Liste.
    Zum dritten ist das eine witzige Anekdote zum Ausklang. Oder kannst du die Stelle zitieren, in der Simpson von diesem einen Fall ausgehend pauschal auf alle anderen Zeitungen verallgemeinert?

  31. #31 Jürgen Schönstein
    26. Oktober 2012

    @Niels

    This story, too, refers to 70,000,000 years, although in a later paragraph it gives the much lower figure that I really authorized.
    Wir wissen also, dass die NEW YORK TIMES die falsche Angabe von 70 Millionen verwendet, sogar in der Headline.

    Nö, wir wissen nur, dass Simpson behauptet, sich klar ausgedrückt zu haben – selbst in seinem Science-Artikel vermeidet er aber, die “genaue” Angabe zu nennen, sondern zitiert nur dunkel, dass er “eine viel niedrigere Zahl autorisiert” habe – das ist nicht das Gleiche, als wenn er sagt: “In der Pressemitteilung stand ausdrücklich 55 Millionen Jahre” (oder was auch immer). Was die pauschale Verallgemeinerung angeht: Ein einzelnes – anekdotisches – Extrembeispiel als Beleg für eine generelle These zu nehmen, führ zwangsläufig zu einer pauschalen Verallgemeinerung. Ich wiederhole mich gerne: Ich bezweifle nicht, dass in vielen Blättern Mist stand, aber so lange wir nicht wissen, was das American Museum of Natural History ausgeschickt hat, ist nicht belegt, dass dies ein Versagen des Journalismus war; es könnte ebenso gut ein Versagen der wissenschaftlichen Seite gewesen sein. Mehr muss ich hier nicht begründen. Ach so, es kommt nie vor, dass wisenschaftliche Presseaussendungen die Empfänger aufs falsche Gleis schicken? Na, dann lies mal hier und dann das, was ich zu dem Thema
    schon mal geschrieben habe.

    Eins seiner Problem ist, dass das eben überhaupt nicht für die Kernaussage ist.

    Klassischer Fall von falsch gedacht: Nichts interessiert den Menschen mehr, als über den Menschen zu lesen. Zu glauben, dass sich eine lange und langwierige Auslassung über die Evolution der Säugetiere generell nicht zwangsläufig auf die Frage der Abstammung des Menschen zuspitzen würde, zeigt letztlich nur, wie wenig Ahnung Simpson von (Massen)kommunikation hatte. Und nein: Nicht er entscheidet, was die Presse zu interessieren hat – wer das glaubt, der sollte lieber die Finger von der Öffentlichkeitsarbiet lassen.

  32. #32 Adent
    26. Oktober 2012

    @Jürgen
    Also unterstellst du Simpson erstmal er lügt in seinem Science Kurzartikel, um ein (von dir postuliertes) wissenschaftliches Versagen zu kaschieren oder wie soll ich das verstehen? Ich meine, das klingt ein bischen nach VT, weil nahezu alle Zeitschriften/Zeitungen es falsch schreiben, dann muß es auch falsch gewesen sein. In dem Fall, dass es schon in der authorisierten Pressemitteilung falsch war würde Simpson sich doch nicht so weit aus dem Fenster lehnen und es in Science aufarbeiten oder? Dabei wäre doch die Gefahr sehr groß, dass sich einige Journalisten darüber aufregen und ihm seinen Fehler umgehend vor die Nase halten.

  33. #33 Niels
    26. Oktober 2012

    @Jürgen Schönstein

    Eins seiner Problem ist, dass das eben überhaupt nicht für die Kernaussage ist.

    Klassischer Fall von falsch gedacht
    […]
    Nicht er entscheidet, was die Presse zu interessieren hat – wer das glaubt, der sollte lieber die Finger von der Öffentlichkeitsarbiet lassen.

    Na ja, er war an der Öffentlichkeitsarbeit doch auch nur insofern beteiligt, dass er die Pressemitteilung autorisiert hat. Geschrieben hat sie irgendein Mitarbeitet des American Museum of Natural History.

    Davon abgesehen war das auch erst einmal nur eine Überinterpretation von mir, sorry.
    Vielleicht wollte Simpson vielmehr sagen:
    Sie schreiben sogar nur über ein Viertel der Original-Pressemitteilung, aber nicht mal dieses Viertel können sie richtig wiedergeben.

    Nö, wir wissen nur, dass Simpson behauptet, sich klar ausgedrückt zu haben – selbst in seinem Science-Artikel vermeidet er aber, die “genaue” Angabe zu nennen

    Weil die exakte Angabe für diesen Artikel völlig belanglos ist?
    Die “genaue” Angabe kannst du aber in a later paragraph im New York Times – Artikel nachlesen.
    Außer auch das wäre gelogen.

    Davon abgesehen kannst du natürlich jede einzelne seiner Behauptungen in Zweifel ziehen.
    Es stimmt vielleicht gar nicht, dass die AP-Meldung Fehler enthält. Oder die Original-PM enthielt diese Fehler auch schon, obwohl Simpson etwas anderes behauptet.
    Oder die AP hat gar nicht die Original-PM verwendet, sondern direkt die Original-Arbeit. Wobei die Original-Arbeit die Fehler enthält. Oder die AP hat direkt angerufen und nachgefragt, und so kamen die Fehler in den Beitrag.
    usw.

    Ein einzelnes – anekdotisches – Extrembeispiel als Beleg für eine generelle These zu nehmen, führ zwangsläufig zu einer pauschalen Verallgemeinerung.

    Es wird doch gar nicht als Beleg genommen. Es wird nur genannt.
    Warum darf Simpson nicht einmal erwähnen, dass eine Zeitung derartigen Unsinn schreibt, dass das jedem denkenden Leser auffallen müsste? Dass dieser völlig verrückte Beitrag aber trotzdem auch Jahre später immer mal wieder nachgedruckt wurde?
    (Na gut, es ist natürlich in dem Sinne ein Beleg, dass damit belegt wird, dass diese eine Zeitungen Unsinn geschrieben hat. Für die anderen Zeitungen, die ebenfalls berichten, wird das aber doch unabhängig von diesem Fall und völlig gesondert belegt.)

    Ach so, es kommt nie vor, dass wisenschaftliche Presseaussendungen die Empfänger aufs falsche Gleis schicken?

    Hat doch niemand behauptet?
    Aber es ist schon bemerkenswert, dass sogar nach ihrer wohlwollenden Rechnung 46 Prozent der Zeitungen schwerwiegende Fehler enthielten.

  34. #34 UMa
    26. Oktober 2012

    Ich habe das Buch “The age of the earth (1913)” von Holmes gefunden.
    https://archive.org/details/ageofearth00holmuoft
    In ihm ist kein Alter für das Paläozän oder die Kreide angegeben. Soweit ich das sehe, war das damals (1913) noch nicht verfügbar. Das bedeutet, das die 2nd edition diese Buches von 1937, deren Zeitskala in Gradstein (2004) zitiert wird, nicht eine veraltete Zeitskala von 1913 enthält, sondern die 70Mio Jahre müssen neu sein. Es sind aber auch nicht die 60Mio Jahre aus Holmes’ Paper von 1933.
    Die Zeitungsartikel sind auch von 1937.
    Entweder stammen die 70Mio Jahre aus diesem, damals brandneuen, Buch von Holmes, das einem der Journalisten bereits vorlag, oder aus einer anderen mir unbekannten Quelle, oder wurden irgendwie erfunden, weil vermutlich in der Pressemitteilung irgendwas wie “mindestens 50Mio Jahre” stand.
    Vielleicht hat Simpson dieses Buch (Holmes 1937) beim schreiben des Science Artikels, der 1940 erschien, noch nicht gekannt? Wann mag er den Science Artikel geschrieben haben?

  35. #35 MartinB
    26. Oktober 2012

    @UMa
    “Wann mag er den Science Artikel geschrieben haben?”
    Ich vermute mal, nicht früher als 1939, weil er ja die geschichte der Veröffentlichungen über einen längeren zeitraum erzählt und die Kodiak-Hund-Geschichte einige Monate später als der rest passiert sein soll.

  36. #36 roel
    *****
    26. Oktober 2012

    @UMa Ich bin z.Zt. leider etwas in meinen Recherchemöglichkeiten eingeschränkt. Geht es darum wann das Paläozän richtig datiert wurde? “On the basis of fossil plants, W. P. Schimper separated the lower part of Lyell’s Eocene and named it Paleocene in 1874.”

    Die Bücher von Schimper sind im Internet verfügbar. Jetzt kommen leider meine Rechercheeinschränkungen – In einer französischen Online Bibliothek.

  37. #37 MartinB
    26. Oktober 2012

    @roel
    Es geht hier um die absolute Datierung, nicht um die relative.

  38. #38 UMa
    30. Oktober 2012

    Ich habe noch eine Zeittafel aus einem Brockhaus von 1934 gefunden. Dort werden die Beginne von Känozoikum, Mesozoikum und Paläozoikum mit jeweils 60, 150 und 500 Millionen Jahren angegeben. Außerdem ist mir aufgefallen, dass in allen Zeitskalen vor 1937, die ich in der letzten Zeit gesehen habe, auf die Kreide direkt das Eozän folgt und das Paläozän fehlt.
    @roel: (zu 1874)
    In der Wikipedia steht sogar 1847:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4oz%C3%A4n